Εργασία του Ηλία Ταμπουράκη στο Εθνικό & Καποδιστριακό Πανεπιστήμιο
Joseph Eichendorff
Joseph von Eichendorff:
I. Aus dem Leben eines Taugenichts
II. Das Marmorbild
Themafrage: Wie kommt die Natur vor und wie verändert sie sich,
je nachdem wie die Stimmung des Helden ist?
LEITFADEN:
A. Einleitung: Vorstellung der Landschaft und Erschließung ihrer
Symbole, der Religion, der Personen und ihres psychologischen Deutungsansatz..........S. 2
B. Hauptteil: 1. Thematik, Unterschiede und Gemeinsamtheiten
der beiden Werke:......................................................S. 4
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung
als Gestaltungsbegriff....................................S. 6
2. Die Naturdarstellung:.......................................................S. 8 (Marmorbild)
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft...... S. 12
b. Der Lustgarten................................................S. 12
(Taugenichts)
c. Der Schlossgarten als Liebesort...................S. 14
d. Der verwunschene Garten.............................S. 14
3. Charakterisierung der Hauptpersonen:........................S. 18
a. Hauptperson: der Taugenichts......................S. 18
(Marmorbild)
c. Hauptperson: Florio........................................S. 23
d. Der Taugenichts als:
i. Romantiker................................................S. 29
ii. Antiheld.....................................................S. 30
iii. gesellschaftlicher Außenseiter...............S. 30
iv. Gottes- und Sonntagskind.....................S. 31
v. Enthusiast................................................S. 32
e. Vergleich:
(Taugenichts)
i. Student (Taugenichts) – Philister (Portier)......S. 34
(Marmorbild)
ii. Fortunato – Donati.............................S. 35 / 38
(Taugenichts / Marmorbild)
iii. Aurelie – Bianka..................................S. 39/41
C. Schluss: 1. Wirkung der beiden Werke auf den Leser.....................S. 42
(Beantwortung der Themafrage)
D. Literaturverzeichnis.............................................................................S. 44
In meiner Diplomarbeit befasse ich mich mit den Werken von Joseph von Eichendorff[1]: „Aus dem Leben eines Taugenichts”[2] und „Das Marmorbild”[3].
Durch dieses Studium wird deutlich, wie die Natur vorkommt und wie sie sich verändert, je nachdem wie die Stimmung des Helden ist.
Ich habe vor, dieses Thema unter folgenden Aspekten zu betrachten: nach der vorhandenen Abgrenzung der Themafrage durch die Vorstellung der Landschaft und die Erschließung ihrer Symbole, der Religion, der Personen und ihres psychologischen Deutungsansatz, werde ich – als Anfang des Hauptteils - die Thematik, die Unterschiede und die Gemeinsamtheiten der beiden Werke erläutern. Der Rationalismus gegen die fromme Einfalt, die Dichtung und die fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff, werden auch hier erwähnt.
Zunächst möchte ich die Frage der Naturdarstellung im verwunschenen Garten, im Schlossgarten - als Liebesort -, wie auch auf dem Venusberg - als wildromantische Landschaft - und im Lustgarten behandeln.
Die Charakterisierung der Hauptpersonen (Taugenichts und Florio, in den zwei Büchern, entsprechend) wird der nächste Blickpunkt des Hauptteils: Gegensätze zwischen Künstler und Philister (also, dem wahren Lebenskünstlern und der Philister-Predigt) und der Taugenichts als Romantiker, Antiheld, gesellschaftlicher Außenseiter, religiöser Mensch und Enthusiast. Dann komme ich zum allgemeinen Vergleich, z. B.: zwischen dem Student und dem Philister (also zwischen dem Taugenichts und dem Portier, oder dem Vater) – im Buch „Aus dem Leben eines Taugenichts” und zwischen Fortunato und Donati, im Buch „Das Marmorbild” und zwischen Aurelie und Bianka, in beiden Büchern..
Zusammenfassend wird hiermit die Wirkung der beiden Werke auf den Leser verdeutlicht. Meines Erachtens wird auf diese Art die vorerwähnte Themafrage beantwortet.
Auf dem ersten Standpunkt steht Eichendorffs Landschaft u. ihre Symbole: Die deutsche Romantik[4] gilt als Blütezeit philosophischer und literarischer Kreativität und als Gegenbewegung gegen das allzu nüchterne Denken des beginnenden Industriezeitalters. Sie sehnt über alles Bestehende hinaus und ersehnt die Unendlichkeit; die Romantik möchte auch die Grenzen der Kunst überschreiten, indem sie ihr den verlorenen Einfluss auf das Alltagsleben zurückgibt.[5] Die Philosophie[6] lehrte, wie sehr das menschliche Ich, d.h. das Subjekt, die Sicht der Welt beeinflusst. Dies änderte die Auffassung von der Rolle der Kunst: an die Stelle der früheren Lehre, Dichtung und Kunst hätten sie die Natur nachzuahmen, trat bei den Romantikern die Ansicht, Dichtung und Kunst seien Ausdruck der Fantasie des Menschen. Kunst bietet gerade kein Abbild der Wirklichkeit, sie schafft eine eigene Welt, die als Vorschein einer künftigen besseren Welt gesehen werden kann. Eichendorff zählt zur sogenannten Spätromantik[7]. Die Kombination von Morgen (Tagesanfang), Frühling (Jahresanfang) und Jugend (Lebensanfang), im „Marmorbild”, ist für Eichendorff typische Symbolik. Die Landschaft ist, also, der entscheidende Raum für seine Werke: im „Marmorbild” ist sie ein austauschbares mittelalterliches Stadtbild ohne besondere örtliche Merkmale, und im „Leben eines Taugenichts” die Ereignisse spielen hauptsächlich an der Donau bei Wien und in Italien bis hinunter nach Rom; Italien ist für die Romantik das Land der Poesie, und Rom der Pol der mittelalterlichen katholischen Christenheit.
Demnach, kommt auf der zweiten Stelle das Thema der Religion: Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” erzählt die märchenhafte Glücksuche eines naiven Jünglings als Ausdruck der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Sie bezieht sich dabei neben dem soziologischen, Aspekt aufs Thema der Religion, die besonders betont ist. Da wird es möglich, die fromme Einfalt des Taugenichts als Kontrast zum aufklärerischen Rationalismus zu erfassen: an der Stelle des Glaubens an die menschliche Vernunft tritt das demütige Gottvertrauen. Das “Marmorbild“ durchzieht der alte Menschheitstraum vom verlorenen Paradies - ein Topos der Romantik - vom Verlust der unzeitlichen Stätte des Friedens, der Ruhe, des Glücks und deren Wiederkehr auf Erden oder im Himmel.[8]
Die Personen und ihr psychologischer Deutungsansatz: Als nächster Schritt, erscheint die Grenze des Ichs, indem sie das Individuum in größere Einheiten einbindet, wie z. B., die Religion und das Volk. Eichendorff kritisiert einen Menschentypus, den die Romantiker Philister genannt haben. Der Begriff fällt im Text nie, bezeichnet aber den Gegensatz zum Taugenichts. Als Philister schildert der Schriftsteller den Portier, der kein Verständnis dafür hat, dass der Taugenichts die Kartoffeln und das Gemüse herausreißt und dafür Blumen pflanzt. Lange vor der modernen Psychoanalyse stellt Eichendorff Traumvoraussetzungen, -inhalte und -erscheinungen ausführlich und genau als Wirklichkeit des Unbewussten dar: einen großen Teil der Erzählung des „Marmorbildes“ nehmen Florios Träume ein.
Aus den vorerwähnten Argumenten lässt sich eine Beantwortung der Themafrage feststellen.
B: HAUPTTEIL:
1. Thematik, Unterschiede und Gemeinsamtheiten der beiden Werke:
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff.
Die deutsche Literaturgeschichte[9] bietet nur wenige Werke, anhand derer sich überschaubar und einleuchtend ganze Epochen erschließen lassen.[10] Josephvon Eichendorff gilt als volkstümlicher Romantiker[11], als derjenige, der bei vielen Lesern überhaupt die Vorstellung von Romantik geprägt hat – vor allem durch seine Lyrik und seine Novellen „Aus dem Leben eines Taugenichts” und „Das Marmorbild”, die exemplarisch für die Spätromantik[12] sind.
Eichendorffs Auffassung von Dichtung erläutert seinen Blickpunkt:
„Alle Poesie ist nur der Ausdruck, gleichsam der seelische Leib der inneren Geschichte der Nation; die innere Geschichte der Nation aber ist ihre Religion; […]”
Der Schriftsteller hat beide Bücher als Novellen[13] eingeordnet. Eine Novelle erzählt ein ungewöhnliches Ereignis, sie bietet „etwas Neues”. Sie verwendet Gegenstände symbolisch. Allerdings ist der „Taugenichts” für eine Novelle nicht realitätsbezogen genug. Manches erinnert an das Märchen, für das die Romantiker eine Vorliebe hatten: die einfache Sprache mit ihrer Vorliebe für Verkleinerungsformen, die wundersamen Wechselfälle des Geschehens und das glückliche Ende.[14]
Im Buch „Aus dem Leben eines Taugenichts“ steht die etwas einfältige Geschichte eines Müllerssohns, der durch die Welt irrt, bis er die große Liebe findet. Der Taugenichts[15], der seine Ungebildetheit bekennt, äußert keine tieferen Überlegungen und führt auch keine theoretischen Gespräche. Er möchte einfach –wie wir heute sagen würden – aus der Gesellschaft, die sein Elternhaus repräsentiert, auszusteigen. Wo er sich Gedanken über die Welt und das Leben macht, ironisiert Eichendorff seinen jungendlichen Helden und lässt ihn unbedarft wirken. Da seine Ich-Perspektive vorherrscht, fallen die Spuren der Themen, die für Eichendorff wichtig sind, bei der ersten Lektüre kaum auf. Sie erschließen sich dem Leser erst, wenn Zusatzwissen über das Weltbild des Autors den Blick für sie schärft. Dan wird es möglich, die fromme Einfalt des Taugenichts als Kontrast zum aufklärerischen Rationalismus zu erfassen, die Beziehung Dichtung – Religion zu bestimmen, die Natur- und Landschaftsbeschreibungen als unrealistisch zu erkennen und die kunstvolle Unbestimmtheit des Textes zu erklären. Da man den literaturgeschichtlichen Hintergrund selten kennt, wundert man sich leicht, wie unbeschwert Sprache und Handlung der Novelle wirken. Aber auch das Wissen über Zusammenhänge lässt ihre Leichtfüßigkeit nicht schwerfällig werden. Der Eindruck der Naivität verliert sich, ihre Heiterkeit bleibt erhalten.[16]
„Das Marmorbild”, unmittelbar vor dem „Taugenichts” entstanden, ist dagegen weniger bekannt. Im „Marmorbild“ stellt Eichendorff die Gefährdung des jungen Poeten Florio dar, der in seiner Sinnenlust den Reizen der Venus zu verfallen droht, aber schließlich durch seine ursprüngliche Religiosität gerettet wird.[17] Das „Das Marmorbild“ weniger bekannt ist als der „Taugenichts“, dürfte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass es von Anfang an als relativ unbedeutend eingestuft wurde (als nach der neuesten Schriftstellermode, als ein Gespensterspuk, ohne viel andere als äußerliche Bedeutung, als verkleisterte Gemütlichkeit - erst ab 1850 finden sich wohlwollendere Beurteilungen), andererseits auf seine dunklere Grundstimmung, auf die Vielzahl von Formeln, Symbolen, Sinnbildern. Häufig dem religiösen Bereich entstammend waren sie größtenteils schon dem Leser des 19. Jahrhunderts nicht mehr vertraut und blockierten so ein rein inhaltliches Lesen.[18]
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff:[19] Zum Programm der Poetisierung gehört die Darstellung schöner Landschaften. Schon beim ersten Lesen fällt auf, welche Bedeutung die Natur für den Taugenichts hat. Erst genaueres Lesen aber entdeckt, dass ihre Beschreibung oft eher dazu dient, Assoziationen[20] zu wecken, als realistische Eindrücke wiederzugeben. Dies soll an einem Text belegt werden:[21]
„Die kühle Morgenluft weckte mich endlich aus meinen Träumereien. Ich erstaunte ordentlich, wie ich so auf einmal um mich her blickte. Musik und Tanz war lange vorbei, im Schlosse und rings um das Schloss herum auf dem Rasenplatze und den steinernen Stufen und Säulen sah alles so still, kühl und feierlich aus; nur der Springbrunnen vor dem Eingange plätscherte einsam in einem fort. Hin und her in den Zweigen neben mir erwachten schon die Vögel, schüttelten ihre bunten Federn und sahen, die kleinen Flügel dehnend, neugierig und verwundert ihren seltsamen Schlafkameraden an. Fröhlichschweifende Morgenstrahlen funkelten über den Garten weg auf meine Brust.”[22]
Hinzu kommt im „Morgenbild” die für Eichendorff typische weitere Ausstattung: ein Fluß im Tale; viele weiß glänzende Schlösser[23], Hügel, Wälder und Felder (25)[24], grüne Berge... Die Gegend wird zumeist von einem erhöhten Standpunkt (einem Bergrücken oder einem Fenster) aus betrachtet, sodass der Blick in die Ferne schweifen kann, weit über die wunderbare Landschaft (5, 8, 43); einige Male begnügt sich der Autor mit dieser allgemein gehaltenen Kurzformel.[25] Für die unermeßliche Landschaft (24) verwendet Eichendorff an Farben fast ausschließlich Grün und Blau, darüber das Himmelblau (25). Zu diesen Farben kommen zuweilen die Morgenröte, die Abendgluten (8), das Abendgold (6) oder silberne Ströme (16). Ansonsten wird das Land als bunt und freudig wie der Morgen (19) geschildert.[26] Die primitiv anmutende Gleichförmigkeit der Umrisse und Farben scheint zunächst verstärkt durch weitere Elemente, die beinahe monoton wiederkehren.[27] Landschaften sind ausnahmslos auswechselbar: unzählige Lerchen (48), schlagende oder schluchzende Nachtigallen, Waldhörner, Gitarren und Lauten, Sonnen- bzw. Mondlicht und Zauber- oder Irrlichter usw. Diese Formeln bewirken das Durchschimmern des Ewigen […], welches auch jederzeit das Schöne ist, rufen die eigentliche romantische Stimmung hervor, lösen Sehnsucht und Wehmut aus, verlocken, warnen und sind zudem – wie die schon genannten Schlösser, Wälder, Hügel... – mit der Handlung, den Personen, den Liedern in einen so vielfältigen Verweisungszusammenhang gebracht, dass sie aufgebrochen werden und den stets schon bemerkten Eindruck des Fließens, musikalischen Strömens, des Lebens begründen. Im Zusammenhang mit dem Frühling, mit den Tageszeiten, ergibt sich eine besondere Atmosphäre. Sie ist überwiegend geprägt durch Licht und Luft, Glanz und Duft, Musik und Gesang, Fröhlichkeit und Verzauberung. Die Landschaft wird eine wunderbarverschränkte Hieroglyphe (34) des Göttlichen, bekommt sinnbildhafte Bedeutung. Da die oben genannten Elemente nur geringe Körperlichkeit aufweisen, sieht der Literaturforscher ihre Bedeutung vor allem darin, dass sie durch Bewegungen wirken, vorwiegend durch solche von immateriellen Lichtern und Klängen:[28]
„Der Mond, der eben über die Wipfel trat, beleuchtete scharf ein marmornes Venusbild [...] ein leises Rauschen ging durch die Räume ringsumher. Aber der Morgen spielte nur einzelne Zauberlichter wie durch die Bäume über ihm in sein träumerisch funkelndes Herz hinein [...]” (20)
Für seine naiven Helden wählt Eichendorff eine einfache Sprache, die man leicht versteht. Typisch sind Vokabeln wie „recht”, „nun”, „arg” und fast formelhaft sich wiederholende Adjektive, Verben und Nomen.[29] Er benutzt auch manche rhetorischen Figuren, wie: Metapher, Diminutiva, Interjektionen, Vergleiche und auch die Ironie als sprachliche Mittel.
Solche Voraussetzungen vermitteln einen Vergleich zwischen dem „Taugenichts” und dem „Marmorbild”.
2. Die Naturdarstellung: (Marmorbild)
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft
b. Der Lustgarten
(Taugenichts)
c. Der Schlossgarten als Liebesort
d. Der verwunschene Garten
Nun komme ich zum wichtigsten Punkt dieser Diplomarbeit:
Wie kommt die Natur vor und wie verändert sie sich, je nachdem wie die Stimmung des Helden ist?
Dieser Teil ist in zwei großen Abschnitten geteilt:
I. Die Naturbeschreibung
II. Die Heldenstimmung.
I. DIE NATURBESCHREIBUNG[30]Um die Natur als eine solche Schöpfung darzustellen legt Eichendorff im „Taugenichts” – wie bereits im „Marmorbild” – keinen besonderen Wert auf individuelle Landschaften[31] oder auf Ortsbilder, sondern gestaltet die Landschaft, die zumeist von einem erhöhten Standort (Berg, Baum, Fenster) aus betrachtet wird, als sichtbare Theologie. Dies geschieht vor allem dadurch, dass der Dichter die Landschaft romantisiert, d. h. dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gibt, etwas Mystisches, z. B. durch geheimnisvolles Rauschen, Glänzen und Blitzen, ferner dadurch, dass er Raum und Zeit, Natur und Mensch, Außen- und Innenwelt miteinander in Einklang bringt, sodass die äußere Landschaft sich in der Seelenlandschaft spiegelt und der poetische Taugenichts in der romantisierten Welt dem Sinn wiederfindet, der von den romantischen Dichtern als ursprünglich angesehen wird.
Im alttestamentarischen Buch Genesis[32] wie im neutestamentarischen Prolog zum Johannesevangelium[33] wird die Schöpfung von Welt und Mensch als ein (Sprech-)Akt Gottes dargestellt. Gottes Wort haucht allen Pflanzen und Tieren Leben ein. Adam als das menschliche Ebenbild Gottes ist sogar privilegiert, den Tieren Namen zu geben. Dieser paradiesische Idealzustand des Weltenanfangs stellt sich den Menschen mit Gott und Natur in Einklang vor.[34] Der Taugenichts, der das Romantische allegorisch verkörpert, ist jemand, der der Entfremdung von Gott und Natur entgegenläuft. Er hat sich einen affektiven Zugang zur Natur bewahrt. Affekte sind Gefühlszustände, man könnte sie auch Stimmungen nennen, die im „Taugenichts” neben der Liebe in erster Linie durch die Natur hervorgerufen werden. Durch sie fühlt er sich auf das Engste mit der Natur verbunden. Das sieht man auch daran, dass er ein Einzelgänger ist. Er meidet zwar Menschen keineswegs, wenn er sich jedoch auf sich selbst zurückzieht, dann geschieht dies stets in freier Natur. Nur hier fühlt er sich geborgen und frei.[35] Die Naturnähe des „Taugenichts” ist darüber hinaus von religiöser Tragweite. Das sieht man daran, in welcher Selbstverständlichkeit er den Vogelsang mit einem Lob Gottes gleichsetzt:[36]
„Draußen ließ sich noch kein Laut vernehmen. Nur ein früherwachtes Waldvögelein saß vor meinen Fenstern auf einem Strauch, der aus der Mauer heraus wuchs, und sang schon sein Morgenlied. «Nein», sagte ich, «Du sollst mich nicht beschämen und allein so früh und fleißig Gott loben!» –Ich nahm schnell meine Geige, die ich gestern auf das Tischchen gelegt hatte, und ging hinaus.”[37]
Wie Adam, der im Buch Genesis, den Geschöpfen, die ihm Gott bringt, Namen geben darf und dem dadurch vor Augen geführt wird, dass alles Leben gottgegeben ist, begreift auch der Taugenichts das Waldvögelein als ein Wesen, das (wie er) seine Daseinberechtigung von Gott her bezieht und in seinem Dasein Gott dient. So sind die zentralen Tätigkeiten des Taugenichts, singen, wandern und lieben, nicht nur auf reale Ziele, wie z. B. Zeitvertreib, Italien, Aurelie etc., bezogen, sondern besitzen auch eine religiöse Dimension: Singen ist Gotteslob, Wandern ist die erhoffte Heimkehr der Seele zu Gott und Liebe ist ein Auftrag, den Gottes Sohn den Menschen als explizite Anweisung erteilt hat.[38]
Der Taugenichts erfährt die Natur aber nicht nur gläubig, sondern auch ästhetisch-sinnenhaft. Das belegt neben seiner Erzählung über den Taugenichts sehr eindrucksvoll sein wohl bekanntestes Gedicht:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.”[39]
Die Landschaft im „Taugenichts” ist weit stärker durch den Wald geprägt als im „Marmorbild”, wo er nur beiläufig erwähnt wird, stellenweise fast bezuglos, und an seiner Stelle Gärten, Weinberge und Kastanienalleen erscheinen. Im „Taugenichts” werden die Wälder[40] zum Kennzeichen der österreichischen Heimat, gehören zu deren schöner Natur, sind zudem Orte fern von dem Getriebe der Welt: Mitten im Wald liegt eine arkadische Landschaft, oder wird es so still dass es dem Taugenichts fast angst wird in dem ewigen einsamen Rauschen. (32) In Italien dagegen begegnet er Wäldern nur um das abgelegene Schloss.
Die Emotionalisierung des Waldes durch Eichendorff ist als Flucht aus den wachsenden Städten zu verstehen, als Suche nach Ursprünglichkeit, Unverbildetheit, nach der uralten, lebendigen Freiheit der Altvorderen. Wahrscheinlich ist sie aber auch auf die damals bereits längere Zeit bedrohlich gewordene Zerstörung der Wälder zurückzuführen.[41] Aber auch wenn der Dichter die Wälder nur rauschen lässt wie im „Taugenichts”, nur besingt, trauert er wohl den verschwundenen Wäldern nach und unterschützt gleichzeitig emotional die zu Beginn des Jahrhunderts einsetzende planmäßige Aufforstung.
Zur zumeist weiten Landschaft gehören während der Nacht als Requisiten die Unendlichkeit der Sterne (10) und ein verzaubernder Mond, eine unermessliche Stille, in der einmal ein Käuzchen (48), sonst fast immer Nachtigallen oder entferntes Hundegebell (37) und das leise Rauschen von Quellen, Bäumen oder der Donau zu hören sind. Dieses Rauschen führt in die Tiefen des Lebensgefühls: die Nacht wird dem Taugenichts zur Zeit der Geheimnisse, aber auch der Ängste, der Verwirrung und Verworrenheit (48); es ist ihm grauslich (48) oder schauerlich und seltsam zumute (22). Am Morgen ist alle Furcht […] vorüber (38) und der Taugenichts kann singen: Der Morgen, das ist meine Freude![42]
Am bedeutendsten für das Geschehen, vor allem das innere, ist wohl die Mittagslandschaft. Sie erscheint beinahe erdrückt durch schwere weiße Mittagswolken (7), durch Stille, im Vergleich mit der Nacht, in der höchstens Bienengesumm ertönt, hauptsächlich aber warme Luft, durch Schwüle und Leere, sodass dem Taugenichts alles wie ausgestorben (56) vorkommt und ihm zum Sterben bange (12) ist. Besonders wichtig ist, dass ihn die Schwüle des Mittags an die Kühle der väterlichen Mühle erinnert, anfangs Heimweh hervorruft, im heißen, bald als grau empfundenen Italien[43] bewirkt sie außerdem Rückbesinnung auf den Ursprung und Sehnsucht nach Aurelie.[44]
Die Abendidylle kann jedoch schnell umschlagen in Streit, entsetzliches Gepolter, die Ängste der Nacht.
Beschreibt Eichendorff hingegen optische Phänomene der Beschleunigung, dann zeigt sich eine andere Sprache. Das Gemeinte wird dann in der Regel von allem rhetorischen Beiwerk befreit und es bleiben verblüffend schlichte Sprachformeln stehen. Als Beispiel sei hier zitiert, wie der Taugenichts seine erste Kutschfahrt erlebt:
„Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf; unter mir Saaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft.” (9)
Die Natur wird hier nur als Summe abgebildet. Derb Blick des Lesers wird also nicht auf die einzelnen Bestandteile der Landschaft gelenkt, er soll vielmehr dynamisch schnell durch den Raum schweifen. Es entsteht ein undeutlicher, bunter Strom von Impressionen, der die Flüchtigkeit der Eindrücke und das Unwiederbringliche ihres Zaubers betont. Landschaft wird bei Eichendorff nicht eingefroren, damit sie der Leser gemächlich beschauen kann, sie wird vielmehr, kaum dass sie sprachlich entsteht, seiner Betrachtung wieder entzogen. Sie besteht zudem nicht aus einer Summe Sinn stiftender Einzelteile; das erkennt man daran, dass diese lediglich mit wenig sagenden Worthülsen als „Dorf”, „Berg”, „Wiese” etc., benannt sind. Hier werden die Landschaft und ihre Reize nur formelhaft abgebildet, sie erschließen sich dem Leser nicht explizit.[45]
Eichendorffs Titelheld erlebt Natur in einer derartigen Intensität, dass in einer Einbildungskraft die eigene romantische Gestimmtheit stetig mit äußeren Eindrücken verschmilzt, wodurch die Natur eben nicht Natur bleibt, sondern Poesie wird. Indem er beständig unbewusst Natürliches in Poetisches bzw. Ästhetisches umwandelt, zeigt der Taugenichts, dass er die Rolle eines poetischen Menschen in Perfektion ausübt. Er muss Poesie nicht herstellen, weil er die Welt nicht als solche, sondern stets als Poesie empfindet und wahrnimmt.[46]
Im Mittelpunkt der Natur und Landschaft Eichendorffs stehen wohl manche Orte, die wichtige Argumente zwischen den Literaturforschern anführen:
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft im „Marmorbild“: Von der vorherrschenden unermeßlichen Landschaft als Gottes Natur (24) hebt sich der Bereich ab, in dem Florio bei nüchterner Betrachtung die Ruinen des Venus-Tempels sieht, in verblendetem Zustand jedoch das Marmorbild, den Lustgarten und den Palast bzw. Tempel der Venus. Im ersten Fall liegt die Ruine am einzigen wildromantischen Ort der Erzählung; er erweist sich als heidnisch durch die heimliche Scheu der Kinder und dadurch, dass er dem erfahrenen, frommen Erwachsenen im Zwielicht zu liegen scheint oder ein inneres Schauern in ihm hervorruft:[47]
„In einer großen Einsamkeit lag da altes, verfallenes Gemäuer umher, schöne, halb in die Erde versunkene Säulen und künstlich gehauene Steine, alles von einer üppig blühenden Wildnis grün-verschlungener Ranken, Hecken und hohen Unkrautes überdeckt. Ein Weiher befand sich daneben, über dem sich ein zum Teil zertrümmertes Marmorbild erhob, hell vom Morgen angeglüht.“ (43)
Nur an diesem Ort kommt der Begriff üppig vor.
Im Tag- oder Nachttraum wird aus diesem reizenden Verwildern/ein blühender Garten (44) – Natur, in die der Mensch deutlich eingegriffen hat.
b. Der Lustgarten: Das zum Teil zertrümmerte Marmorbild erscheint, vom Mond scharf beleuchtet, in ursprünglicher Pracht; der Venus Lustgarten (20) als riesige Kunstlandschaft erinnert an einen architektonisch angelegten Garten der Renaissance, noch eher an die streng geometrischen Schlossgärten Ludwigs XIV. oder Wiens.
Nicht ein Strom, ein Fluss rauscht hier, sondern unzählige Springbrunnen plätscherten […] einförmlich in der großen Einsamkeit (21), wie die Schwäne auf dem Teich einförmig ihre Kreise ziehen. Bewegungen ohne Anfang und Ende, ohne jedes Ziel werden hier ausgeführt, sinnlos wirkend. So flattern auch goldene Vögel hin und wieder wie abgewehte Blüten zwischen feierlichen Schatten hoher Buchenhallen (21) – vom Tode gezeichnetes Leben oder bereits Leben im Schattenreich des Todes, während in der freien Natur künstliche Gebilde lebendig erscheinen: Die buntgefiederten Bälle flatterten wie Schmetterlinge, glänzende Bogen hin und her beschreibend, durch die blaue Luft […] (6) In diesem Garten scheinen die Gesetze der Natur aufgehoben: während in der sengenden Mittagssohne, der Schwüle außerhalb des Parks die Vögel schweigen, weht aus ihm heraus erquickend […] ein Strom von Kühle und Duft […] (20), singt in ihm hin und wieder eine Nachtigall fast schluchzend (21).
Der Lustgarten verführt durch seine Pracht (zierlich vergoldete Stäbe am Gitter des Parktores, Springbrunnen mit vergoldeten Kugeln spielend, den prächtigen Palast in der Ferne) und verrät den Reichtum der Besitzerin.
So erweckt diese teilweise verfremdete Welt, dieses künstlerische Paradies – auch durch die Größe und Seltenheit exotisch wirkender Blumen – beim Betrachter letztlich den Eindruck, er träume von einer versunkenen Welt, dem verlorenen Paradies (21); es findet sich hier ein Traum im Traum. Das bei Eichendorff seltene Gelb und Rot deutet Seidlin[48] als Flammenfarben, in Verbindung mit Donati su sehen; das ebenfalls seltene Weiß der Schwäne weist auf Donati, die Venus und den Tod).
In Florios erträumten Lustgarten weitet Eichendorff zwar das eingezäunte Paradiesgärtlein mittelalterlicher Darstellungen zu weiten Renaissance- oder Barockanlage aus, doch diese ist kein heiliger Bezirk, sondern Prunkgarten[49], Schauplatz höfischer Feste, Garten der Lüste im Zauberring der Venus; dieses heidnische Paradies bedeutet Gefangensein, Abgeschnittensein von Gottes freier Natur. Das wird auch darin deutlich, dass Florio mit seinem Ausgangstraum von der Meerfahrt, erst recht seit seiner ersten Begegnung mit dem Marmorbild (dessen Spiegelbild wird durch die Kreise der Schwäne umschlossen) nicht nur den Lustgarten durch einen Kreis eingegrenzt sieht, sondern auch die offene Landschaft. An einer Stelle wird der Lustgarten sogar durch einen Abgrund begrenzt, wie er in der freien Landschaft nicht vorkommt, wird also zur tödlichen Gefahr. Indem Eichendorff dem falschen, dem heidnischen Paradies das Aussehen eines Renaissance- bzw. Barockgartens gibt, wertet er diesen ab, die zeitgenössische Gartenvorstellung[50] dem gegenüber auf.
Zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass sich das Geschehen hauptsächlich im Freien abspielt – zumindest bei geöffnetem Fenster (15, 25, 34, 35), also offen gegenüber der Natur; an manchen Stellen kann man das geöffnete Fenster als Zeichen dafür sehen, dass Florio Verbindung zu Gott hat, sodass er fast erschrocken das Fenster im Augenblick der Gottferne schließt. In geschlossenen Räumen treibt die Verlockung auf ihre Höhepunkte zu, werden die dämonischen Kräfte besonders wirksam. Rettung kommt von draußen[51], Florio flüchtet hinaus ins Freie.
Auf Festen werden die Übergänge von der freien Natur in den Lustgarten für naive junge Leute fließend; denn durch die Gaukelei von fröhlicher Musik und Gesellichkeit, durch Bacchantisches[52] gefährdet, können sie dem Reich der Gauklerin Venus anheim fallen. Der Abend auf der Festwiese von Lucca und der Abend im Lustgarten der Venus zeigen so bei näherer Betrachtung auffällig viele sich gleichende Bilder.[53]
Zunächst wird der in die Ferne drängende Taugenichts schon am Aufbruchstag wieder sesshaft, indem er ganz überraschend von der gnädigen Herrschaft als Gärtnerbursche eingestellt wird.
c. Der Schlossgarten als Liebesort: Der Schlossgarten ist für ihn bald nicht mehr vorwiegend der Ort seiner Arbeit, sondern seiner Liebessehnsucht. Dieser Garten umgibt – wie im „Marmorbild” – ein prächtiges Schloss; er ist ebenfalls angelegt mit hohen Buchenalleen, mit Tempeln, Lauben und schönen grünen Gängen (9), Springbrunnen, Rasen und Blumen, Rosengebüschen, blühenden Sträuchern und einem großen Birnbaum, Lusthaus und Sommerhaus, einem einsam gelegenen Teich, an dem die stillen, reinlich mit Sand bestreuten Gänge über die kleinen weißen Brückenvorüberführen, unter denen die Schwäne eingeschlafen auf dem Wasser saßen (22). Aber der Garten, wie auch das Schloss ist hier nicht Ort dämonischer Verführung, Garten der Venus, leblose Kunstlandschaft; er ist nicht durch einen magischen Kreis umschlossen, wird nicht zum Raum sinnlicher Gefangenschaft, seelischer Verderbnis. Der Garten ist offen nach dem weiten tiefen Donautal hin, liegt in der Heimat, nicht in üppiger Wildnis im verführerischen Italien. In diesem Garten hängt der Taugenichts seinen Träumen nach, verehrt die schöne Dame heimlich und offen, erlebt die Schönheit der Natur, Unruhe und Fröhlichkeit, großes Glück und tiefen Schmerz.[54]
Wie unmittelbar die menschliche Phantasie an das Unterbewusstsein gekoppelt ist, hat Sigmund Freud[55] an E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann[56] veranschaulicht, in der die Titelfigur Nathanael über die Blüten, die ihre Fantasie treibt, buchstäblich verrückt wird.
d. Der verwunschene Garten: Auch Eichendorff bringt die Nacht- und Schattenseiten der menschlichen Psyche in seiner Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts” zur Sprache, nimmt der Thematik allerdings die Spitze. Er gibt seiner Titelfigur die Kraft, das Unheimliche zu kanalisieren und zu verarbeiten und nicht, wie bei Edgar Allan Poe[57] oder Hoffmann, ins Pathologische, d. h. ins Krankhafte umschlagen zu lassen.
Rom ist nicht nur der Ort, der die Produktivität romantischer Einbildungskraft in Gang setzt, es ist für den Taugenichts auch der Ort falscher Einbildungen, die seine ärgsten Enttäuschungen verursachen. Auch wenn sich der Taugenichts nach Rom begibt, um die heilige Stadt zu erleben, gelten seine wahren Gefühle ausschließlich Aurelie. Er sehnt sich nach einer anderen Wirklichkeit, ohne Standesgrenzen und andere Hindernisse, wie etwa der vermeintliche Familienstand Aurelies, die ihn der Geliebten entrücken. Diese Sehnsucht bewirkt, dass der Taugenichts beginnt, die tatsächliche Wirklichkeit, die ihn umgibt, in eine erwünschte umzudeuten. Durch diese Ver-Rückung von Tatsachen bringt er sich selbst in die Gefahr, verrückt zu werden.
In den Straßen Roms bezieht der Taugenichts den erstbesten menschlichen Laut, den er vernimmt, auf Aurelie:
„Es war die Stimme der schönen, gnädigen Frau, und dasselbe welsche Liedchen, das sie gar oft zu Hause aus dem offnen Fenster gesungen hatte. ause” (81)
Diese zwei Zufälle, die Ähnlichkeit der Stimmen und die zufällige Übereinstimmung eines italienischen Liedes, verknüpft der Taugenichts spontan und wider besseres Wissen mit Aurelie. Er hat keinerlei berechtigte Hinweise auf eine Anwesenheit seiner Angebeten in Rom. Ihr Briefchen, von dem er glaubt, es sei an ihn adressiert, beordert ihn ausdrücklich zurück auf das Schloss bei W. Mit etwas mehr Besonnenheit müsste er eigentlich zum Schluss kommen, Aurelie sei in Österreich. Doch die Wehmut, die die Erinnerung an die glücklichen Momente in ihrer Nähe bei ihm hervorruft, wühlt mit solcher Vehemenz[58] in seinem Inneren, dass er jeden trügerischen[59] Schein geradezu bereitwillig für bare Münze nimmt. Ohne dass es ihm jedoch bewusst wird, ordnet er seine realen Wahrnehmungen eingebildeten Zusammenhängen zu und begreift diese vermeintlichen Erkenntnisse als Auslöser dafür, dass es nun Zeit ist zu behandeln. Es schwingt sich über ein schmiedeeisernes Tor in den Garten, aus dem er glaubt, den Gesang vernommen zu haben. Nun gesellt sich zu der akustischen Täuschung, der er erlegen ist, noch eine optische:
„Da bemerkte ich, daß eine schlanke weiße Gestalt von fern hinter einer Pappel stand und mir erst verwundert zusah, als ich über das Gitterwerk kletterte, dann aber auf einmal so schnell durch den dunklen Garten nach dem Hause zufolg, daß man sie im Mondschein kaum füßeln sehen konnte. «Das war sie selbst!» rief ich aus, und das Herz schlug mir vor Freude, denn ich erkannte sie gleich an den kleinen, geschwinden Füßen wieder.“ (81)
Das Motiv der weißen Gestalt im Mondlicht ist ein wohl beabsichtigter Verweis auf die romantische Schauerliteratur. Die schemenhaften Umrisse der Frauengestalt, die genau genommen keinerlei Verweiskraft auf eine wirkliche Person besitzt, verliert für den Taugenichts deshalb die ihr anhaftende gespenstische Aura, weil er in der Motorik ihrer Füße Aurelie wiederzuerkennen glaubt. Die Kette seiner Selbsttäuschungen wird ab hier zusehends länger. Ohne es mit Bestimmtheit zu wissen, vermutet er, dass Aurelie, nicht wissend, wer der freche Eindringling ist, sich in dem Haus inmitten des Gartens verbarrikadiert[60] hat. Die Türen sind verschlossen, Jalousien erschweren es ihm, hineinzublicken. Deshalb versucht er, sich zu erkennen zu geben:
„Ich klopfte ganz bescheiden an, horchte und klopfte wieder. Da war es nicht anders, als wenn es drinnen leise flüsterte und kicherte, ja einmal kam es mir vor, als wenn zwei helle Augen zwischen den Jalousien im Mondschein hervorfunkelten. Dann war es auf einmal wieder ganz still.” (81)
Das Zitat besteht aus drei Sätzen, wobei die Verbformen im ersten und dritten Satz im Indikativ, die zentralen Verbformen im zweiten Satz jedoch im Konjunktiv II stehen. Dadurch wird hier grammatikalisch bereits angedeutet, was inhaltlich erst das Ende der Szene belegt: Die Wahrnehmungen, die der Taugenichts hier schildert, sind pure Einbildungen. Die berechtigte Frage, wie solche Sinnestäuschungen entstehen können, lässt sich nur in Form von Vermutungen beantworten. Tatsächliche akustische bzw. optische Reize sind wahrscheinlich die Auslöser gewesen, die das Sinnenbewusstsein des Taugenichts aktiviert haben, nur dass seine Psyche, d. h. die Sehnsüchte und Hoffnungen, die in sein Unterbewusstsein eingespeichert sind, die wahrgenommenen psychologischen Erregungen nicht als solche zur Kenntnis nimmt, sondern sie zu Trugbildern verändert, die wiederum das Ich an die Stelle der Wirklichkeit setzt.
Wenn man im Vorgriff auf den Schluss der Szene bedenkt, dass das Haus seit vielen Jahren unbewohnt (82) ist, dann wirken die nachfolgenden Aktivitäten des Taugenichts geradezu absurd:
„«Sie weiß nur nicht, daß ich es bin», dachte ich, zog die Geige, die ich allzeit bei mir trage, hervor, spazierte damit auf dem Gange vor dem Hause auf und nieder, und spielte und sang das Lied von der schönen Frau, und spielte voll Vergnügen alle meine Lieder durch, die ich damals in den schönen Sommernächten im Schloßgarten, oder auf der Bank vor dem Zollhause gespielt hatte.” (81)
Ohne dass er es sich vergegenwärtigt, beschwört der Taugenichts hier die Zeit herauf, in der er sich seiner Geliebten zumindest noch sinnlich nahe gewusst hat. Sein Singen ist dabei nicht zweckfrei, sondern an einen Adressaten gerichtet. Ästhetisch betrachtet wird also durch die Poesie seines Gesangs die reale Ferne von der Geliebten zu ersehnter Nähe umgewandelt.
Da diese Absicht natürlich die Wirklichkeit nur kurzfristig verdrängt, lässt die Frustration des Taugenichts nicht lange auf sich warten; traurig (82) steckt er seine Geige ein und legt sich auf der Türschwelle schlafen. Was nun passiert, durchzieht die Erzählung wie ein roter Faden. In den Momenten größter Verzweiflung sucht der Taugenichts Trost in Gottes Natur:
“Die Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Haus dufteten lieblich, eine Wasserkunst weiter unten im Garten plätscherte immerfort dazwischen. Mir träumte von himmelblauen Blumen, von schönen, dunkelgrünen, einsamen Gründen, wo Quellen rauschten und Bächlein gingen, und bunte Vögel wunderbar sangen, bis ich endlich fast einschlief.” (82)
Das Bildverfahren, das der Ich-Erzähler hier bemüht, ist dem aufmerksamen Leser bestens vertraut. Ausgehend von den Geruchs- („duftenden”) und Geräuscheindrücken („plätscherte”) seiner unmittelbaren Umgebung, die er mit geschlossenen Augen wahrnimmt, fantasiert sich der Taugenichts an einen paradiesischen, von Menschenhand unberührten Ort, an dem ihn nur Harmonie umgibt und alles, was diese stört, ausgeschlossen ist. Und bezeichnenderweise „schläft” er erst dann „fest ein”, als er diesen Punkt innerer Ruhe und Ausgeglichenheit erreicht hat.
Die Enthüllung dieser Kette von Selbsttäuschungen vollzieht sich am Schluss des Szene in drei Schritten. Die Vögel, denen sich der Taugenichts, der selbst am liebsten „ein Vögelein wär”, in einem besonderen Maß verbunden fühlt, sind es zunächst, die vorhersagen, was kommen wird. In ihrem Zwitschern vermeint der Taugenichts zu vernehmen, dass sie ihn für einen „Narren” halten. (82-3) Aus dem Haus dringt immer noch kein Laut nach draußen. Als er schließlich durch die Jalousien blickt, bringt ihn der Anblick des offensichtlich seit Jahren unbewohnten Hauses schier aus der Fassung:
„-Da überfiel mich ein ordentliches Grausen vor dem einsamen Hause und der gestrigen weißen Gestalt. Ich lief, ohne mich weiter umzusehen, durch die stillen Lauben und Gänge und kletterte geschwind wieder an dem Gartenthor hinauf.” (82-3)
Das „Grausen”, an das sich eine kopflose Flucht anschließt – E. A. Poe spricht an analogen Stellen stets von „horror”, was noch viel besser verdeutlicht, was Eichendorff hier meint – markiert dem kritischen Punkt, an dem das Subjekt in der romantischen Schauerliteratur in der höchsten Gefahr ist, im nächsten Augenblick verrückt zu werden, man denke nur an den Nathanael aus Hoffmanns Sandermann. Hier stellt sich natürlich die Frage, weshalb der Taugenichts seine geistige Klarheit behält. Das hat wohl zweierlei Gründe. Zum einen verhindert die buchstäblich felsenfeste Religiosität des Taugenichts, sich in die Abgründe seiner selbst zu verrennen, weil er nicht sich, sondern Gott als das absolute Maß der Dinge ansieht. Zum anderen ist seine poetische Einbildungskraft so beschaffen, dass er sich von einem Moment auf den nächsten neu orientieren kann und dabei das Vergangene völlig hinter sich lässt:
„Aber da blieb ich völlig verzaubert sitzen, als ich auf einmal von dem hohen Gitterwerk in die prächtige Stadt hinunter sah.“ (83)
Der Riss, den der eine Augen-Blick, der Blick durch die Jalousien des verwaisten Hauses, in seinem Inneren hinterlässt, wird durch die Poesie des nächsten, durch den Anblick Roms in der Morgensonne, wieder gutgemacht. Der Schluss der Gartenszene veranschaulicht, mit welch traumwandlerischer Sicherheit der Taugenichts das Grauen kanalisieren kann. Überstrahlt wird der Schluss zudem noch vom Aurora-Motiv, das in Eichendorffs Gesamtwerk leitmotivisch immer wiederkehrt. Die Morgensonne ist die Allegorie Auroras, der Göttin der Morgenröte. Sie verheißt Aufbruch und Optimismus. Alle entscheidenden Aufbrüche des Taugenichts, von zu Hause, vom Schloss bei W., non Italien, finden am Morgen statt, stehen also im Schutz Auroras und verheißen dadurch Gutes.[61]
In Eichendorffs vorerwähnte Naturdarstellung ist demnach, häufig die Stimmung des Helden zu beobachten. Um die anzutreffenden Stimmungen in Betracht zu ziehen, braucht man denn die Hauptpersonen charakterisieren. Eine solche Analyse steht wohl im nächsten Abschnitt meiner Diplomarbeit.
3. Charakterisierung der Hauptpersonen:
a. Hauptperson: der Taugenichts
b. Gegensatz zwischen Künstler und Philister
(Der wahre Lebenskünstler u. die Philister - Predigt)
c. Hauptperson: Florio (Marmorbild)
d. Der Taugenichts als:
i. Romantiker
ii. Antiheld
iii. gesellschaftlicher Außenseiter
iv. Gottes- und Sonntagskind
v. Enthusiast
e. Vergleich:
(Taugenichts)
i. Student (Taugenichts) – Philister (Portier)
(Marmorbild)
ii. Fortunato – Donati
(Taugenichts / Marmorbild)
iii. Aurelie – Bianka.
Im folgendem gehe ich im einzelnen auf die zweite wichtigste Frage der Stimmung der Helden in beiden Büchern Eichendorffs ein, die sich für Hauptthema in meiner Diplomarbeit stellen.
a. Hauptperson: der Taugenichts: Da die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” als Ich-Erzählung dargeboten wird und schon im Titel ankündigt, dass sie Teil einer Lebensgeschichte ist, darf man in dem ebenfalls schon im Titel genannten Taugenichts von vornherein die Hauptperson der ganzen Geschichte vermuten[62]. Dagegen erkennt man erst im Laufe der Lektüre, dass von den beiden Damen, die ihn in ihrem Reisewagen mitnehmen, jene, die besonders schön und jünger als die andere (6) war, die zweite Hauptperson ist, deren wahre Identität erst auf der letzten Seite deutlich gemacht wird. Der Titel bleibt namenlos und wird nach einem Schimpfwort benannt, mit dem der Vater seinen Sohn anredet, ehe er ihn aus dem Haus wirft. Der Sohn lehnt sich in keiner Weise auf und leitet aus der Charakterisierung als Taugenichts lediglich den Entschluss ab: „[…] so will ich in die Welt und mein Glück machen” (5). Auf diese Weise wird er das Schimpfwort „TAUGENICHTS”[63] mit neuem Inhalt füllen. Er taugt auf andere Weise, als er der Vater erwartet.[64] Die zweite Hauptperson ist jene liebe schöne gnädige Frau (23), die zusammen mit einer älteren vornehmen Dame zu dem Adelsitz in der Nähe von Wien reist und zunächst Bedenken hat, den Taugenichts mitreisen zu lassen. Sie ist häufige Begleiterin der Gräfin. Mit ihr zusammen besucht sie Flora, die Tochter der Gräfin, in der Pension; später reist sie mit der Gräfin nach Rom und wieder zurück. Sie ist offensichtlich in der Hofgesellschaft geschätzt, nimmt an Ausflügen teil und wird an ihrem Geburtstag geehrt. Im strengeren Sinne gehört sie jedoch nicht zur Adelsgesellschaft. Ihr Name ist Aurelie; sie ist „arme Waise“, wurde von ihrem Onkel, der im Schloss als Portier angestellt ist, schon als Kleines Kind aufgenommen und mit den gräflichen Kindern aufgewachsen. Wie im Märchen heiratet sie am Ende den einstigen Gärtnerburschen, den Taugenichts, für den sie etwas übrig hat, seit er bei ihrer Herrschaft angestellt worden ist. Für beide bedeutet das sozialen Aufstieg, aber auch Einbindung in die Gesellschaft und – märchenhaften Schluss einer verwickelten Liebesgeschichte.[65]
Um die Hauptperson Florio (im „Marmorbild”) zu dem ein Diener gehört, sind in symmetrischer Weise die übrigen Figuren angeordnet, Fortunato und Bianka einerseits, Donati und Venus andererseits. Während auf der einen Seite Fortunato die auffälligere Person ist, dominiert auf der anderen Venus. Fortunato und Bianka (und deren Onkel Pietro, eine Nebenfigur) vertreten das Gute, Donati und Venus die Versuchung, das Böse. Durch die Namengebung der Personen wird unterstrichen, dass diese einen symbolischen Charakter haben und großenteils schwarz oder weiß gezeichnet sind. Ihr Äußeres ist nur allgemein beschrieben, in Konturen (blühende Gestalt, schöne Augen u. a.), sodass für die Fantasie des Lesers Raum bleibt diese auszufüllen, sie plastisch zu gestalten. [66]
Die Frage, die zuerst vorkommt, würde „Ist der Taugenichts ein Taugenichts?” sein. Sehen wir mal:
Jung, gut aussehend und von unbeschwerter Fröhlichkeit: so stellt Eichendorff seinen Helden dar. Kein Leser wird ihm die Sympathie verweigern, obwohl er häufig ungeschickt und nicht mit großen Geistesgaben gesegnet ist. Die Bezeichnung „Taugenichts” befremdet jedoch zunächst. Ist eine solche Charakterisierung berechtigt, oder zeigt sie vielleicht die Andersartigkeit?
„Du Taugenichts! Da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und läßt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Türe, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.“ (5)
Der Schimpfnahme „Taugenichts” wird durch die ganze Novelle beibehalten, einen Vor- oder Familiennamen erfährt der Leser nicht. Dem Taugenichts selbst ist der Hinauswurf aus der väterlichen Mühle recht lieb, mit regelmäßiger Arbeit hat er nicht viel im Sinn; so freut er sich, dass er ins freie Feld hinauskommt, während die Dorfbewohner wie gestern und vorgestern und immerdar zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen. (5) Ganz im Gegensatz zum weinseligen Maler Eckbrecht, der den Taugenichts als ein vazierendes Genie (78) feiert, kann und will die bäuerlich-bürgerliche Umwelt nicht verstehen, dass sich jemand nicht durch die Arbeit, die Zeit reglementieren lassen will, sondern selbst darüber bestimmen möchte, nicht leben will um nur zu arbeiten, sondern arbeiten um mit Freude leben zu können. Wenn sich der Taugenichts in der Sonne räkelt und träumt, sich an der Natur erfreut, mit keinem oder wenig Geld geigend und singend über die Landstraße zieht, wie ein ewiger Sonntag im Gemüte (6), äußert er eine andere Vorstellung von prächtigem Leben, von Glück als seine Kritiker, etwa der ihn mahnende Gärtner:[67]
„[…] wie ich nur fein nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt ich es mit der Zeit auch einmal zu was Rechtem bringen. (8)”
Recht fleißig Lieder verfassen und auf der Geige spielen bedeutet für des Taugenichts’ Umwelt nicht arbeitsam sein. Etwas taugen heißt hier immerfort wie der Perpendikel einer Turmuhr in der Halle auf und ab (8) wandeln – also fast unendliches, monotones Tätigsein, stumpfsinniges, mechanisches Funktionieren, nur mit der Aussicht auf kargen Lebensunterhalt, eine mehr oder weniger bescheidene Stellung, in einigen Fällen durch Staatskleider herausgehoben) ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Hüften übergehängt mit einem oben versilberten Stabe in der Hand. (8) Für den Taugenichts gehört zu einem wirklichen Leben jedoch nicht nur das Materielle, sondern auch ruhig […] herumspazieren können und vernünftig diskurrieren, wie die Herren und Damen (9), die dies alle Tage tun –also zumindest ab und zu Muße während der Arbeit haben, sich auf sich selbst besinnen und diskutieren können. Die Reaktion des Taugenichts zeigt, dass der Vorwurf der Faulheit nicht ganz zutreffen kann. Er akzeptiert den Rauswurf als Gelegenheit, in der Welt sein Glück zu machen (5). Die Märchen-Formulierung bedeutet, dass er seinem Vater nicht mehr auf der Tasche liegen, sondern auf eigenen Beinen stehen will. Er gibt die Bequemlichkeit auf, die sich ein echter Faulpelz sicherlich bewahrt hätte. Der Verlauf der Handlung bestätigt, dass der Taugenichts kein Nichtstuer ist. Nie bettelt oder stiehlt er, nie fällt er anderen zur Last, immer verdient er seinen Lebensunterhalt selbst. Er ist Gärtnergehilfe und Zolleinnehmer, er musiziert und sitzt einem Maler Modell. Er tritt als Diener in die Dienste von Leonhard und Guido, die auch den größten Teil seiner Reise finanzieren, als sie sich getrennt haben. Das Geld, das sie ihm schenken, und der kostenlose Aufenthalt auf dem italienischen Schloss gebührt dem Taugenichts, weil er ungewollt die Verfolger auf sich zieht. Als er ihm dort langweilig wird, hilft er in der Gärtnerei nach, was der Rolle der verkleideten Adeligen nicht entspricht, die er ohne sein Wissen spielt.[68] Von der Rückreise erzählt er, er habe sich unterwegs mit der Violine durchgeschlagen. (81)
Als Faulpelz ist der Taugenichts nicht richtig charakterisiert, eher als Glückspilz.[69] Seine Lebenslust spiegelt eine Welt, die als Schöpfung nach christlicher Übersetzung eine sinnvolle Ordnung hat. Dieses Vertrauen wird gerechtfertigt, denn die Abenteuer führen zu einem glücklichen Ende. Seine Wünsche und Erwartungen lenken seine Gedanken so, dass alles, was geschieht, als Zeichen eines künftigen Glücks angesehen wird. So wird er im doppelten Sinn zu einem wahren Lebenskünstler:
Nicht Pflicht und Arbeit bestimmen sein Leben, sondern Phantasie, Freiheit, und Kunst. Sein wichtiges Attribut ist die Geige, die er streicht, um fleißig Gott [zu] loben (51), aber auch um den Leuten zum Tanz aufzuspielen.[70] Auch dieser Sänger ließ sich nicht mit den Maßstäben der Arbeits- und Erwerbswelt messen. Die Tüchtigkeit der Künstler, so lautet die These, ist anderer Art als die der Bauern, Arbeiter und Beamten. Folgerichtig muss daher die Bezeichnung „Taugenichts“ für einen Vertreter dieses Standes und dieser Lebenskonzeption als völlig unangemessen zurückgewiesen werden. Nur voller Ironie übernimmt der selbstbewusste Künstler das Wort zur Selbstcharakterisierung und erwartet von jedem Verständigen, dass er in Gedanken ein „angeblich“ davorsetzt.[71]
In der Lebensart kommen die Künstler den Studenten am nächsten. Als sich der junge Taugenichts seinem Landsmann in Rom etwas genauer vorstellt und erklärt, dass er herumreise, „um die Welt zu sehen“, sagt dieser:[72] „da haben wir ja ein Metier. Das tu ich eben auch, um die Welt zu sehen, und hinterdrein abzumalen“ (64).
Kunst soll Ausdruck menschlicher Freiheit sein, zweckfrei und nicht auf Nutzen ausgerichtet. Beispielhaft verhält sich der Taugenichts unterwegs:
„Ich befahl mich daher Gottes Führung, zog meine Violine hervor und spielte alle meine liebsten Stücke durch, dass es recht fröhlich in dem einsamen Walde erklang.“ (30)
Von Gott geleitet und Gott zu Ehren musiziert er auf seinem Instrument. Er ist auf Verdienst aus und nicht von einem Publikum abhängig. Da er im Einklang mit sich und seinem Schöpfer ist, klingt fröhlich, was er spielt. Kunst ist ein Ausdruck von Lebens- und Daseinsfreude.[73]
Gegensatz zwischen Künstler und Philister: Wie ich schon in der Einleitung dieser Diplomarbeit erwähnt habe, die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ kritisiert einen Menschentypus, den die Romantiker Philister[74] genannt haben. Der Begriff fällt im text nie, bezeichnet aber den Gegensatz zum Taugenichts. Als Philister schildert Eichendorff den Portier, der kein Verständnis dafür hat, dass der Taugenichts die Kartoffeln und das Gemüse herausreißt und dafür Blumen pflanzt. Dieses Verhalten ist symbolisch gemeint: Der Philister würde das Nützliche dem Schönen vorziehen, er handelt nicht spontan nach der Stimme seines Herzens, sondern überlegt, was „etwas bringt“. Als der Taugenichts die Jägerei rühmt, gibt der Portier zu bedenken, wie wenig sich rentiert und welche Krankheiten nasse Flüsse verursachen. Er kann sich für nichts begeistern, achtet wehleidig auf seine Gesundheit und misst alles am Maßstab des Geldes. Seine Sesshaftigkeit und Bequemlichkeit, die im körperlichen wie im geistigen Sinne gilt, steht so stark im Kontrast zum Fernweh und zur Wanderlust des Taugenichts, dass dieser ihn vor Zorn sogar prügeln möchte.[75]
Es ist kein Zufall, dass Eichendorff den Taugenichts, als er der Versuchung fast erlegt, zum Philister zu werden, Schlafrock, Schlafmütze und Tabakspfeife ausstattet (15). Es sind typische Merkmale des Philisters. [76] Am deutlichsten fällt die Philister-Predigt des Gärtners aus, die Anweisungen enthält, wie der angepredigte Taugenichts nur nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt ich es mit der Zeit auch einmal zu etwas Rechtem bringen. (8). Diese Rede fasst in Kurzform das Lebenskonzept zusammen, das dem des Taugenichts entgegengesetzt ist und von dessen Prinzipien her der Müllerssohn zum Taugenichts erklärt wird. Ziel dieser Lebensauffassung ist, es zu etwas Rechtem [zu] bringen. Gemeint sind Haus, einträgliche Stellung, Familie, Arbeit, Ordnungssinn, ausgedrückt in den bürgerlichen Tugenden Fleiß, Sparsamkeit, Zuverlässigkeit, sind Lebensgrundlage. Von Glück ist hier nicht die Rede; vor Reisen in die weite Welt wird gewarnt; Künste gelten als brotlos; Blumensträuße zu binden und zu offerieren dürfte in die Kategorie „unnützes Zeug“ fallen.
Sehr deutlich setzt sich der Ich-Erzähler von diesem Konzept ab. So hübsche, gutgesetzte, nützliche Lehren (8) kann er nur in ironischer Distanz aufzählen. Er selbst hält möglichst Abstand von den Vertretern dieser Art, zu denen außer dem Gärtner auch der Portier und der Herr in Staatskleidern (7) mit einer außerordentlich langen gebogenen kurfürstlichen Nase im Gesicht (7) und eben auch sein Vater, der Müller, gehören. Sie alle sind für ihn, zusammengefasst, Philister, eine Menschenart, für die die Romantiker nur Spott und Verachtung übrig hatten.[77]
c. Hauptperson: Florio (Marmorbild):Ein weiterer Gesichtspunkt für Eichendorffs Heldenstimmung ist die Hauptfigur Florio im „Marmorbild“. Der Name kommt von lat. florere (= blühen) und ist vom Autor vermutlich gewählt worden um einmal den schönen Jüngling (5), die junge, blühende Gestalt (7) auszudrücken, zum anderen besagt er, dass Florio innerlich auf dem Weg ist vom unschuldigen jungen Poeten zum gereiften, gefestigten Sänger.[78] E. Schwarz[79] sagt dass Eichendorff die Namen seiner Novellen erst im letzten entwurffsstadium vor dem Druck geändert hat: Aleßandro mag Florio [...] heißen, (HKA V/2 84).[80]
Auf dem Lande in der Stille aufgewachsen (6) hat er sich auf Reisen begeben um alte Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen, die ihn überkamen, wenn der Frühling wie ein zauberischer Spielmann durch unsern Garten ging von der wunderschönen Ferne verlockend sang und von großer, unermeßlicher Lust. (6)
So fühlt er sich nun in Italien, im Land der Poesie, frei – auch von bürgerlichen Geschäften,[81]wie aus einem Gefängnis erlöst. (5) Er hat schon als Sänger versucht, sieht sich jedoch im Vergleich mit den alten großen Meistern bescheiden wie ein schwaches, vom Winde verwehtes Lerchenstimmlein unter dem unermeßlichen Himmelsdom. Infolge seiner Kindheitssehnsüchte, seiner poetischen Veranlagung[82], seiner Jugend ist Florio sensibel für die wunderschöne Frühlingslandschaft, ihre feinen Düfte und leisesten Regungen, aber auch für die anmutige Bianka. Zunächst noch scheu, still und schüchtern (7-8), nimmt ihm die abendliche Festgesellschaft, in die ihn Fortunato eingeführt hat, bald alle blöde Bangigkeit von seiner Seele. (8) Er wird fast träumerisch still vor fröhlichen Gedanken (8), mutig gegenüber Bianka mit seinem Trinkspruch, seinen bittenden Augen, seinem Kuss, stürzt anschließend hastig und verwirrt sein Glas hinunter. (9) Im Kreis der fröhlichen Gesellschaft lieblich gefangen (8), erliegt er allmählich der gaukelnden Zauberei (12) der Musik, des Gesangs, der schönen Nachbarin, erinnert sich nicht mehr, dass ihn Fortunato vor einem Tannhäuser-Schicksal gewarnt hat, beachtet nicht des Sängers vernehmbaren Hinweis auf der Venus’ Zauberring und den Todesboten.
Die Lust klingt bei ihm nach, er kann lange nicht einschlafen – in seiner von den Bildern des Tages aufgeregten Seele wogte und hallte und sang es noch immer fort (15); Bianka erscheint ihm in der Gestalt von Sirenen, die wunderbar traurig und ohne Ende singen, sodass sein Schiff mit schwanenweißen Segeln langsam tiefer sinkt, er auf dem mondbeglänzten Meer einsam untergeht und daher erschrocken aufwacht (15).
Durch das geöffnete Fenster meint er die Gegend wie die Sirenen singen zu hören und kann der Versuchung nicht widerstehen (15) aufzubrechen – trotz der Untergangsvision. Am eingeschlafenen Diener[83] vorbei begibt er sich aus dem Haus, wandelt fröhlich durch die Nacht, in ihm noch ein heimlich Singen von des Tages Glanz und Lust, berauscht vom Mädchen. (16)
Doch Florios nachträumendes Herz hat unter dem Eindruck der Stille des wandelden und verwandelten Mondes sich wundersam verändert: das zierliche Mädchen ist jetzt ein viel schöneres, größeres und herrlicheres, wie er es noch nirgend gesehen. (17)
So ist Florio auf die Begegnung mit dem Marmorbild der Venus auf vielerlei Weise eingestimmt. Wie die Sirenen im Traum vom mondbeglänzten Meer scheint nun das Venusbild aus dem Weiher aufgetaucht zu sein. Die schwanenweißen Segel kehren wieder in den Schwänen, Boten des Todes, und im Weiß der Venus.
Die sich belebende Venus scheint Florio als Ziel seiner Sehnsucht, als Wunderblume[84], sodass er – wie eingewurzelt im Schauen – die Augen lange geschlossen vor Blendung, Wehmut und Entzücken (17) hält. Als ihm einige Momente später, beim Öffnen der Augen, Venus wie tot vorkommt, flieht er entsetzt:
„Ein nie gefühltes Grausen überfiel da den Jüngling […] auch das Rauschen der Bäume kann ihm nun wie ein verständiges, vernehmliches Geflüster vor, und die langen, gespenstischen Pappeln schienen mit ihren weitergestreckten Schatten hinter ihm dreinzulangen.“(17)
Am folgenden Morgen sieht Florio blässer als gewöhnlich und angenehm überwacht aus (18), zeigt sich verschämt gegenüber Fortunato, verletzt durch dessen kecke Lustigkeit, dessen Spott über Gefühlsduselei. Unter Tränen entgegnet Florio:
„[…] es gibt noch sanfte und hohe Empfindungen, die wohl schamhaft sind, aber sich nicht zu schämen brauchen, und ein stilles Glück, das sich vor dem lauten Tage verschließt und nur dem Sternenhimmel den heiligen Kelch öffnet wie eine Blume, in der ein Engel wohnt.“(19)
Diese Aussage zeigt, dass Florio etwas anderes unter Glück versteht als Venus, nicht nur Oberflächlichkeit, sondern Tiefe der Gefühle –ein wichtiger Grundstein[85] für seine spätere Erretung.
Aber im Augenblick kann er nicht einmal durch den sonst erlösenden Morgen von den Erscheinungen der Nacht in seiner Seele (19) befreit werden. Er scheint mit demBösen zuzugehen, es fehlt das Gebet aus Heryengrund. (19) Er gleicht einem Nachtwandler, sieht in seinen Tagträumen das wunderschöne Marmorbild mit neuer, unwiderstehlicher Gewalt aus dem magischen Kreisen der Sterne heraufsehen (20). Er verirrt sich in dem Lustgarten der Venus, fühlt sich hier in einer versunkenen Welt[86]:
„[…] es war ihm, als sei das alles lange versunken, und über ihm ginge der Strom der Tage mit leichten, klaren Wellen, und unten läge nur der Garten gebunden und verzaubert und träumte von dem vergangenen Leben. (21)
Florio, in diesen Träumen auch Erinnerungen an die Vergangenheit aufsteigen, meint nun den Ursprüngen nahe zu sein, ein stilles Glück, das sich vor dem lauten Tage verschließt (19), vor sich zu haben. Für den Engel des heiligen Kelches (19) hält er die hohe, schlanke Dame von wundersamer Schönheit (21) mit den Zügen des schönen Venusbildes.
In blühende Träume versunken (22, vrgl: 36) sieht er sie untergehen, ihn rufend ihr zu folgen. Die entschwundene Venus bewegt ihn jetzt tief, das Versprechen Donatis ihn zu ihr zu fühlen lässt Florio sich unbeschreiblich wohl fühlen (24): […] der stille Weiher plötzlich verwandelt zur unermeßlichen Landschaft, die Sterne darin zu Blumen und der ganze Frühling ein Bild der Schönen. (24)
Hier liegt ein Bild der Entgrenzung vor. In unbekannten Frauengestalten glaubt Florio nun die wunderbare Schöne wiederzuerkennen[87], sie deutlichseinen Namen nennen zu hören. (24)
Am nächsten Morgen zeigt sich Florio von seinen Traumblütenbefreit, vergnügt. Zum Leidwesen Donatis geht er, weil Sonntag ist – Tag des Herrn -, nicht mit auf die Jagd, sieht Wälder und Felder so geschmückt […] zu Gottes Ehre, als zögen Engel durch das Himmelblau über sie hinweg – so still, so feierlich und gnadenreich ist diese Zeit! (25)
Auch besucht er die Kirche, jedoch mit dem heimlichen Wunsch sie Schönste (26) zu sehen. An dieser Stelle wird augenfällig, dass Florio zwar einerseits weiterhin die Schöne sucht, sie sich immer schöner ausmalt um sich narzisstisch noch stärker an ihrem Bild berauschen zu können, doch andererseits darüber seine frommen Gefühle nicht verloren hat, sodass er später in der Situation höchster Gefährdung durch ein altes, frommes LiedFortunatos angesprochen und dadurch befreit werden kann. Zudem verdeutlicht diese Stelle, dass Florio der Venus’ heidnisches Wesen noch nicht erkannt hat, da er annimmt sie vielleicht im Gottesdienst anzutreffen.
In Pietros Landhaus eingeladen sieht er - bald auf einem Meer von Lust (27) – neben oder hinter Bianka immer wieder als Doppelbild (28, 31) die Gestalt der Venus, sodasss er Bianka kalt und fremd erscheinen muss. Wie bei der ersten Begegnung mit dem Marmorbild kommt ihm die wunderbare Schöne auch jetzt auf einmal bleich und regungslos (32) vor. Er ist wie festgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen Grauen (32), bis er durch Fortunatos Rufen aus seinen Träumen geweckt wird.
Die vom Liebeskummer gezeichnete Bianka macht Florio fast betroffen, etwas wehmütig in Erinnerung an die erste Begegnung mit ihr, doch hört er aus ihren warnenden Visionen nur das Wort Marmorbild heraus – ist erschreckt und zerstreut. Sein Herz war so voll und gepreßt und doch so überselig (34), dass er allein in die Stadt zurückreitet – durch eine Gegend, die ihm unkenntlich und still wie eine wunderbar verschränkte Hieroglyphe (34) erscheint – und auf seinem Bett wie ein Fieberkranker in die wunderlichsten Träume (34) versinkt. Mehrere Tage später ist Florio bei Donati innerlichst vergnügt, denn er gedachte im stillen immerfort der schönen Frau (35), fährt aus dem träumerischen Schauen, in das er versunken stand, als ihm dieser mitteilt, dass sie die Schöne besuchen würden.
Am Schloss angelangt schlägt Florios Herz laut vor Entzücken und Erwartung (36); durch den Bau und dessen Verzierungen sieht er seine Seele mit einer unbeschreiblichen Heiterkeit (36) erfüllt, seine Blicke schweiften wie geblendet über die bunten Bilder, immer mit neuer Trunkenheit wieder zu der schönen Herrin des Schlosses zurückkehrend. (37)
Von dieser so unbeschreiblich lieblich angeblickt, daß es ihm durch die innerste Seele ging (37), lässt sich Florio in eines der prächtigsten Gemächer führen, ist dort mit ihr allein – sozusagen im chambre séparée – und betrachtet mit flammenden Augen (38), wie Venus immer schönere Formen einmal enthüllt, einmal verbirgt.[88]
In diesem Augenblick, als Florio genau wie Donati blickt[89], ertönt Fortunatos wunderschöner Gesang im Garten: ein altes, frommes Lied, das er in seiner Kindheit oft gehört. (38) Dadurch wird Florio aus der Venus’ Liebesnetz befreit[90] sieht sie nicht mehr als etwas Einzigartiges, sondern in allen Damen und Wandmalereien wiederkehren und es wird ihm plötzlich bewusst, dass er in seiner frühen Kindheit im Lusthaus des elterlichen Gartens die gleiche wunderschöne Dame auf Bildern dargestellt gesehen hatte (da dachte ich nicht, daß das alles einmal lebendig würde um mich herum, 39).
Durch diese Erinnerung wird Florio nochmals im Meer von Stille, in dem das Herz vor Wehmut untergehen möchte (39), gefährdet. Doch als Venus diesen Augenblick nutzt Florios Locken zu streicheln, tritt er ans offene Fenster, hört erneut Fortunatos Gesang, kommt sich auf einmal so entfremdet vor (so fremd und wie aus sich selber verirrt, 40), dass er leise aus tiefstem Grund der Seele (40) Gott anruft und bittet ihn nicht untergehen zu lassen.
Dieses Gebet bewirkt, dass sich von einem Fenstergesimse zischend eine Schlange mit gründlichgoldenem Schweife den Abgrund hinunterstürzt und die schöne Dame während eines Gewitterblitzes starr, mit geschlossenen Augen und ganz weißem Antlitze […] vor ihm (40) steht. Im Schreck stößt Florio eine der Statuen an, welche die Regung an alle anderen weitergibt, sodass alle lebendig wirken, während Venus bleicher und bleicher (41) wird. Florio sieht die Blumen sich in Schlangen verwandeln, die steinernen Bilder auf ihn eindringen, sodass ihn ein tödliches Grauen erfasst, ihm die Haare zu Berge stehen, alle seine Sinne (41) vom Grauen überwältigt sind und er nach draußen flüchtet, wo er auch Fortunato für ein verwirrendes Blendwerk der Nacht (41) hält.
Am beginnenden Morgen Donatis Landhaus suchend findet er an dessen Stelle nur eine niedere Hütte, jedoch ganz von Weinlaub überrankt[91] und auf dem Dach Tauben.[92]
Dem Gärtner, der mit einem Lied aus dem Haus tritt und zu einem Frisch auf! Auffordert, kommt Florio so verworren, wohl wahnsinnig vor, dass er seinen Gesang abbricht. Erst als des Gärtners Tochter Florio mit verwunderten Augen anblickt, kommt er allmählich zu klarem Bewusstsein: Mein Gott! Wo bin ich denn so lange gewesen! (42) Er eilt in seine Herberge, verschließt sich in seinem Zimmer – noch einmal unendlich wehmütig, mit der Sehnsucht, hier zu sterben (42). In unseligem Brüten und Träumen blieb er den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht hindurch. (42)
Am darauf folgenden Morgen befindet er sich vor den Toren Luccas, von seinem getreuen Diener (Gewissen) dazu bewogen, diese Gegend gänzlich zu verlassen. (43)
Florio trifft Fortunato, Pietro und die als Junge verkleiderte Bianka; eingeladen sie zu begleiten, kommen sie an der Ruine des Venustempels vorüber. Florio schauerte innerlichst zusammen (43), Fortunato jedoch singt mit seiner klaren, fröhlichen Stimme in die heitere Morgenluft hinaus (43) das Lied von der Venus und ihrer Bezwingung durch Maria.[93] Nach seinem Hinweis, dass durch himmlisches Erbarmen der Mensch aus seinen bösen Träumen erwache, die Seele sich wie eine Lerche aus schwülen Zaubers Kluft (46) in die Morgenluft erhebe und seiner Erklärung des teuflischen Blendwerks schüttelt Florio, als die Sonne gerade aufgeht, alle Schwüle von sich ab, begrüßt mit heller Stimme das Licht, seine Freiheit und bittet Gott nicht ihm zu lassen.
Nach allen heftigen Gemütsbewegungen fühlt Florio bald eine stillklare Heiterkeit über die Seele (47) kommen, innerlichst erquickt (47), sieht sich wie neu geboren (48) und daher mit Erstaunen die Welt um sich herum, nachdem eine seltsame Verblendung [...] bisher seine Augen wie mit einem Zaubernebel umfangen hatte (48). Er erkennt nun Bianka im verkleideten Knaben und ist überrascht, wie schön sie ist. Sie erscheint ihm nun – dem Bild Mariens gleich und dem der sonntäglichen Natur – wie ein heiteres Engelsbild auf dem tiefblauen Grunde des Morgenhimmels (48)[94], wie eine Erlöserin (es ist mir, als würde noch alles gut werden, seit ich Euch wiedergefunden, 48=, sodass er ihr anträgt, niemals auseinander zu gehen.
Der Morgen macht das Glück vollkommen, verdeutlicht den erfüllten Augenblick: Unzählige Lerchen sangen schwirrend in der klaren Luft (48) – Zeichen der befreiten Seelen, die sich erheben, Ausdruck der Verbindung zu Gott.
So, mit der vorerwähnten Analyse, lässt sich die Stimmung Florios feststellen.
Eichendorff stellt dem Leser mit seiner Titelfigur gewissermaßen den Prototypen eines Romantikers vor, ohne dass auch nur an einer einzigen Stelle explizit erklärt wird, was man sich denn nun genau unter einem Romantiker vorzustellen hat.[95]
Im folgenden möchte ich den Taugenichts als Romantiker, Antiheld, gesellschaftlicher Außenseiter, religiöser Mensch und Enthusiast aufzeigen.
i. Romantiker: Der Taugenichts, der auch die Rolle des fiktiven Ich
Erzählers innehat, schildert die Welt aus seiner Sicht. Der Leser schaut dadurch buchstäblich durch die romantische Brille und so sieht er, wie ein Romantikes lebt, denkt, fühlt und handelt. Da der Taugenichts an manchen Stellen auch genauer darauf eingeht, wie er auf seine Umwelt wirkt, kann der Leser daran ablesen, worin genau die Abweichung des Romantikers von der gesellschaftlichen Norm besteht, die er kritisiert.
Eichendorffs Titelfigur trägt den Schimpfnamen eines „Taugenichts“ buchstäblich von der ersten Seite an. Wir erfahren seinen richtigen Namen nie. Das negative Attribut, mit dem Eichendorff seine romantische Vorbildfigur benennt, hat um 1800 einen entscheidenden Bedeutungswandel durchlebt.
Als Taugenichts wird in der Zeit der Aufklärung derjenige deklariert, der seine alltäglichen Pflichten vernachlässigt und folglich der Gesellschaft zu nichts Nutze ist, weil er nicht zum Gemeinwohl aller beiträgt. Der hier anklingende Utilitarismus war eine weit verbreitete Lehre, die besagt, dass ausschließlich der gesellschaftliche Nutzen Grundlage und Zweck allen menschlichen Handelns sei. Vor allem gegen solche spießbürgerlichen Ansichten – jedoch nicht gegen die Aufklärung im Allgemeinen (!) – sind die Dichter der Romantik ins Feld gezogen. In seinem Taugenichts kritisiert Eichendorff die kleinbürgerliche Gesinnung, die dazu neigt, Mitmenschen, die von der Norm abweichen, als negativ abzustempeln und im sozialen Ansehen an den Rand der Gesellschaft zu drängen.
Zu Hause ist er als Faulenzer bekannt, vor ihm zieht niemand den Hut, obwohl er den Sohn eines Müllers ist und Müller gemeinhin als wohlhabend gegolten haben. Als er schließlich in die Welt zieht, kümmerte sich eben keiner sehr darum (8). Er kommt weder als Gärtner noch als Zolleinnehmer zu sozialem Ansehen. Und doch erlangt er am Ende ein Vermögen, das ihn wirtschaftlich weitgehend unabhängig macht. Dieses Geschick erfährt er, weil er bedingungslos liebt. Er lebt dem Leser vor, wofür ein nonkonformistischer Mensch empfänglich ist und beweist, dass auch der sein meterielles Glück machen kann, der nach immateriellem strebt. Das lässt die Kleinbürger natürlich in schlechtem Licht erscheinen. Da sie ihn wegen ihres Nützlichkeitsdenken – allen voran sein Vater, der ihn aus dem Haus wirft – längst aufgegeben haben, erweisen sie sich als intolerant und borniert. Durch eine solche Haltung heimsen sich die Durchschnittsbürger von den Romantikern ihrerseits eine Art Schimpfwort ein.[96]
Der Taugenichts – der neue Troubadour aus armer Müllersfamilie – ist vor allem ein poetischer Mensch, weil er im Gegensatz zu den (Spieß-)Bürgern um ihn her, die nur den Verstand gelten lassen, Fantasie und Gefühl zeigt. Er ist nicht nur ein poetischer Mensch, sondern zudem die Verkörperung der Poesie selber, wie sie sich die Romantiker vorstellten: volksnah, einfach und schlicht, aus einfältigem Herzen, aus naiver Religiosität. Der unverbildete Müllerssohn dokumentiert den wahren Ursprung der Poesie aus dem Volke selber.
Die Hauptpersonen literarischer Werke werden gemeinhin als „Helden“ bezeichnet. Um als „Held“ zu gelten, muss die entsprechende Figur sich nicht notwendigerweise auch „heldenhaft“ verhalten. Sie trägt diese Bezeichnung bereits dann zu Recht, wenn sie die fiktiven Handlungsabläufe, in die sie eingebunden ist, nachhaltig und aktiv prägt. In der Regel verfolgt ein „Held“ darüber hinaus ein bestimmtes Ziel, dass er mit den ihm zur Verfügfung stehenden Mitteln zu erreichen sucht und dem er sich folglich in seinen Handlungen und Motivationen unterordnet.
ii. Antiheld:Eichendorffs Taugenichts dagegen lebt, das zeigt gerad der Anfang des Textes sehr anschaulich, einfach so in den Tag hinein. Er verfolgt keine konkreten Ziele, er entwirft keinen Lebensplan, entwickelt keinerlei Zukunftsperspektiven. Jeweils der nächste Augenblick ist ihm der wichtigste, nach Selbstverwirklichung trachtet er nur im Hier und Jetzt. Die Begegnungen mit Menschen wie die Verwicklungen in Ereignisse laufen aus der Sicht des Taugenichts völlig chaotisch und unverständlich ab. Die Fäden der Handlung halten andere – vor allem die junge Gräfin Flora und ihr zukünftiger Ehemann – in der Hand. Ohne einen Finger gerührt zu haben, kann er sich am Schluss der Erzählung Schlossbesitzer nennen. Selbst als Liebender ergreift nicht er die Initiative, sondern die anderen arrangieren eine Art Verlobungsfeier und Aurelie ist es, die ihm schließlich um den Hals fällt und damit ihr Eheglück besiegelt.
Eichendorffs Taugenichts taugt nicht zum Helden, sondern definiert vielmehr das genaue Gegenteil davon: den Antihelden, der nicht handelt, sondern passiv in Geschehensabläufe eingebunden ist, die er weder begreift noch steuern kann. Aus moderner Sicht ist es beinahe skandalös, dass dies beim Taugenichts keinen Leidensdruck erzeugt, wie es besonders anschaulich kennen.[97] Das Unverständnis für die äußeren Abläufe bildet vielmehr den Rahmen, aus dem der Taugenichts seinen Enthusiasmus schöpft: Glück ist für ihn, sich vom Leben begeistern zu lassen und nicht, das Leben zu verstehen.
Die zunehmende Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft ist das wichtigste politische Ziel der Philosophen der Aufklärung. Sehr viel Vertrauen wurde in die Menschheit gesetzt, man glaubte, die Menschen würden beständig bestrebt sein, sich zu vervollkommen. Ein möglichst vollkommener Mensch benötigt soziale und politische Rahmenbedingungen, die es ihm erlauben, sich selbst ungehindert zu verwirklichen. Da er sozial verantwortungsbewusst und vernünftig handelt, wird er die ihm übertragenen Freiheiten nicht missbrauchen. Er braucht, um es auf den Punkt zu bringen, möglichst wenig Staat.
iii. gesellschaftlicher Außenseiter[98]: In seiner kindlich grenzenlosen Naivität nimmt der Taugenichts den aufklärerischen Gedanken, jeder habe das Recht, sein Glück zu machen, beim Wort. Er verhält sich dabei allerdings vollkommen egozentrisch, er trachtet nur nach individueller Entfaltung. Er fügt zwar niemandem Schaden zu, verwehrt sich aber vehement dagegen, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. Das erkennt der Leser am besten an der Art und Weise, wie er die Berufe des Gärtners und Zolleinnehmers ergreift, ausübt und nach kürzester Zeit wieder aufgibt. Er ist also der Gesellschaft buchstäblich zu nichts nütze. Schließlich ist er sogar seinem eigenen Vater zur Last gefallen, der ihn als „Taugenichts“ (7) aus dem Haus geworfen hat, wohl in der Hoffnung, die Welt werde seinen missratenen Sprössling in die Schranken weisen und er werde am Ende reumütig – wie der verlorene Sohn in der Bibel – zurückkehren. Das Scheitern, das in diesem Hinauswurf einkalkuliert ist, wird jedoch nicht eintreten, die Rechnung des Vaters geht somit nicht auf. Denn am Ende erfüllt sich, was der Taugenichts eingangs prognostiziert: wenn ich ein Taugenichts bin, so ist’s gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen. (7)
Der Taugenichts erwirbt somit Glück, ohne in die Gesellschaft integrierbar zu sein, denn Glück ist für ihn nicht an materielle Werte oder an einen bestimmten sozialen Status geknüpft. Vielmehr ist er sich selber das einzige Maß seines Glücks. Das ist es vor allem, was ihm von den anderen unterscheidet. Eichendorff stellt den Taugenichts zwar als gesellschaftlichen Außenseiter dar, aber nicht als lebensfremden Sonderling. Der Taugenichts versteht es, sein Leben grandios zu meistern.
iv. Gottes- und Sonntagskind: Das Fernweh des Taugenichts hat zunächst kein konkretes Ziel. Er sucht nur das Freue, die Ungebundenheit, sieht sein Reisen in die weite Welt als Gunst Gottes, als Auszeichnung. Von daher kann er sich auch kindlichnaiv, vollkommen sorglos auf den Weg machen[99]; er hat ein unerschütterliches Urvertrauen zu Gott. Gott ist für ihn die Instanz, welche die Schöpfung blühen und duften, glitzern und jubilieren lässt (41, 95), die Autorität, deren Führung er sich blind anvertraut. So singt er nicht von ungefähr jeweils zu Beginn seines Aufbruchs von daheim und vom Schloss an der Donau: Den lieben Gott laß ich nur walten […] Hat auch mein’ Sach’ aufs best’ bestellt! (6, 27) Und sobald er sich in einer Gefahrensituation wähnt, sich etwa im Gebirge verirrt hat oder sich auf das große alte Schloss entführt sieht oder von dort in die schwarze Nacht hineinflüchtet, befiehlt er sich Gottes Führung (31, s.a. 49: Nun Gott befohlen! (62) Ich befahl meine Seele dem lieben Gott […]). Wegen dieser Ur-Frömmigkeit kann ihn auch die Venus auf der römischen Heide nicht verwirren (63).
Daraus, dass er alles als Gottes Fügung nimmt, in die der Mensch nicht einzugreifen hat, ergibt sich auch die Gelassenheit des Taugenichts gegenüber Enttäuschungen. Als er seine Geliebte als unerreichbar, als lange verheiratet wähnt, bewahrt er seine heitere Grundstimmung trotz vorhandener depressiver Zustände; als poetischer Mensch besonders sensibel, fühlt er sich zuweilen einsam, mutterseelenallein (82), überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet (23), die Welt auf einmal so entsetzlich weit und groß (36), wird passiv (20) und melancholisch (21, 55), bekommt Todesgefühle (12, 14), muss aus selbstmitleid weinen (14, 86); doch diese Stimmungen des Kummers, des Leides sind durch neue Fröhlichkeit, neues Glück schnell überwunden.
Dass der Taugenichts ein Glückskind ist, hängt ebenfalls mit seiner Bindung an Gott zusammen. Als Gotteskind fällt ihm das Glück fortwährend zu: Er wird unvorhergesehen in der Kutsche mitgenommen, ist – nachdem seine Groschen verloren sind – als Gärtnerbursche Gott sei Dank, im Brote (9), bekommt eine wundersame Flasche Wein (10), ist Zolleinnehmer, ehe ich mich’s versah (15), kennt den rechten Weg nach Italien nicht (28) und gelangt durch Leute, die ihn kennen, dennoch dorthin. Er führt ein prächtiges Leben (42) in ewiger Vakanz (39), hat ohne Geld reichlich zu essen (39), dann wieder ohne sein Zutun einen vollen Geldbeutel; er lebt in einem großen, schönen, herrschaftlichen Zimmer eines Schlosses (50) wie ein verwunschener Prinz (55), genießt das Tischlein deck’ dich! (55); er trifft in Rom den Maler, der die schöne, gnädige Frau gemalt hat (70), in Österreich Studenten, die aufs Schloss der vermeintlichen Gräfin wollen (88); er kann die Angebetene, da sie nur Portierstochter ist, schließlich doch heiraten und mit ihr in ein weißes Schlösschen einziehen (102), und es war alles, alles gut! (103) – wie im Märchen.
Der Taugenichts strebt nicht nach Wohlstand und sozialen Aufstieg, aber sein Glück besteht durchaus auch in äußeren Glücksguten – in essen und Trinken, Geld und Besitz[100] -, vor allem jedoch in seiner inneren Zufriedenheit, in seiner Glückseligkeit, der beatitudo. Zumeist ist er fröhlich (19, 23, 27, 29, 45, 58), lustig (6, 10, 91), herzlich froh (18, 49), lacht sein Herz (98), ist er voller Vergnügen (52, 64, 90, 102), Entzückung (21), heimlicher Freude (5) – ist ihm wie ein ewiger Sonntag im Gemüte (6).
Die innere Freiheit des Taugenichts drückt sich auch in einer individuellen Religiosität aus. Für ihn gehören die Glockenklänge zwar zur Feierlichkeit des Sonntags (12, 29), zum prächtigen Rom (70), zum Jubel des Morgens (89), er fühlt sich jedoch nicht wie die geputzten Leute (12, 29) zum Kirchgang gerufen. Er sitzt stattdessen wie ein Rohrdommel im Schilfe eines einsamen Weihers im Garten […] zum Sterben bange (12) oder legt sich recht behaglich unter einem Apfelbaum ins Gras […] war recht fröhlich im Herzen (9) hört dabei im Traum sogar Orgelklang durch die Bäume (29) herüberkommen. Seine Kirche ist die Natur (in den hohen Buchenalleen, da war es noch so still, kühl und andächtig wie in einer Kirche [...], 10) und mancher Kirchgänger kommt ihm wohl vor, als ob Schein und Sein auseinander fielen – etwa der unfreundliche Bauer, der dem Taugenichts unwirsch antwortet, als er ihn nach dem Weg nach Italien fragt.[101]
Wohl deswegen macht sich der Taugenichts auch nach Italien auf; denn der Portier hatte oft zu ihm gesagt: Italien ist ein schönes Land, da sorgt der liebe Gott für alles, da kann man sich im Sonnenschein auf den Rücken legen, so wachsen einem die Rosinen ins Maul […] (28).
v. Enthusiast: Schwermut ist Gedankenverhinderung, so könnte das Lebensmotto des Taugenichts lauten. Zu sehnen, zu schwärmen und zu träumen sind seine Lieblingsbeschäftigungen. Was ihn vor allem von seinen Mitmenschen unterscheidet, ist die Fähigkeit, jeder Situation etwas abzuringen, wofür er sich begeistern kann. Der Enthusiasmus ist der Motor seines Handelns, Denkens und Fühlens. Jeden Augenblick seines Lebens beurteilt er so, dass er selbst widrigsten Ereignissen etwas Positives abgewinnen kann. Seine Begeisterungsfähigkeit, die nicht zuletzt von einer enormen Sprunghaftigkeit im Denken herrührt, lässt sich besonders schön an den ersten beiden Kapiteln ablesen:
Als ihn sein Vater z.B. vor vollendete Tatsachen stellt und aus dem Hause wirft, wendet er dieses Desaster sofort in sein Gegenteil und nimmt sich vor, in die Welt zu gehen und sein Glück zu machen (7). Erhobenen Hauptes und voller Zuversicht zieht er los, ohne zu wissen, wohin er sich eigentlich wenden soll. Kaum ist er eine nennenswerte Strecke gewandert, wird er bereits von zwei Damen aufgelesen. Seine Begeisterung darüber löst z.B. einen seltsamen Freudentaumel aus:
„Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf; unter mir Staaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft – ich schämte mich laut zu schreien, aber innerlichst jauchzte ich und strampelte und tanzte auf dem Wagentritt herum, daß ich bald meine Geige verloren hätte, die ich unterm Arme hielt. (9)
Er gebärdet sich dabei ausgelassen wie ein Kind und geniert sich nur, seine Freude lauthals zu verkünden. In die ungewohnten optischen Eindrücke der Kutschfahrt steigert er sich so hinein, dass er diese Art zu reisen wie einen gewaltigen Geschwindigkeitsrausch empfindet, was in dieser Intensität übertrieben ist.
Als er kurze Zeit darauf vom Gärtnersgehilfen zum Zolleinnehmer seiner Herrschaft befördert wird, kann er sich sogar für die Pflichten eines bürgerlichen Lebens begeistern. Interessant ist an dieser Stelle die Dynamik, in der seine Gedanken Haken schlagen:
„So saß ich denn da und dachte mir mancherlei hin und her, wie aller Anfang schwer ist, wie das vornehmere Leben doch eigentlich recht kommode sei und faßte heimlich den Entschluß, nunmehr alles Reisen zu lassen, auch Geld zu sparen, wie die andern, und es mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu bringen. Inzwischen vergaß ich über meinen Entschlüssen, Sorgen und Geschäften die allerschönste Frau keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemüse, das ich in meinem kleinen Gärtlein fand, warf hinaus und bebaute es ganz mit den auserlesensten Blumen, worauf mich der Portier vom Schloß […] bedenklich von der Seite ansah, und mich für einen hielt, den sein Glückverrückt gemacht hatte.“ (20, 21)
Zunächst lässt sich der Taugenichts ganz auf die Vorstellung eines erfüllten und erfolgreichen Lebens ein. Er sinniert darüber, wie schön es wäre, so wie alle anderen zu sein. Doch das Rationale hat für ihn keinen verbindlichen Charakter. Denken ist für ihn nicht gleichbedeutend mit Handeln. Es heißt nur, Möglichkeiten des Handelns auszuloten. Er entscheidet sich, wenn man dieses Verb hier überhaupt verwenden kann, für das, was ihm sein Gespür eingibt. Er ist kein vom Nutzdenken geprägter Mensch. Nützlich ist ihm nur, was die Sinne und die Einbildungskraft anregt und Begeisterung erzeugen kann – und Kartoffeln und andere Gemüsearten haben für ihn keine empfindsamen Reize.
Er will mit seinen Blumengebinden nicht nur die Aufmerksamkeit seiner Aurelie erregen, er versucht auch das ästhetische Niemandsland, das ihn umgibt, zu begrünen. Sein kleiner Blumengarten ist folglich ein feines Zeichen der Auflehnung eines romantischen Menschen gegen eine Gesellschaft, die verlernt hat, sich am Alltäglichen zu begeistern.
Aufgrund solcher Charakterisierungen, wird die Stimmung der Helden beider Büchern Eichendorffs verdeutlicht.
Im Mittelpunkt steht wohl jetzt der Vergleich zwischen dem Student (Taugenichts) und dem Philister (Portier, oder Vater), und zwischen Fortunato und Donati, im Buch „Das Marmorbild“.
i. Student/Philister: Eine gewisse Verwandtschaft erkennt der Ich-Erzähler zwischen sich und den Prager Studenten (83), die –wie er – in dem großen Bilderbuche studieren, das der liebe Gott uns draußen aufgeschlagen hat. (84) Auch sie ziehen musizierend durch die Welt und warten von Tag zu Tag, dass ihnen ein besonderes Glück (84) begegne. Doch ist ihnen das Studentenleben nur ein Zwischenstadium – eine großeVakanz [...] zwischen der engen düstern Schule und der ernsten Amtsarbeit (90). Für den Taugenichts ist Student-Sein eine Lebenskonzeption, die nicht an äußere Bedingungen geknüpft, vielmehr eine Sache der inneren Einstellung ist.
Allerdings muss derjenige, der nach dieser Konzeption lebt, durchaus Entbehrungen auf sich nehmen. Auch das Leben des Taugenichts ist nicht durchgehend wie ein ewiger Sonntag (5). Er erlebt Tiefpunkte, fühlt sich einsam und hat zwischendurch das Empfinden, als wäre ich überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet (22). In solchen Augenblicken droht die Gefahr, dass auch er zu einem jener Trägen wird, die zu Hause liegen und nur vom Kinderwiegen / Sorgen, Last und Not und Brot (6) wissen.
Wenn er dann am Ende seine geliebte schöne Dame findet und heiratet, so weiß man nicht, wie sein Leben weitergehen wird. Wird er sich die Jungendlichkeit, die Offenheit für die Wunder der Welt und den Optimismus bewahren können oder wird auch er zum Philister?[102]
Ein Gegenbild zu diesen Philistern bilden die Prager Studenten (86), die in den Semesterferien auf gut Glück mit ihren Instrumenten durch die Welt ziehen, statt ihre Kompendien [zu] repetieren (84).
Auch der geistliche Herr (88) erinnert sich gern an die Studentenzeit, die insgesamt eigentlich […] eine große Vakanz sei. Auch er sei über Berge und Täler gezogen, sei oft hungrig und durstig, aber immer fröhlich gewesen (90).
Gerade die, die in den Augen der Philister (wie auch in den Augen des Vaters) Taugenichtse sind, haben nach Ansicht der Romantiker den Sinn des Lebens begriffen. Zu ihnen gehören die Herrn Studenten, die auf ihren Instrumenten spielen und wandernd die Hüt’ im Morgenstrahl (90) schwenken. Zu ihnen gehören auch die Künstler und Musikanten. Vor allem aber ist es der sogenannte Taugenichts, der in seinem Denken und Handeln ein Beispiel solcher Lebensart abgibt.
Philister-Sein und Student sein scheinen sich ausschließende Gegensätze zu sein. Doch ist der Mensch weder zum einen noch zum anderen geboren. Er durchläuft unterschiedliche Lebensstadien und muss seine Lebenskonzeption selbst finden und verantworten.[103]
Fortunato bedeutet der Beglückte, der Gesegnete und kommt von lat. fortunatus (= beglückt, gesegnet, glücklich).[104] Fortunatus ist als der Name mehrerer Märtyrer der frühchristlichen Kirche bezeugt. Eichendorff hat vermutlich – vielleicht als Lektüre während seiner Breslauer Schulzeit – auch das Werk des Venantius Fortunatus aus dem 6. Jh. gekannt, der in Ravenna Literatur und Musik studierte mit der Absicht seine musischen Fähigkeiten in den Dienst der Glaubensverkündigung zu stellen.[105]Den größten Teil seines Lebens verbrauchte er in Gallien, starb bald nach 600 als Bischof von Poitiers. Venantius Fortunatus gilt als letzter lateinischer Dichter des Altertums, in seinem Werk verschmelzen Antike und Christentum.[106]
Im „Marmorbild“tritt Fortunato gleich zu Beginn auf:
„Da gesellte sich, auf zierlichem Zelter desselben Weges ziehend, ein anderer Reiter in bunter Tracht, eine goldene Kette um den Hals und ein samtes Berett mit Federn über den dunkelbraunen Locken, freundlich grüßend zu ihm. Beide hatten, so nebeneinander in den dunkelnden Abend hineinreitend, gar bald ein Gespräch angeknüpft, und dem jungen Florio dünkte die schlanke Gestalt des Fremden, sein frisches, keckes Wesen, ja selbst seine fröhliche Stimme so überaus anmutig, daß er gar nicht von demselben wegsehen konnte.“(5)
Fortunato erscheint so, wie sich die Romantiker einen Minnesänger vorstellen – wahrscheinlich von bildlichen Darstellungen der Dürer-Zeit her[107]. Von Diesen könnte zudem der Schmuck übernommen sein; er wurde damals auch von Männern getragen. Außerdem weist die goldene Kette Fortunato wohl als bereits berühmten Sänger (7) aus; bescheiden gibt er sich jedoch gegenüber Florio nicht als solcher zu erkennen, teilt nichts über sich selber mit, sondern stellt den jungen Mann in den Mittelpunkt ihres Gesprächs.
Fortunato scheint noch Sänger zu sein, wie die Romantikes es sich erträumt haben: Sie taten, wie sangen, und sangen, was sie taten.[108] Leben und Dichten sind noch nicht auseinander gefallen. Zudem verkörpert er als Minnesänger noch insofern ein Ideal der Romantik, als er nicht nur dichtet, sondern auch komponiert, singt, ein Instrument spielt – also eine Art Universalkünstler ist.
Des Sängers bunter Tracht, seinem Kopfnutz entspricht sein zierliches Reitpferd, ein zierlich aufgeputztes Rößlein (19).
Über Fortunatos Gestalt, seine Gesichtszüge erfahren wir kaum etwas. Er ist schlank, anmutig (5, 7), seinen Kopf zieren dunkelbraune Locken, sein Gesicht große, geistreiche Augen (5); diese werden – als Spiegel der Seele[109] - ferner als frommklare Augen (9) und seelenvolle Augen (18) bezeichnet.[110] Sonst ist nur noch von einem gutmütigen Lächeln (19), von immer klaren Zügen (14) seines Gesichts die Rede, über die nur einmal ein seltsamer Mißmut (14) fliegt, als er und Florio sich in Begleitung Donatis befinden; wegen Donati zeigt er sich auch das einzige Mal gereizt, schimpfte lustig (14).
Böse schimpfen und fluchten kann er anscheinend nicht, da sein frisches, keckes Wiesen, seine Freundlichkeit und Fröhlichkeit (27), seine kecke Lustigkeit (18) dies verhindern. Einmal tritt er so ausgelassen lustig […], so wildwechselnd in Witz, Ernst und Scherz (9) auf, dass er fast übermütig erscheint. Fortunatos Lustigkeit wird von Florio jedoch auch als spröde (9), als verletzend (18) empfunden.
Als er dem Maskenfest bei Pietro fortwährend seltsam wechselnd sinnreichen Spuk treibt, wird die Kühnheit und tiefe Bedeutsamkeit seines Spieles von den Anwesenden nicht verstanden, so daß er manchmal plötzlich still wurde vor Wehmut, wenn die anderen sich halbtot lachen wollten (30). Fortunatos Umgebung – Florio nicht ausgenommen – registriert nur seine Lustigkeit, nicht seinen Ernst, seine tiefen Gedanken (6), seine Warnungen vor den Verlockungen des Zauberberges (6). Daraus ergibt sich die Einsamkeit des Sängers (9, 10). Weil er trotz seiner Lustigkeit besonnen in der anmutigen Verwirrung (9) bleibt, hat er allein am Abend im Festzelt kein Liebchen. Seine wesentlichen Attribute sind die Klarheit (klare, fröhliche Stimme,44; frommklare Augen, 9) und die Frische (frisches, keckes Wesen, 5; der frische, klare [...] Sänger, 26), die Eichendorff sonst dem Morgen zuschreibt; der sänger äußert recht deutlich, dass der Morgen seine Zeit ist:
„Laßt das, die Melancholie, den Mondschein und alle den Plunder, und geht’s auch manchmal wirklich schlimm, nur frisch heraus in Gottes freien Morgen und da draußen sich recht abgeschüttelt, im Gebet aus Herzensgrund – und es müßte wahrlich mit dem Bösen zugehen, wenn ihr nicht so recht durch und durch fröhlich und stark werdet!“ (19)
Hier entzaubert Fortunato den Mondschein und die Nacht, weist auf deren Gefahren hin und empfiehlt für den schlimmsten Fall das Gebet aus Herzengrund. Es wird offenkundig, dass Fortunato den redlichen Sänger verkörpert, der im Glauben an Gott wurzelt, von daher seine Kraft erhält der Lust nicht zu verfallen und fröhlich zu sein. Er singt nicht nur von der Heiterkeit des Lebens, sondern auch von den Tränen, dem Tod – bereits in seinem Eingangslied.
Zu Beginn stellt sich der Sänger Fragen nach dem Grund seiner Heiterkeit, in welche Höhen ihn noch tragen mag. Dann gibt er durchaus begeistert kund, was er so einsam von seinem hohen Standort erblickt – zunächst Bacchus, den Gott des Weines und der Fruchtbarkeit, und Venus, beide durch den Frühling, den Rosenkranz[111], durch Milde und Weichheit, Glanz und Klang, aber auch durch Feuer –Glühen, Flammen, Lohe- miteinander verbunden. Dass die Venus zart’ Bübchen mit Flügeln bedienen, charakterisiert Seidlin zu Recht als rokokohaft überzuckertes Hochmittelalter. [112]
Bezüge zur Wirklichkeit im Festzelt sind ebenso vorhanden wie Vorausdeutungen auf das Kommende: Dem Jüngling Bacchus entspricht in der Folge Florio, das Bacchantische kommt in den Früchten und im Wein auf dem runden Tisch der Festgesellschaft (8) genauso in Verbindung mit der Verlockung und dem Gefangensein vor wie im Lustgarten der Venus (37). Die beiden letzten Strophen wiederholen das abendliche Geschehen, das dem Liedvortrag vorausgegangen ist, betonen nochmals die Liebensfreude.
Dann ändert Fortunato plötzlich Weise und Ton, die Atmosphäre wechselt auffällig: Stille tritt ein: das selige Schwärmen hört auf[113], das Grün wird bleich, Garten und Au schimmern von Tränen, nur himmlisches Sehnen/geht singend durchs Blau, ein Todesbote mit antiken Attributen (Fackel und Totenkranz) erscheint – woher [...]? – und weist den Weg zur himmlischen Heimat. Der anfangs nach unten gerichtete Blick – auf die Erde, die heidnischen Götter hinunter, sinnliche Seligkeit – wendet sich jetzt nach oben, zu den Sternen, zum offenen Himmel. Das Lied schließt mit der Bitte: Nimm, Vater, mich auf! Der christliche Jüngling vom Himmel hat über den heidnischen (Bacchus) gesiegt. Fortunatos Eingangslied korrespondiert auffällig mit seinem Schlusslied, das zunächst vom Auferstehen der alten Zaubermacht – von Frau Venus und Neptun – handelt, dann davon, dass diese durch Maria mit dem Christuskind gebrochen wird.
Durch diese Lieder, die wichtige Bestandteile des Rahmens sind, weist sich Fortunato als frommer Poet aus, Künder Gottes; deswegen erscheint er Florio wie ein Bote des Friedens (26), der in ihm heimatliche Gefühle wachruft. Diese sind sowohl auf die himmlische Heimat als auch auf das damit eng verbundene heimatliche Kindheitsparadies zu beziehen.
Doch Fortunato warnt Florio nicht nur mehrmals, sondern steht ihm auch tätig bei, indem er ihm ein Wiedersehen mit Bianka ermöglicht (wie Donati eine Begegnung mit Venus) und ihn schließlich aus der Umarmung der Venus durch seinen frommen Gesang befreit.
In seiner letzten Äußerung belehrt Fortunato nicht nur Florio, sondern vermittelt zudem das Kunstideal Eichendorffs:
„Ich sang ein altes, frommes Lied, eines von jenen ursprünglichen Liedern, die wie Erinnerungen und Nachklänge aus einer heimatlichen Welt durch das Paradiesgärtlein unserer Kindheit ziehen und ein rechtes Wahrzeichen sind, an dem sich alle Poetischen später in dem älter gewordenen Leben immer wiedererkennen. Glaubt mir, ein redlicher Dichter kann viel wagen, denn die Kunst, die ohne Stolz und Frevel, bespricht und bändigt die wilden Erdengeister, die aus der Tiefe nach uns langen.“ (46)
Verglichen mit Fortunato kommt jetzt in die Rede Donati.
Der Name Donati wird aus Happels Denkwürdigkeiten übernommen. Er ist nicht von der Bedeutung des lateinischen Vornamens Donatus (der [von Gott] Geschenkte) her zu verstehen – obwohl dies möglich wäre, wenn man das Böse als anregenden Teil der Schöpfung sieht -, sondern von den Donatisten her, den Anhängern des Bischofs Donatus von Karthago. Sie bildeten im 4. Jh. in Nordafrika die erste christliche Sekte, welche nach vergeblichen Ausgleichsversuchen[114]seit 414 blutig verfolgt wurde. In Analogie zum Donatismus, der Kirchenspaltung, tritt Donnati als Priester des Venusreiches auf und verbreitet falsche, zum Abgrund führende Lehren.Bei seinem ersten Auftreten im Festzelt (12) platzt er in die gerade eingetretene Stille hinein, in den gewaltigen Nachtgesang der Ströme und Wälder, löst Schauder bei Anwesenden aus, weil er an den Todesboten erinnert, von dem Fortunato kurz zuvor gesungen hatte:
„Da trat hoher, schlanker Ritter in reichem Geschmeide, das grünlichgoldene Scheine zwischen die im Winde flackerndem Lichter warf, in das Zelt hinein. Sein Blick aus tiefen Augenhöhlen war irre flammend, das Gesicht schön, aber blaß und wüst. Alle dachten bei seinem plötzlichen erscheinen unwillkürlich schaudernd an den stillen Gast in Fortunatos Liede.“ (12)
In diesen Zeilen wird bereits die Beziehung zur Venus und zum Bösen symbolisch spürbar. Donati erscheint als reicher Ritter mit einem Geschmeide, das gleiche grünlichgoldene Scheine wirft wie später (35) ein Edelstein der Venus, seiner reichen und gewaltigen Verwandten (23). Sonst kommt diese Farbkombination nur noch im grünlichgoldenen Schweife der Schlange vor (40), die im Paradies – erst recht im vermeintlichen der Venus – den Teufel bedeutet.
Die tiefen Augenhöhlen entsprechen den steinernen der Venus (17), der Blick – irre flammend – drückt das Verwirrte und Zornige aus, das Gefährliche, die Begierde; auf dem Höhepunkt der Verlockung bekommt auch Florio flammende Augen (38), werfen die Flammen des Blitzes […] gräßliche Scheine (41). Das Irre kehrt in Irrlichtern (33) und irren Tönen (45) wieder, führt bei Florio zu wirren Gedanken und Fantasien und bewirkt, dass er sich verirrt, vom rechtem Weg abkommt, an den Abgrund gerät.
Das Verwirrte, Unstete in Donatis Blick entspricht seinem Verhalten: Hastig schlürft er den wein in langen Zügen (12) – hier kommt wieder Begierde mit ins Spiel -, hastig wendet er sich an Florio (23), am Sonntag sieht er ungewöhnlich verstört, hastig und beinah wild aus (25), in unbegreiflicher Hast fliegt sein Pferd mit ihm davon.[115] Der Furcht einflößende Blick Donatis ist das einzig Lebendige in einem schönen , aber wüsten, also öden Gesicht, von dem der Leser nur noch erfährt, dass es beide bleiche Lippen aufweist (12). Donati, der Seltsame (13), scheint den Wind mit hervorzurufen, von dem ersten Mal bei seinem Auftreten die Rede ist, auch für die seltsame(n) Scheine mit verantwortlich zu sein, welche die Windlichter auf das nahe Wasser, zwischen die Bäume und die schönen wirrenden Gestalten umherwarfen. (13)
Er ist der Störende, der Unheimliche, der Wilde (23, 25), scheint mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, mephistophelisch. Dies wird deutlich, wenn er –seltsamerweise – sich als früherer Bekannter Florios ausgibt, alles über dessen Kindheit, dessen Heimat weiß oder flucht (14), als sein Ross scheut (wohl vor christlichen Symbolen) oder beim Glockenläuten schaudert, davor erschrocken flieht, nachdem er zuvor Florio am heiligen Tage zur Jagt verführen wollte (25). Sein Landhaus erweist sich nach Florios Erretung als armselige Hütte (42).
Fortunato bezeichnet den groben, schlanken Donati als einen Mondscheinjäger, einen Schmachthahn, einen Renommisten in der Melancholie (15), als einem von den falben, ungestalten Nachtschmetterlingen (14); hier wird ein Zusammenhang mit den Gaukeleien am Abend im Festzelt, mit der Gauklerin Venus hergestellt.
Mephistophelisch zeigt sich der schwarze Ritter (25) ferner in seiner Verstellungskunst, indem er, wenn er die Kontrolle über sich erlangt hat, das Wilde überspielt als anmutiger Unterhalter (35), als gastfreundlicher Mann (35) von einer feinen und besonnenen Anständigkeit (14) – ausgesprochen höflich (23), ausnehmend beredt (13), lächelnd [...] mit der gewohnten Zierlichkeit (14), während er sonst durch ein abscheuliches Lachen (25) auffällt.
Vor allem dadurch, dass er sich als alter Bekannter aus der Kindheit ausgibt (dies hängt mit der Äußerung der Venus zusammen: ein jeder glaubt, mich schon einmal gesehen zu haben, 39), erreicht Donati, dass sich Florio mit der dunklen Gestalt auszusöhnen beginnt (13), bald schon ziemlich befreundet (14) mit ihr ist, erst recht, als sich ohne deren (Ver-)Führung kein Weg zur Venus mehr finden lässt.
Abschließend möchte ich auch Aurelie mit Bianka vergleichen.
Der Taugenichts hält Aurelie für eine gnädige Frau (23, 34), also für eine Adelige, da sie in einer Kutsche fährt und auf dem Schloss wohnt.[116] Die scheinbare soziale Überlegenheit und ihre Schönheit machen sie für ihn zu einem höheren Wesen. Wenn sie sich treffen, schlägt sie die Augen nieder (14, 96). Dennoch gibt sie sich nicht ganz unzugänglich: Sie schreibt ihm einen Brief – jedenfalls meint er das (98) – und sehnt sich nach ihm, wie die Kammerjungfrau erzählt )80).
Der Taugenichts liebt Aurelie, ohne etwas über sie zu wissen. Was er zu wissen glaubt, erweist sich als Irrtum. Daher bleibt sie als Person für den Leser wenig anschaulich. Sie gewinnt keine individuellen Züge, sondern spielt in der Novelle die Rolle der vom neuen Troubadour (28) verehrten Dame. Allerdings verleiht Eichendorff ihr zusätzlich das in der katholischen Tradition typische Kennzeichen für Maria, die Mutter Jesu: die Lilie, die Umschuld und Jungfräulichkeit symbolisiert. Dreimal wird die Blume erwähnt: An Bord des Kahns, welchen der Taugenichts über den Teich rudert, hat sie eine Lilie in der Hand (12). Darauf kommt ihm eine Lilie wie Aurelie vor (21), und als er sie auf dem Balkon beobachtet, kommt ihm umgekehrt Aurelie im weißen Kleid wie eine Lilie vor (24).
Sicherlich setzte Eichendorff bei den Lesern seiner Zeit auch voraus, dass sie das Bibelwort aus der Bergpredigt kannten:
„Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung_Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, ... wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“[117]
Die Lilie ist hier ein Symbol des Vertrauens auf Gott. Dass Aurelie diese Blume hält, zeigt, dass sie zum Taugenichts passt, denn er befolgt die Aufforderung der Bergpredigt, sich nicht um den nächsten Tag, um Essen und Kleidung zu sorgen. Dieselbe Zusammengehörichkeit signalisiert Eichendorff ein zweites Mal: Der Maler in Rom gibt auf seinem Gemälde einem Hirtenknaben neben der heiligen Jungfrau die Züge des Taugenichts (66).
Solche Anspielungen auf religiöse Bildung versetzen Aurelie auf eher indirekte Weise in eine fast übersinnliche, auf jeden Fall aber nichtsinnliche Sphäre. Direkter geschieht dies durch Hinweise auf ihre Engelhaftigkeit. Wenn der Taugenichts an Aurelie denkt, heißt es:
„[…] da geschah es denn oft, dass die schöne Frau mit der Gitarre oder einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten zog, so still, groß und freundlich wie ein Engelsbild.“ (9)
Und als er ihr Spiegelbild im Wasser erblickt, scheint sie ihm, wie ein Engel, der leise durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht (12). Kurz vor dem Abschied vom Schloss stellt er sich vor, dass ein Engel bei ihr auf dem Bette säße in der Morgenstille (20).
Durch die Vergleiche mit dem Engel wird Aurelie erneut in der Fantasie des Lesers mit der Farbe weiß in Beziehung gesetzt. Ihre Reinheit erhält etwas Schwebendes und Unkörperliches, sodass ihre Schönheit mit Erotik nichts zu tun hat. Der Hinweis auf das Leise und Stille erhebt sie über den Lärm der Welt. Sie kontrastiert als Frauenfigur mit der Wirtstochter und der römischen Gräfin: Sie verkörpert die himmlische Liebe im Gegensatz zur irdischen.[118]
Das Mädchen mit dem Blumenkranz im Buch „Das Marmorbild“ heißt Bianka.
Der Name Bianka (italienisch: weiß) – ursprünglich war auch Benigna (lat: die Gütige) erwogen worden – verweißt auf Sündlosigkeit und Keuschheit, ferner auf Abwendung des Bösen (Weiß […] ist wie ein leuchtender Schild). Verbunden mit Rot ist weiß im Mittelalter die Farbe der Gottgeweihten.[119]
Bianka, die Unschuldige, erscheint als niedliche (8), zierliche, fast noch kindliche Gestalt (7), als schöne Ballspielerin (7), anmutig in all ihren Bewegungen.
Schöne Locken wallen um das Köpfchen und den zierlichen Hals (33). Aus schönen, großen Augen (7) unter langen, schwarzen Wimpern(48) schaut sie weit und offen (7). Ihre ganze klare Seele liegt in ihrem Blick (48).
In stiller Freudigkeit (7) nimmt Bianka am Geschehen teil, reagiert auf Donati furchtsam (ahnt in ihrer Unschuld der Bösen), auf Florio einerseits schamhaft (errötend,7; hochrot,9), schüchtern und schweigend (7), andererseits zaghaft-schelmisch koketierend (9), ja verliebt, wenn sie dunkelglühende Blicke nur schlecht hüten kann (8), wenn sie sich willig auf roten, heißen Lippen küssen läßt (9), sich scheu an ihn drängt. (13)
Bianka wird oftmals als Mädchen mit dem Blumenkranz (7, 9, 15, 33) bezeichnet, recht wie ein fröhliches Bild des Frühlings anzuschauen (7). Dies ist wörtlich zu verstehen: Durch das ganze Mittelalter und die beginnende Neuzeit finden sich Darstellungen von Jahreszeitenzyklen, in denen der Frühling durch einen Blumenkranz dargestellt wird. Biankas Blumenkranz könnte auch mit der Verehrung der jungfräulichen Gottesmutter durch solche Kränze auf Madonnenbildern der Barockzeit in Zusammenhang gesehen werden, schon wegen der Affinität zwischen Bianka und Maria am Ende der Novelle.
Bianka selbst bewahrt, nachdem ihr Florio im Traum als künftiger Bräutigam erschienen ist, (34), den aus neunerlei Blumen geflochtenen Kranz als Brautkranz[120]; er symbolisiert Unberührtheit.
Mitten in ihren sorglosen Kinderspielen von der Gewalt der ersten Liebe überrascht (47), überreicht sie auf einem Tanzfest, hinter einer Larve etwas mutiger (in griechischem Gewande leicht geschürzt, 27), Florio eine Rose; diese ist in der Antike wegen ihrer Schönheit und ihres Duftes Attribut der Venus (36) und Blume in den Gefilden der Seligen; Symbol des Frühlings und Sommers. Das Christentum übernahm die Vorstellung der Rose als Paradiesblume […] In der Mystik wurde die Ros, Königin der Blumen, Attribut der Himmelskönigin Maria.[121]
Als Bianka Florio, der inzwischen verblendet der Venus folgt, mit bedrohlichen Visionen (33) vor dem Abgrund warnt, erscheint der Heißgeliebte (47) so zerstreut, so kalt und fremd (35), dass sie aus Herzengrunde weint. (35). Sie zerreißt den Blumen- bzw. Brautkranz, trägt keinerlei Schmuck mehr, wird nachlässig (34) und verfällt schließlich in eine tiefe Schwermut, deren Geheimnis sie niemand anzuvertrauen wagte. (48) Als Pietro, Biankas Onkel, ein sie umsorgender freundlicher und kluger Mann, mit Bianka aufbricht um sie auf einer Reise zu zerstreuen, begegnen sie dem gerade geretteten Florio, der nun – unverblendet – erst ihre eigentliche Schönheit als heiteres Engelsbild auf dem tiefblauen Grunde des Morgenhimmels (48) erkennt, dem Bild Marias in Fortunatos Gesang gleich:
„Denn über Land und Wogen
Erscheint so still und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein ander Frauenbild.“ (45)
Von daher kommt es zu einem glücklichen Ende.
Alle diese verschiedene Blickpunkte stellen die Stimmung der Helden je nachdem die Natur sich verändert in den zwei Büchern Eichendorffs dar.
Wirkung der beiden Werke auf den Leser
(Beantwortung der Themafrage)
Eichendorffs Welt ist stilisiert. Es hat sie nirgends und nie gegeben, aber es gibt sie überall und zu jeder Zeit. Sie hat die Unwirklichkeit und die Wirklichkeit dessen, was sich innerhalb der menschlichen Seele begibt und von dort aus das Leben verwandelt. Überall rauscht in Eichendorffs Werk der Wald der deutschen Mittelgebirgslandschaft, auch in Spanien, Italien oder in der Provence, ja, selbst im Orient und in den Tropen. Hohe Buchenhallen empfangen Florio, den Helden des „Marmorbildes“, vor der Toren von Lucca. So suggestiv verzaubernd seine Landschaftsschilderungen sind, wo die Ströme silbern im Grunde blitzen und der Glockenklang aus den Tälern zu Berg steigt, so wenig hat die einzelne Landschaft eine Individualität. Es sind idealische Landschaften. Und doch kann man nicht sagen, dass diese Landschaften zur Verwirklichung einer bestimmten künstlerischen Absicht hingestellt wären. Sie sind einfach vorhanden. Eichendorff fand sie in seinem Herzen, und ehe er sich es versah, standen sie auch vor seinen und des Lesers Augen. Bei allem natürlichen Vertrauen zur Welt hatte er ein empfindliches Organ für das Unbegreifliche, Fremde, das in die Ferne und zugleich in die dunkle Tiefe lockt, eine Tiefe, die ja nicht nur Abgrund, sondern auch Ursprungsnähe ist. Tod und Leben scheinen ihre Paniere vertauschen zu können, und hier gründet all die tragische Verwirrung der Welt.[122]
Verständnislose Elternhäuser – wie das des Taugenichts- hat es zu allen Zeiten gegeben und wird es stets geben. Jugendliche, die sich gedanklich aus dem Elternhaus entfernen bzw. wie der Taugenichts hinausgeworfen werden, treiben in ihren Aktivitäten bisweilen die erstaunlichsten Blüten. Ganze Protestbewegungen sind daraus entstanden, man denke nur an die Generation der Hippies oder der Punks oder an die ökologische Protestbewegung der 80er-Jahre. Seltsamerweise ist die Gesellschaft ein derart träges und beständiges Gebilde, dass sie ihre jugendlichen Ausreißer meist wieder einfängt und sogar integriert. Als jugendlicher Aussteiger ist der Taugenichts aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er besitzt tragfähige Ideale, ist nicht vom Besitzdenken besessen, kennt keinen blinden Gefolgschaftsgeist und alle Versuche der Gesellschaft, sich ihm wieder einzuverleiben, scheitern kläglich, denn er erkennt als alleiniges Maß aller Dinge nur Gott und sich selbst an. Nicht Vernunft und Nützlichkeitsdenken, sondern Spontaneität und Fantasie bestimmen seine Verhaltens- und Handlungsweisen. Den Menschen sieht er mit gänzlich anderen Augen: Arbeit macht für ihn keinen Sinn, wenn sie nur der Lebenserhaltung dient; das Leben erscheint ihm absurd, wenn es nur auf Arbeit und Leistung ausgerichtet ist und nicht mehr nach den ursprünglichen Bedürfnissen des Menschen fragt. Durch die auf Nützlichkeit ausgerichtete Zivilisation haben sich die Menschen gesellschaftliche und private Zwänge auferlegt, durch die sie sich der Natur und sich selbst entfremden. Gegen diese Entwicklung begehrt der Taugenichts auf. Ihr stellt er durch seine (in den Augen der anderen dennoch erfolgreiche) Existenz einen Gegenentwurf an die Seite. Er zeigt der allzu vernunftgläubigen Menschheit, was ihr bereits abhanden gekommen ist: er hört und befolgt noch die Stimme seines Herzens, er verfügt noch über ein hellwaches und aufnahmebereites Sinnenbewusstsein. Er bewertet seine Umwelt, Mensch wie Natur, nicht nach ihrem Nutzen, sondern nach ihrer Aura, d.h. ihrer Ausstrahlung und Ästhetik, und er hat sich eine Art von Religiosität erhalten, die Gott nicht nach den Maßgaben des Verstandes zu begreifen versucht, sondern von ungetrübter Gläubigkeit ist, er nimmt die Verse der Bibel tatsächlich noch beim Wort.
Wenn wir heute nach der Aktualität von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ fragen, dann finden wir diese in der hier grob skizzierten Alternative zum heutigen Alltag. Wir sind heute in der Gefahr, in unseren Zahlen zu ertrinken. Der Wert der Natur und des Individuums wird einzig und allein nach ihrer Wirtschaftlichkeit berechnet, Menschlichkeit bleibt allzu oft auf der Strecke. Und im Prozess der Globalisierung und Vernetzung erscheint der Mensch einsamer, isolierter und naturferner als früher. Wachstum regiert die Welt, die Finanzmärkte boomen und doch befinden wir uns vielleicht schon längst in einem Zustand, den Paul Virilio in einem gleichlautenden Essay als „Rasenden Stillstand“ bezeichnet.[123] Vielleicht treten wir schon längst auf der Stelle, nur dass unsere unaufhaltsame Bewegtheit die Absurdität unseres Tuns geschickt überblendet.
Das sollte uns heute mehr denn je zu denken geben.
LITERATURVERZEICHNIS
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[1] Schriftsteller der deutschen Romantik, geboren am 10. März auf Schloß Lubowitz bei Ratibor (Oberschlesien), und gestorben am 26. November 1857 in Neiße.
(Vrgl.: Bernsmeier, Helmut: Joseph von Eichendorff: Literaturwissen – Philipp-Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2000).
[2] Veröffentlicht 1826, und zum ersten Mal im Jahre 1972/73 in der DDR verfilmt. [Drehbuch: Wera und Claus Küchenmeister, Regie: Celino Bleiweiß.]
(Vrgl.: Schultz, Hartwig: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Erläuterungen und Dokumente – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1994, S. 105-6.)
[3] Veröffentlicht 1818.
[4] Etwa 1797 – 1835. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 27.)
[5] Vrgl.: Rumpf, Michael, Dr.: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Inhalt, Hintergrund, Interpretation (Lektüre Durchblick) – Mentor Verlag GmbH, München, 2006. S. 27.
[6] J. G. Fichte, 1762-1814 u. F. W. Schelling, 1775-1854.
[7] Etwa 1813. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 27.)
[8] Vrgl.: Hanß, Karl: Joseph von Eichendorff, Das Marmorbild / Aus dem Leben eines Taugenichts: Interpretationen – Oldenbourg, München, 1989, überarbeitete und korrigierte Auflage 1996, S.55.
[9] Vrgl.: Klöhr, Friedhelm: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Interpretationshilfe – Stark Verlagsgesellschaft mbH, Freising,
1999, S. 1.
[10] Vrgl.: Klöhr, F. a.a.O., 1999, S. 1.
[11] Vrgl.: Hanß, K., a.a.O., S. 9.
[12] Literarische Epochen sind im Prozess der Literaturgeschichtsschreibung in der Regel immer erst im Nachhinein gänzlich erfasst und auf bestimmte Kennzeichen verkürzt worden. Gerade was die Phasen der Romantik betrifft, haben die Autoren in ihrer Zeit oft sehr eigenwillige Überlegungen darüber angestellt, was denn nun als romantisch zu bezeichnen sei. Oft sahen sich die Autoren deshalb gezwungen, dies quasi in jedem Text neu festzuschreiben. Eichendorff löst solche definitorischen Probleme sehr elegant durch die Wahl einer bestimmten Erzählhaltung. (Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.27)
[13] Der Begriff Novelle kommt aus dem Italienischen und heißt etwa “Neuigkeit”. In dem Wort steckt das lateinische „novus” = „neu”. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 32.)
[14] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 32-33.
[15] Die Hauptperson erhält seinen (Schimpf-) Namen von seinem Vater, der ihn für einen jungendlichen Bengel hält, dem die Flausen aus dem Hirn getrieben werden müssen. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 66)
[16] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 4.
[17] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.9.
[18] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.9.
[19] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 4.
[20] Korrelationen
[21] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 47.
[22] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts: Novelle –
herausgegeben von Hartwig Schultz, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1992.S. 26.
[23] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Das Marmorbild / Das Schloß Dürande: Novellen - herausgegeben von Adolf von Grolman (1928) - Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1989, S. 15.
[24] Die Nummer in Klammern zeigen die Seiten des Textes (Reclam Verlag).
[25] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.32.
[26] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.32.
[27] Auch im übrigen Werk Eichendorffs.
[28] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.33.
[29] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 24.
[30] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 84-86.
[31] Die Donaulandschaft wäre z. B. jederzeit mit einer Gegend am Mittelrhein austauschbar. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.84)
[32] Vrgl.: Gen. 1, 1-31.
[33] Vrgl.: Joh. 1, 1-5.
[34] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.58.
[35] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.59.
[36] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.59.
[37] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts, a.a.O., S. 66-7.
[38] [38] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 60.
[39] Vrgl.: Frühwald, Wolfgang (Hg.): Gedichte der Romantik. Stuttgart 1984, S. 332.
[40] Eichendorff gebraucht oft die Mehrzahl.
[41] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.85.
[42] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.86.
[43] s. Kap. 3.4 (Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts: Novelle - herausgegeben von Hartwig Schultz, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1992.)
[44] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.86.
[45] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.61.
[46] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.63.
[47] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.33.
[48] Vrgl.: Seidlin, Oskar: Eichendorffs symbolische Landschaft. In: Stöcklein, Paul (Hrsg.): Eichendorff heute. Stimmen der Forschung mit einer Bibliographie. Darmstadt 1966, S. 225.
[49] Ein pomphafter, schwülstiger Garten.
[50] Eine möglichst naturnah belassene Gartenlandschaft wie der von Ostasien her beeinflusste Englische Garten.
[51] Das reinigende Gewitter und der fromme Gesang Fortunatos.
[52] S. a. Lied Fortunatos, (Eichendorff, Joseph von: Das Marmorbild / Das Schloß, a.a.O., S. 10.)
[53] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.36.
[54] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.76.
[55] Sigmund Slomo Freud (Freiburg-Tschechien, 1856 – London, 1939): Österreicher Psychiater hebräischer Herkunft.
[56] Veröffentlicht 1815.
[57] Amerikaner Schriftsteller (1809-49).
[58] Leidenschaft, Pathos
[59] irreführenden
[60] gesperrt
[61] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.76-81.
[62] Vrgl.: Pelster, Theodor: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Lektüreschlüssel – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2001, S. 15.
[63]taugen, v. i. wert sein = αξίζω, dienen = εξυπηρετώ, nützen = χρησιμεύω, ωφελέω (ωφελώ). Zu etwas -, nützlich sein = χρησιμεύω εις τι, brauchbar sein = είμαι χρήσιμος. Wozu soll das -? = προς τι χρησιμεύει τούτο; // Taugenichts, m. (-, pl. –e), (fig.) der Faulenzer = ο μαστιγίας, der Müssiggänger = ο παλίμπρατος (ο αργός[χολος]), der Faulpelz = ο κύφων, ο κηφήν(ας) (= ο τεμπέλης, το τεμπελόσκυλο), der Tagedieb = ο ουδαμινός, ο ουτιδανός (ο χασομέρης), der faule Bengel = το οκνηρό παλιόπαιδο, der nichtswürdige, wertlose, unbedeutende, verworfene oder verächtliche Mensch = ο χαμένος, το χαμένο κορμί. Der Galgenschwengel = ο κρεμάλας, der Gottverhasste = ο θεοσκοτωμένος, der Nichtsnutz = ο άχρηστος, ο τιποτένιος, der Tunichtgut = ο χαραμοφάης, der Nichtstuer = ο ακαμάτης.
Γιάνναρης (Jannarakis), Α.: Γερμανοελληνικόν Λεξικόν (Deutsch-Neugriechisches Handwörterbuch) – Βιβλιοθήκη για όλους, Hofburgdruckerei der Gebrüder Jänecke in Hannover, 1882.
[64] Vrgl.: Pelster, Theodor: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Lektüreschlüssel – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2001, S. 15.
[65] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 20.
[66] Da Eichendorff zwei Entwürfe zum „Marmorbild” auch mit Schatten-Spiel bzw. […] ein Schattenspiel oder eine Novelle überschrieben hat, kann es sein, dass die Abstraktion der Figuren mit auf die ursprüngliche Planung zurückzuführen ist. Im Schattenspiel – vermutlich in China entstanden und über die islamischen Länder nach Europa vermittelt, durch die Romantiker als gesellige Unterhaltung besonders gepflegt – bewegen sich flache Figuren hinter einem durchscheinenden Schirm aus Pergament, Papier o. ä. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.38)
[67] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.67
[68] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 38-39.
[69] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 39.
[70] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 17.
[71] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 18.
[72] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 22.
[73] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 59.
[74]Philister, m. (-s, pl. -), der Mensch oder das Volk Palästinas = ο Φιλισταίος, (fig.) der Federfuchser, der Tintenkleckser = ο καλαμαράς· der Pedant, der einfältige Mensch = ο σχολαστικός, der Mensch der Kirchturmpolitik = ο μικροπολίτης· der beschränkte, kleinseitige Mensch = ο μικρόνους, der engstirnige Mensch = ο στενοκέφαλος, der unwichtige Mensch = ο μη σπουδαίος, der ungeistige, amusische, ungebildete, unkultivierte, rohe, grobe Mensch, ohne Sinn für Kunst und Wissenschaft, der Musenfeind = ο άμουσος.
Γιάνναρης (Jannarakis), Α.: a. a. O., 711.
[75] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 40.
[76] Clemens Brentano, ein anderer Romantiker, benennt den Gegensatz Philister – Student:
(Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 40):
„Philister also wurden alle genannt, die keine Studenten waren und nehmen wir das Wort Student im weitern Sinne eines Studierenden, eines Erkenntnisbegierigen, eines Menschen, der das Haus seines Lebens noch nicht wie eine Schnecke [...] zuklebt, eines Menschen, der in der Erforschung des Ewigen, der Wissenschaft oder Gottes, begriffen […]
Clemens Brentano, Der Philister vor, in und nach der Geschichte. Scherzhafte Abhandlung, Manesse Bücherei, Zürich 1988, S. 46.
[77] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 57-58.
[78] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.49.
[79] Schwarz, Egon: Ein Beitrag zur allegorischen deutung von Eichendorffs Novelle Das Marmorbild. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 48 (1956) H.4., S. 219.
[80] In seiner Studienzeit hatte Eichendorff selbst 1808 acht Gedichte unter dem Pseudonym Florens veröffentlicht. (Vrgl.: Regener, Ursula: Joseph von Eichendorff, Das Marmorbild: Erläuterungen und Dokumente – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2004, S. 5.
[81] Bei Eichendorff meist als Sache der Spießbürger und Philister abgetan.
[82] Für Eichendorff hat ein Dichter einsam die schönen Augen offen.
Seidlin, Oskar: a. a. O., 79.
[83] E. Schwarz deutet ihn als eingeschlafenes Gewissen.
Schwarz, E. a.a.O.: S. 215-220.
[84] Ein Sinnbild der Romantik.
[85] Wie sein gefühl des Grauens. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 51.
[86] Die das Heidnische für Eichen dorff tatsächlich ist. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 51.
[87] S. A. Dopelbild. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 52.
[88] Die beiden Streichungen Fouqués (s. Kap. 1.2) sind am ehesten hier zu vermuten. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 124.
[89] Vrgl.: (12).
[90] Ihr lieblicher Gesang hatte ihn mit hineingezogen. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[91] Symbol des Lebens. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[92] Ein christliches Symbol der Versöhnung, des Friedens. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[93] Sie ist hier gekennzeichnet durch ihren Ort – “hoch auf dem Regenbogen” (45) (Der Regenbogen ist nach der Sintflut Gottes „Zeichen der Versöhnung und des Bundes mit seiner Schöpfung“ [Genesis 9, 12 ff.]; nach Birgitta von Schwedenist er ein Sinnbild Mariens, in ständigem Gebet über der Welt wie der Regenbogen über den Wolken... „Seibert, Jutta: (Hrsg.): Lexikon christlicher Kunst, Themen/Gestalten/Symbole, Freiburg, Basel, Wien, 1982, S. 264.) – und durch das Kindlein in den Armen, welches sinnerfüllte Liebe darstellt. (Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 124.)
[94] Eine ikonenhafte darstellung. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 54.
[95] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 27.
[96] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 27-29.
[97] Z.B. Kafkas Texte. Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 30.
[98] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 30-32.
[99] Konrad Nussbächer sieht im Taugenichts den reinen Menschen „in der besonderen Spielart des reinen Toren, der seine literarischen Ahnherrn im Parzifal Wolframs und im Simplicissismus Grimmelshausens hat“ (Joseph v. Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts, Stuttgart 1970, 111).
[100] Als Eigentümer eines Schlösschens samt Garten und Weinbergen zählt er gesellschaftlich auch mehr als der wandernde Habenichts. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 74.
[101] Insgesamt gilt für den Taugenichts die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium (6, 25 f.): „[...] Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet. Ist nicht das Leben mehr denn die Speise? Und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“
[102] Vrgl.: Pelster, Th. a.a.O., S. 18-19.
[103] Vrgl.: Pelster, Th. a.a.O., S. 22-23 & 58.
[104] Dahnke, Hans-Dietrich u.a. (Autorekollektiv): Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 7 (1789-1830). Berlin (Ost) 1978, 782; dort auch: Diese religiös strukturierte, aus Naturbildern aufgebaute Symbolwelt konnte die utopisch unklaren Sehnsüchte breiter Volks- und Publikumsschichten bestätigen, die – nicht selten ebenfalls mit religiöser Tendenz – ihre Lebensansprüche in der Natur, gleichsam außerhalb der Gesellschaft, zu befriedigen hofften.
[105] Wimmer und Melzer: Lexikon der Namen und Heiligen. Innsbruck 1982, S. 820.
[106] Steinsdorff, Sibylle von: Erläut. Zu Das Marmorbild, in: Meier, Albert (Hrsg.): Meistererzählungen der deutschen Romantik. München 1985, S. 431.
[107] In einem Entwurf Eichendorffs ist vom deutschen Sänger die Rede. Weschta, Friedrich: Eichendorffs Novellenmärchen Das Marmorbild. Prag 1916 (Prager deutsche Studien, Heft 25), S. 94.
[108] Eichendorff, J.: Werke III, 550 (auch RE: a.a.O., 6)
[109] Vrgl.: (48)
[110] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 46: Es fällt auf, dass Eichendorff Fortunato wie auch die anderen Figuren hauptsächlich durch den Augenausdruck charakterisiert.
[111] Rosen sind Attribut der Venus. Vrgl.: Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 48.
[112] Vrgl.: Seidlin, O. a.a.O., S. 288.
[113] Bei Eichendorff: die Hin- und Her- Bewegung vieler Leute, manchmal zugleich mit einem fantastischen Begeistersein. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 48
[114] Durch Kaiser Konstantin. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 38.
[115] Dieses wirkt auch sonst wie vom Teufel besessen. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 39.
[116] Rumpf, M. a.a.O., S. 42-3.
[117] Mt. 6, 28-30.
[118] In seiner Schrift „Zur Geschichte der neuern romantischen Poesie in Deutschland“ lobt Eichendorff 1846 den Dichter Adalbert Stifter, weil er eine geistige Auffassung der Liebe vertritt und die irdische Liebe überall an ihren himmlischen Ursprung erinnert. Vrgl.: Eichendorff, Werke Bd. 6 (Geschichte der Poesie), hrsg. V. H. Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt 1990, S. 56.
[119] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 43.
[120] Beitl, Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1955, S. 445.
[121] Seibert, J. a.a.O., S. 267.
[122] Bergengruen, Werner: josef von Eichendorff: Erzählungen , Hrsg. Von Werner Bergengruen. Zürich: Manesse, 1955, S. 659.
[123] Vrgl.: Klöhr, F. a.a.O., 1999, S. 2.
I. Aus dem Leben eines Taugenichts
II. Das Marmorbild
Themafrage: Wie kommt die Natur vor und wie verändert sie sich,
je nachdem wie die Stimmung des Helden ist?
LEITFADEN:
A. Einleitung: Vorstellung der Landschaft und Erschließung ihrer
Symbole, der Religion, der Personen und ihres psychologischen Deutungsansatz..........S. 2
B. Hauptteil: 1. Thematik, Unterschiede und Gemeinsamtheiten
der beiden Werke:......................................................S. 4
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung
als Gestaltungsbegriff....................................S. 6
2. Die Naturdarstellung:.......................................................S. 8 (Marmorbild)
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft...... S. 12
b. Der Lustgarten................................................S. 12
(Taugenichts)
c. Der Schlossgarten als Liebesort...................S. 14
d. Der verwunschene Garten.............................S. 14
3. Charakterisierung der Hauptpersonen:........................S. 18
a. Hauptperson: der Taugenichts......................S. 18
- Gegensatz zwischen Künstler und Philister...............................S. 22
(Marmorbild)
c. Hauptperson: Florio........................................S. 23
d. Der Taugenichts als:
i. Romantiker................................................S. 29
ii. Antiheld.....................................................S. 30
iii. gesellschaftlicher Außenseiter...............S. 30
iv. Gottes- und Sonntagskind.....................S. 31
v. Enthusiast................................................S. 32
e. Vergleich:
(Taugenichts)
i. Student (Taugenichts) – Philister (Portier)......S. 34
(Marmorbild)
ii. Fortunato – Donati.............................S. 35 / 38
(Taugenichts / Marmorbild)
iii. Aurelie – Bianka..................................S. 39/41
C. Schluss: 1. Wirkung der beiden Werke auf den Leser.....................S. 42
(Beantwortung der Themafrage)
D. Literaturverzeichnis.............................................................................S. 44
- EINLEITUNG:
In meiner Diplomarbeit befasse ich mich mit den Werken von Joseph von Eichendorff[1]: „Aus dem Leben eines Taugenichts”[2] und „Das Marmorbild”[3].
Durch dieses Studium wird deutlich, wie die Natur vorkommt und wie sie sich verändert, je nachdem wie die Stimmung des Helden ist.
Ich habe vor, dieses Thema unter folgenden Aspekten zu betrachten: nach der vorhandenen Abgrenzung der Themafrage durch die Vorstellung der Landschaft und die Erschließung ihrer Symbole, der Religion, der Personen und ihres psychologischen Deutungsansatz, werde ich – als Anfang des Hauptteils - die Thematik, die Unterschiede und die Gemeinsamtheiten der beiden Werke erläutern. Der Rationalismus gegen die fromme Einfalt, die Dichtung und die fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff, werden auch hier erwähnt.
Zunächst möchte ich die Frage der Naturdarstellung im verwunschenen Garten, im Schlossgarten - als Liebesort -, wie auch auf dem Venusberg - als wildromantische Landschaft - und im Lustgarten behandeln.
Die Charakterisierung der Hauptpersonen (Taugenichts und Florio, in den zwei Büchern, entsprechend) wird der nächste Blickpunkt des Hauptteils: Gegensätze zwischen Künstler und Philister (also, dem wahren Lebenskünstlern und der Philister-Predigt) und der Taugenichts als Romantiker, Antiheld, gesellschaftlicher Außenseiter, religiöser Mensch und Enthusiast. Dann komme ich zum allgemeinen Vergleich, z. B.: zwischen dem Student und dem Philister (also zwischen dem Taugenichts und dem Portier, oder dem Vater) – im Buch „Aus dem Leben eines Taugenichts” und zwischen Fortunato und Donati, im Buch „Das Marmorbild” und zwischen Aurelie und Bianka, in beiden Büchern..
Zusammenfassend wird hiermit die Wirkung der beiden Werke auf den Leser verdeutlicht. Meines Erachtens wird auf diese Art die vorerwähnte Themafrage beantwortet.
Auf dem ersten Standpunkt steht Eichendorffs Landschaft u. ihre Symbole: Die deutsche Romantik[4] gilt als Blütezeit philosophischer und literarischer Kreativität und als Gegenbewegung gegen das allzu nüchterne Denken des beginnenden Industriezeitalters. Sie sehnt über alles Bestehende hinaus und ersehnt die Unendlichkeit; die Romantik möchte auch die Grenzen der Kunst überschreiten, indem sie ihr den verlorenen Einfluss auf das Alltagsleben zurückgibt.[5] Die Philosophie[6] lehrte, wie sehr das menschliche Ich, d.h. das Subjekt, die Sicht der Welt beeinflusst. Dies änderte die Auffassung von der Rolle der Kunst: an die Stelle der früheren Lehre, Dichtung und Kunst hätten sie die Natur nachzuahmen, trat bei den Romantikern die Ansicht, Dichtung und Kunst seien Ausdruck der Fantasie des Menschen. Kunst bietet gerade kein Abbild der Wirklichkeit, sie schafft eine eigene Welt, die als Vorschein einer künftigen besseren Welt gesehen werden kann. Eichendorff zählt zur sogenannten Spätromantik[7]. Die Kombination von Morgen (Tagesanfang), Frühling (Jahresanfang) und Jugend (Lebensanfang), im „Marmorbild”, ist für Eichendorff typische Symbolik. Die Landschaft ist, also, der entscheidende Raum für seine Werke: im „Marmorbild” ist sie ein austauschbares mittelalterliches Stadtbild ohne besondere örtliche Merkmale, und im „Leben eines Taugenichts” die Ereignisse spielen hauptsächlich an der Donau bei Wien und in Italien bis hinunter nach Rom; Italien ist für die Romantik das Land der Poesie, und Rom der Pol der mittelalterlichen katholischen Christenheit.
Demnach, kommt auf der zweiten Stelle das Thema der Religion: Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” erzählt die märchenhafte Glücksuche eines naiven Jünglings als Ausdruck der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Sie bezieht sich dabei neben dem soziologischen, Aspekt aufs Thema der Religion, die besonders betont ist. Da wird es möglich, die fromme Einfalt des Taugenichts als Kontrast zum aufklärerischen Rationalismus zu erfassen: an der Stelle des Glaubens an die menschliche Vernunft tritt das demütige Gottvertrauen. Das “Marmorbild“ durchzieht der alte Menschheitstraum vom verlorenen Paradies - ein Topos der Romantik - vom Verlust der unzeitlichen Stätte des Friedens, der Ruhe, des Glücks und deren Wiederkehr auf Erden oder im Himmel.[8]
Die Personen und ihr psychologischer Deutungsansatz: Als nächster Schritt, erscheint die Grenze des Ichs, indem sie das Individuum in größere Einheiten einbindet, wie z. B., die Religion und das Volk. Eichendorff kritisiert einen Menschentypus, den die Romantiker Philister genannt haben. Der Begriff fällt im Text nie, bezeichnet aber den Gegensatz zum Taugenichts. Als Philister schildert der Schriftsteller den Portier, der kein Verständnis dafür hat, dass der Taugenichts die Kartoffeln und das Gemüse herausreißt und dafür Blumen pflanzt. Lange vor der modernen Psychoanalyse stellt Eichendorff Traumvoraussetzungen, -inhalte und -erscheinungen ausführlich und genau als Wirklichkeit des Unbewussten dar: einen großen Teil der Erzählung des „Marmorbildes“ nehmen Florios Träume ein.
Aus den vorerwähnten Argumenten lässt sich eine Beantwortung der Themafrage feststellen.
B: HAUPTTEIL:
1. Thematik, Unterschiede und Gemeinsamtheiten der beiden Werke:
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff.
Die deutsche Literaturgeschichte[9] bietet nur wenige Werke, anhand derer sich überschaubar und einleuchtend ganze Epochen erschließen lassen.[10] Josephvon Eichendorff gilt als volkstümlicher Romantiker[11], als derjenige, der bei vielen Lesern überhaupt die Vorstellung von Romantik geprägt hat – vor allem durch seine Lyrik und seine Novellen „Aus dem Leben eines Taugenichts” und „Das Marmorbild”, die exemplarisch für die Spätromantik[12] sind.
Eichendorffs Auffassung von Dichtung erläutert seinen Blickpunkt:
„Alle Poesie ist nur der Ausdruck, gleichsam der seelische Leib der inneren Geschichte der Nation; die innere Geschichte der Nation aber ist ihre Religion; […]”
Der Schriftsteller hat beide Bücher als Novellen[13] eingeordnet. Eine Novelle erzählt ein ungewöhnliches Ereignis, sie bietet „etwas Neues”. Sie verwendet Gegenstände symbolisch. Allerdings ist der „Taugenichts” für eine Novelle nicht realitätsbezogen genug. Manches erinnert an das Märchen, für das die Romantiker eine Vorliebe hatten: die einfache Sprache mit ihrer Vorliebe für Verkleinerungsformen, die wundersamen Wechselfälle des Geschehens und das glückliche Ende.[14]
Im Buch „Aus dem Leben eines Taugenichts“ steht die etwas einfältige Geschichte eines Müllerssohns, der durch die Welt irrt, bis er die große Liebe findet. Der Taugenichts[15], der seine Ungebildetheit bekennt, äußert keine tieferen Überlegungen und führt auch keine theoretischen Gespräche. Er möchte einfach –wie wir heute sagen würden – aus der Gesellschaft, die sein Elternhaus repräsentiert, auszusteigen. Wo er sich Gedanken über die Welt und das Leben macht, ironisiert Eichendorff seinen jungendlichen Helden und lässt ihn unbedarft wirken. Da seine Ich-Perspektive vorherrscht, fallen die Spuren der Themen, die für Eichendorff wichtig sind, bei der ersten Lektüre kaum auf. Sie erschließen sich dem Leser erst, wenn Zusatzwissen über das Weltbild des Autors den Blick für sie schärft. Dan wird es möglich, die fromme Einfalt des Taugenichts als Kontrast zum aufklärerischen Rationalismus zu erfassen, die Beziehung Dichtung – Religion zu bestimmen, die Natur- und Landschaftsbeschreibungen als unrealistisch zu erkennen und die kunstvolle Unbestimmtheit des Textes zu erklären. Da man den literaturgeschichtlichen Hintergrund selten kennt, wundert man sich leicht, wie unbeschwert Sprache und Handlung der Novelle wirken. Aber auch das Wissen über Zusammenhänge lässt ihre Leichtfüßigkeit nicht schwerfällig werden. Der Eindruck der Naivität verliert sich, ihre Heiterkeit bleibt erhalten.[16]
„Das Marmorbild”, unmittelbar vor dem „Taugenichts” entstanden, ist dagegen weniger bekannt. Im „Marmorbild“ stellt Eichendorff die Gefährdung des jungen Poeten Florio dar, der in seiner Sinnenlust den Reizen der Venus zu verfallen droht, aber schließlich durch seine ursprüngliche Religiosität gerettet wird.[17] Das „Das Marmorbild“ weniger bekannt ist als der „Taugenichts“, dürfte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass es von Anfang an als relativ unbedeutend eingestuft wurde (als nach der neuesten Schriftstellermode, als ein Gespensterspuk, ohne viel andere als äußerliche Bedeutung, als verkleisterte Gemütlichkeit - erst ab 1850 finden sich wohlwollendere Beurteilungen), andererseits auf seine dunklere Grundstimmung, auf die Vielzahl von Formeln, Symbolen, Sinnbildern. Häufig dem religiösen Bereich entstammend waren sie größtenteils schon dem Leser des 19. Jahrhunderts nicht mehr vertraut und blockierten so ein rein inhaltliches Lesen.[18]
a. Dichtung und fiktive Landschaftsbeschreibung als Gestaltungsbegriff:[19] Zum Programm der Poetisierung gehört die Darstellung schöner Landschaften. Schon beim ersten Lesen fällt auf, welche Bedeutung die Natur für den Taugenichts hat. Erst genaueres Lesen aber entdeckt, dass ihre Beschreibung oft eher dazu dient, Assoziationen[20] zu wecken, als realistische Eindrücke wiederzugeben. Dies soll an einem Text belegt werden:[21]
„Die kühle Morgenluft weckte mich endlich aus meinen Träumereien. Ich erstaunte ordentlich, wie ich so auf einmal um mich her blickte. Musik und Tanz war lange vorbei, im Schlosse und rings um das Schloss herum auf dem Rasenplatze und den steinernen Stufen und Säulen sah alles so still, kühl und feierlich aus; nur der Springbrunnen vor dem Eingange plätscherte einsam in einem fort. Hin und her in den Zweigen neben mir erwachten schon die Vögel, schüttelten ihre bunten Federn und sahen, die kleinen Flügel dehnend, neugierig und verwundert ihren seltsamen Schlafkameraden an. Fröhlichschweifende Morgenstrahlen funkelten über den Garten weg auf meine Brust.”[22]
Hinzu kommt im „Morgenbild” die für Eichendorff typische weitere Ausstattung: ein Fluß im Tale; viele weiß glänzende Schlösser[23], Hügel, Wälder und Felder (25)[24], grüne Berge... Die Gegend wird zumeist von einem erhöhten Standpunkt (einem Bergrücken oder einem Fenster) aus betrachtet, sodass der Blick in die Ferne schweifen kann, weit über die wunderbare Landschaft (5, 8, 43); einige Male begnügt sich der Autor mit dieser allgemein gehaltenen Kurzformel.[25] Für die unermeßliche Landschaft (24) verwendet Eichendorff an Farben fast ausschließlich Grün und Blau, darüber das Himmelblau (25). Zu diesen Farben kommen zuweilen die Morgenröte, die Abendgluten (8), das Abendgold (6) oder silberne Ströme (16). Ansonsten wird das Land als bunt und freudig wie der Morgen (19) geschildert.[26] Die primitiv anmutende Gleichförmigkeit der Umrisse und Farben scheint zunächst verstärkt durch weitere Elemente, die beinahe monoton wiederkehren.[27] Landschaften sind ausnahmslos auswechselbar: unzählige Lerchen (48), schlagende oder schluchzende Nachtigallen, Waldhörner, Gitarren und Lauten, Sonnen- bzw. Mondlicht und Zauber- oder Irrlichter usw. Diese Formeln bewirken das Durchschimmern des Ewigen […], welches auch jederzeit das Schöne ist, rufen die eigentliche romantische Stimmung hervor, lösen Sehnsucht und Wehmut aus, verlocken, warnen und sind zudem – wie die schon genannten Schlösser, Wälder, Hügel... – mit der Handlung, den Personen, den Liedern in einen so vielfältigen Verweisungszusammenhang gebracht, dass sie aufgebrochen werden und den stets schon bemerkten Eindruck des Fließens, musikalischen Strömens, des Lebens begründen. Im Zusammenhang mit dem Frühling, mit den Tageszeiten, ergibt sich eine besondere Atmosphäre. Sie ist überwiegend geprägt durch Licht und Luft, Glanz und Duft, Musik und Gesang, Fröhlichkeit und Verzauberung. Die Landschaft wird eine wunderbarverschränkte Hieroglyphe (34) des Göttlichen, bekommt sinnbildhafte Bedeutung. Da die oben genannten Elemente nur geringe Körperlichkeit aufweisen, sieht der Literaturforscher ihre Bedeutung vor allem darin, dass sie durch Bewegungen wirken, vorwiegend durch solche von immateriellen Lichtern und Klängen:[28]
„Der Mond, der eben über die Wipfel trat, beleuchtete scharf ein marmornes Venusbild [...] ein leises Rauschen ging durch die Räume ringsumher. Aber der Morgen spielte nur einzelne Zauberlichter wie durch die Bäume über ihm in sein träumerisch funkelndes Herz hinein [...]” (20)
Für seine naiven Helden wählt Eichendorff eine einfache Sprache, die man leicht versteht. Typisch sind Vokabeln wie „recht”, „nun”, „arg” und fast formelhaft sich wiederholende Adjektive, Verben und Nomen.[29] Er benutzt auch manche rhetorischen Figuren, wie: Metapher, Diminutiva, Interjektionen, Vergleiche und auch die Ironie als sprachliche Mittel.
Solche Voraussetzungen vermitteln einen Vergleich zwischen dem „Taugenichts” und dem „Marmorbild”.
2. Die Naturdarstellung: (Marmorbild)
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft
b. Der Lustgarten
(Taugenichts)
c. Der Schlossgarten als Liebesort
d. Der verwunschene Garten
Nun komme ich zum wichtigsten Punkt dieser Diplomarbeit:
Wie kommt die Natur vor und wie verändert sie sich, je nachdem wie die Stimmung des Helden ist?
Dieser Teil ist in zwei großen Abschnitten geteilt:
I. Die Naturbeschreibung
II. Die Heldenstimmung.
I. DIE NATURBESCHREIBUNG[30]Um die Natur als eine solche Schöpfung darzustellen legt Eichendorff im „Taugenichts” – wie bereits im „Marmorbild” – keinen besonderen Wert auf individuelle Landschaften[31] oder auf Ortsbilder, sondern gestaltet die Landschaft, die zumeist von einem erhöhten Standort (Berg, Baum, Fenster) aus betrachtet wird, als sichtbare Theologie. Dies geschieht vor allem dadurch, dass der Dichter die Landschaft romantisiert, d. h. dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gibt, etwas Mystisches, z. B. durch geheimnisvolles Rauschen, Glänzen und Blitzen, ferner dadurch, dass er Raum und Zeit, Natur und Mensch, Außen- und Innenwelt miteinander in Einklang bringt, sodass die äußere Landschaft sich in der Seelenlandschaft spiegelt und der poetische Taugenichts in der romantisierten Welt dem Sinn wiederfindet, der von den romantischen Dichtern als ursprünglich angesehen wird.
Im alttestamentarischen Buch Genesis[32] wie im neutestamentarischen Prolog zum Johannesevangelium[33] wird die Schöpfung von Welt und Mensch als ein (Sprech-)Akt Gottes dargestellt. Gottes Wort haucht allen Pflanzen und Tieren Leben ein. Adam als das menschliche Ebenbild Gottes ist sogar privilegiert, den Tieren Namen zu geben. Dieser paradiesische Idealzustand des Weltenanfangs stellt sich den Menschen mit Gott und Natur in Einklang vor.[34] Der Taugenichts, der das Romantische allegorisch verkörpert, ist jemand, der der Entfremdung von Gott und Natur entgegenläuft. Er hat sich einen affektiven Zugang zur Natur bewahrt. Affekte sind Gefühlszustände, man könnte sie auch Stimmungen nennen, die im „Taugenichts” neben der Liebe in erster Linie durch die Natur hervorgerufen werden. Durch sie fühlt er sich auf das Engste mit der Natur verbunden. Das sieht man auch daran, dass er ein Einzelgänger ist. Er meidet zwar Menschen keineswegs, wenn er sich jedoch auf sich selbst zurückzieht, dann geschieht dies stets in freier Natur. Nur hier fühlt er sich geborgen und frei.[35] Die Naturnähe des „Taugenichts” ist darüber hinaus von religiöser Tragweite. Das sieht man daran, in welcher Selbstverständlichkeit er den Vogelsang mit einem Lob Gottes gleichsetzt:[36]
„Draußen ließ sich noch kein Laut vernehmen. Nur ein früherwachtes Waldvögelein saß vor meinen Fenstern auf einem Strauch, der aus der Mauer heraus wuchs, und sang schon sein Morgenlied. «Nein», sagte ich, «Du sollst mich nicht beschämen und allein so früh und fleißig Gott loben!» –Ich nahm schnell meine Geige, die ich gestern auf das Tischchen gelegt hatte, und ging hinaus.”[37]
Wie Adam, der im Buch Genesis, den Geschöpfen, die ihm Gott bringt, Namen geben darf und dem dadurch vor Augen geführt wird, dass alles Leben gottgegeben ist, begreift auch der Taugenichts das Waldvögelein als ein Wesen, das (wie er) seine Daseinberechtigung von Gott her bezieht und in seinem Dasein Gott dient. So sind die zentralen Tätigkeiten des Taugenichts, singen, wandern und lieben, nicht nur auf reale Ziele, wie z. B. Zeitvertreib, Italien, Aurelie etc., bezogen, sondern besitzen auch eine religiöse Dimension: Singen ist Gotteslob, Wandern ist die erhoffte Heimkehr der Seele zu Gott und Liebe ist ein Auftrag, den Gottes Sohn den Menschen als explizite Anweisung erteilt hat.[38]
Der Taugenichts erfährt die Natur aber nicht nur gläubig, sondern auch ästhetisch-sinnenhaft. Das belegt neben seiner Erzählung über den Taugenichts sehr eindrucksvoll sein wohl bekanntestes Gedicht:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.”[39]
Die Landschaft im „Taugenichts” ist weit stärker durch den Wald geprägt als im „Marmorbild”, wo er nur beiläufig erwähnt wird, stellenweise fast bezuglos, und an seiner Stelle Gärten, Weinberge und Kastanienalleen erscheinen. Im „Taugenichts” werden die Wälder[40] zum Kennzeichen der österreichischen Heimat, gehören zu deren schöner Natur, sind zudem Orte fern von dem Getriebe der Welt: Mitten im Wald liegt eine arkadische Landschaft, oder wird es so still dass es dem Taugenichts fast angst wird in dem ewigen einsamen Rauschen. (32) In Italien dagegen begegnet er Wäldern nur um das abgelegene Schloss.
Die Emotionalisierung des Waldes durch Eichendorff ist als Flucht aus den wachsenden Städten zu verstehen, als Suche nach Ursprünglichkeit, Unverbildetheit, nach der uralten, lebendigen Freiheit der Altvorderen. Wahrscheinlich ist sie aber auch auf die damals bereits längere Zeit bedrohlich gewordene Zerstörung der Wälder zurückzuführen.[41] Aber auch wenn der Dichter die Wälder nur rauschen lässt wie im „Taugenichts”, nur besingt, trauert er wohl den verschwundenen Wäldern nach und unterschützt gleichzeitig emotional die zu Beginn des Jahrhunderts einsetzende planmäßige Aufforstung.
Zur zumeist weiten Landschaft gehören während der Nacht als Requisiten die Unendlichkeit der Sterne (10) und ein verzaubernder Mond, eine unermessliche Stille, in der einmal ein Käuzchen (48), sonst fast immer Nachtigallen oder entferntes Hundegebell (37) und das leise Rauschen von Quellen, Bäumen oder der Donau zu hören sind. Dieses Rauschen führt in die Tiefen des Lebensgefühls: die Nacht wird dem Taugenichts zur Zeit der Geheimnisse, aber auch der Ängste, der Verwirrung und Verworrenheit (48); es ist ihm grauslich (48) oder schauerlich und seltsam zumute (22). Am Morgen ist alle Furcht […] vorüber (38) und der Taugenichts kann singen: Der Morgen, das ist meine Freude![42]
Am bedeutendsten für das Geschehen, vor allem das innere, ist wohl die Mittagslandschaft. Sie erscheint beinahe erdrückt durch schwere weiße Mittagswolken (7), durch Stille, im Vergleich mit der Nacht, in der höchstens Bienengesumm ertönt, hauptsächlich aber warme Luft, durch Schwüle und Leere, sodass dem Taugenichts alles wie ausgestorben (56) vorkommt und ihm zum Sterben bange (12) ist. Besonders wichtig ist, dass ihn die Schwüle des Mittags an die Kühle der väterlichen Mühle erinnert, anfangs Heimweh hervorruft, im heißen, bald als grau empfundenen Italien[43] bewirkt sie außerdem Rückbesinnung auf den Ursprung und Sehnsucht nach Aurelie.[44]
Die Abendidylle kann jedoch schnell umschlagen in Streit, entsetzliches Gepolter, die Ängste der Nacht.
Beschreibt Eichendorff hingegen optische Phänomene der Beschleunigung, dann zeigt sich eine andere Sprache. Das Gemeinte wird dann in der Regel von allem rhetorischen Beiwerk befreit und es bleiben verblüffend schlichte Sprachformeln stehen. Als Beispiel sei hier zitiert, wie der Taugenichts seine erste Kutschfahrt erlebt:
„Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf; unter mir Saaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft.” (9)
Die Natur wird hier nur als Summe abgebildet. Derb Blick des Lesers wird also nicht auf die einzelnen Bestandteile der Landschaft gelenkt, er soll vielmehr dynamisch schnell durch den Raum schweifen. Es entsteht ein undeutlicher, bunter Strom von Impressionen, der die Flüchtigkeit der Eindrücke und das Unwiederbringliche ihres Zaubers betont. Landschaft wird bei Eichendorff nicht eingefroren, damit sie der Leser gemächlich beschauen kann, sie wird vielmehr, kaum dass sie sprachlich entsteht, seiner Betrachtung wieder entzogen. Sie besteht zudem nicht aus einer Summe Sinn stiftender Einzelteile; das erkennt man daran, dass diese lediglich mit wenig sagenden Worthülsen als „Dorf”, „Berg”, „Wiese” etc., benannt sind. Hier werden die Landschaft und ihre Reize nur formelhaft abgebildet, sie erschließen sich dem Leser nicht explizit.[45]
Eichendorffs Titelheld erlebt Natur in einer derartigen Intensität, dass in einer Einbildungskraft die eigene romantische Gestimmtheit stetig mit äußeren Eindrücken verschmilzt, wodurch die Natur eben nicht Natur bleibt, sondern Poesie wird. Indem er beständig unbewusst Natürliches in Poetisches bzw. Ästhetisches umwandelt, zeigt der Taugenichts, dass er die Rolle eines poetischen Menschen in Perfektion ausübt. Er muss Poesie nicht herstellen, weil er die Welt nicht als solche, sondern stets als Poesie empfindet und wahrnimmt.[46]
Im Mittelpunkt der Natur und Landschaft Eichendorffs stehen wohl manche Orte, die wichtige Argumente zwischen den Literaturforschern anführen:
a. Der Venusberg als wildromantische Landschaft im „Marmorbild“: Von der vorherrschenden unermeßlichen Landschaft als Gottes Natur (24) hebt sich der Bereich ab, in dem Florio bei nüchterner Betrachtung die Ruinen des Venus-Tempels sieht, in verblendetem Zustand jedoch das Marmorbild, den Lustgarten und den Palast bzw. Tempel der Venus. Im ersten Fall liegt die Ruine am einzigen wildromantischen Ort der Erzählung; er erweist sich als heidnisch durch die heimliche Scheu der Kinder und dadurch, dass er dem erfahrenen, frommen Erwachsenen im Zwielicht zu liegen scheint oder ein inneres Schauern in ihm hervorruft:[47]
„In einer großen Einsamkeit lag da altes, verfallenes Gemäuer umher, schöne, halb in die Erde versunkene Säulen und künstlich gehauene Steine, alles von einer üppig blühenden Wildnis grün-verschlungener Ranken, Hecken und hohen Unkrautes überdeckt. Ein Weiher befand sich daneben, über dem sich ein zum Teil zertrümmertes Marmorbild erhob, hell vom Morgen angeglüht.“ (43)
Nur an diesem Ort kommt der Begriff üppig vor.
Im Tag- oder Nachttraum wird aus diesem reizenden Verwildern/ein blühender Garten (44) – Natur, in die der Mensch deutlich eingegriffen hat.
b. Der Lustgarten: Das zum Teil zertrümmerte Marmorbild erscheint, vom Mond scharf beleuchtet, in ursprünglicher Pracht; der Venus Lustgarten (20) als riesige Kunstlandschaft erinnert an einen architektonisch angelegten Garten der Renaissance, noch eher an die streng geometrischen Schlossgärten Ludwigs XIV. oder Wiens.
Nicht ein Strom, ein Fluss rauscht hier, sondern unzählige Springbrunnen plätscherten […] einförmlich in der großen Einsamkeit (21), wie die Schwäne auf dem Teich einförmig ihre Kreise ziehen. Bewegungen ohne Anfang und Ende, ohne jedes Ziel werden hier ausgeführt, sinnlos wirkend. So flattern auch goldene Vögel hin und wieder wie abgewehte Blüten zwischen feierlichen Schatten hoher Buchenhallen (21) – vom Tode gezeichnetes Leben oder bereits Leben im Schattenreich des Todes, während in der freien Natur künstliche Gebilde lebendig erscheinen: Die buntgefiederten Bälle flatterten wie Schmetterlinge, glänzende Bogen hin und her beschreibend, durch die blaue Luft […] (6) In diesem Garten scheinen die Gesetze der Natur aufgehoben: während in der sengenden Mittagssohne, der Schwüle außerhalb des Parks die Vögel schweigen, weht aus ihm heraus erquickend […] ein Strom von Kühle und Duft […] (20), singt in ihm hin und wieder eine Nachtigall fast schluchzend (21).
Der Lustgarten verführt durch seine Pracht (zierlich vergoldete Stäbe am Gitter des Parktores, Springbrunnen mit vergoldeten Kugeln spielend, den prächtigen Palast in der Ferne) und verrät den Reichtum der Besitzerin.
So erweckt diese teilweise verfremdete Welt, dieses künstlerische Paradies – auch durch die Größe und Seltenheit exotisch wirkender Blumen – beim Betrachter letztlich den Eindruck, er träume von einer versunkenen Welt, dem verlorenen Paradies (21); es findet sich hier ein Traum im Traum. Das bei Eichendorff seltene Gelb und Rot deutet Seidlin[48] als Flammenfarben, in Verbindung mit Donati su sehen; das ebenfalls seltene Weiß der Schwäne weist auf Donati, die Venus und den Tod).
In Florios erträumten Lustgarten weitet Eichendorff zwar das eingezäunte Paradiesgärtlein mittelalterlicher Darstellungen zu weiten Renaissance- oder Barockanlage aus, doch diese ist kein heiliger Bezirk, sondern Prunkgarten[49], Schauplatz höfischer Feste, Garten der Lüste im Zauberring der Venus; dieses heidnische Paradies bedeutet Gefangensein, Abgeschnittensein von Gottes freier Natur. Das wird auch darin deutlich, dass Florio mit seinem Ausgangstraum von der Meerfahrt, erst recht seit seiner ersten Begegnung mit dem Marmorbild (dessen Spiegelbild wird durch die Kreise der Schwäne umschlossen) nicht nur den Lustgarten durch einen Kreis eingegrenzt sieht, sondern auch die offene Landschaft. An einer Stelle wird der Lustgarten sogar durch einen Abgrund begrenzt, wie er in der freien Landschaft nicht vorkommt, wird also zur tödlichen Gefahr. Indem Eichendorff dem falschen, dem heidnischen Paradies das Aussehen eines Renaissance- bzw. Barockgartens gibt, wertet er diesen ab, die zeitgenössische Gartenvorstellung[50] dem gegenüber auf.
Zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass sich das Geschehen hauptsächlich im Freien abspielt – zumindest bei geöffnetem Fenster (15, 25, 34, 35), also offen gegenüber der Natur; an manchen Stellen kann man das geöffnete Fenster als Zeichen dafür sehen, dass Florio Verbindung zu Gott hat, sodass er fast erschrocken das Fenster im Augenblick der Gottferne schließt. In geschlossenen Räumen treibt die Verlockung auf ihre Höhepunkte zu, werden die dämonischen Kräfte besonders wirksam. Rettung kommt von draußen[51], Florio flüchtet hinaus ins Freie.
Auf Festen werden die Übergänge von der freien Natur in den Lustgarten für naive junge Leute fließend; denn durch die Gaukelei von fröhlicher Musik und Gesellichkeit, durch Bacchantisches[52] gefährdet, können sie dem Reich der Gauklerin Venus anheim fallen. Der Abend auf der Festwiese von Lucca und der Abend im Lustgarten der Venus zeigen so bei näherer Betrachtung auffällig viele sich gleichende Bilder.[53]
Zunächst wird der in die Ferne drängende Taugenichts schon am Aufbruchstag wieder sesshaft, indem er ganz überraschend von der gnädigen Herrschaft als Gärtnerbursche eingestellt wird.
c. Der Schlossgarten als Liebesort: Der Schlossgarten ist für ihn bald nicht mehr vorwiegend der Ort seiner Arbeit, sondern seiner Liebessehnsucht. Dieser Garten umgibt – wie im „Marmorbild” – ein prächtiges Schloss; er ist ebenfalls angelegt mit hohen Buchenalleen, mit Tempeln, Lauben und schönen grünen Gängen (9), Springbrunnen, Rasen und Blumen, Rosengebüschen, blühenden Sträuchern und einem großen Birnbaum, Lusthaus und Sommerhaus, einem einsam gelegenen Teich, an dem die stillen, reinlich mit Sand bestreuten Gänge über die kleinen weißen Brückenvorüberführen, unter denen die Schwäne eingeschlafen auf dem Wasser saßen (22). Aber der Garten, wie auch das Schloss ist hier nicht Ort dämonischer Verführung, Garten der Venus, leblose Kunstlandschaft; er ist nicht durch einen magischen Kreis umschlossen, wird nicht zum Raum sinnlicher Gefangenschaft, seelischer Verderbnis. Der Garten ist offen nach dem weiten tiefen Donautal hin, liegt in der Heimat, nicht in üppiger Wildnis im verführerischen Italien. In diesem Garten hängt der Taugenichts seinen Träumen nach, verehrt die schöne Dame heimlich und offen, erlebt die Schönheit der Natur, Unruhe und Fröhlichkeit, großes Glück und tiefen Schmerz.[54]
Wie unmittelbar die menschliche Phantasie an das Unterbewusstsein gekoppelt ist, hat Sigmund Freud[55] an E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann[56] veranschaulicht, in der die Titelfigur Nathanael über die Blüten, die ihre Fantasie treibt, buchstäblich verrückt wird.
d. Der verwunschene Garten: Auch Eichendorff bringt die Nacht- und Schattenseiten der menschlichen Psyche in seiner Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts” zur Sprache, nimmt der Thematik allerdings die Spitze. Er gibt seiner Titelfigur die Kraft, das Unheimliche zu kanalisieren und zu verarbeiten und nicht, wie bei Edgar Allan Poe[57] oder Hoffmann, ins Pathologische, d. h. ins Krankhafte umschlagen zu lassen.
Rom ist nicht nur der Ort, der die Produktivität romantischer Einbildungskraft in Gang setzt, es ist für den Taugenichts auch der Ort falscher Einbildungen, die seine ärgsten Enttäuschungen verursachen. Auch wenn sich der Taugenichts nach Rom begibt, um die heilige Stadt zu erleben, gelten seine wahren Gefühle ausschließlich Aurelie. Er sehnt sich nach einer anderen Wirklichkeit, ohne Standesgrenzen und andere Hindernisse, wie etwa der vermeintliche Familienstand Aurelies, die ihn der Geliebten entrücken. Diese Sehnsucht bewirkt, dass der Taugenichts beginnt, die tatsächliche Wirklichkeit, die ihn umgibt, in eine erwünschte umzudeuten. Durch diese Ver-Rückung von Tatsachen bringt er sich selbst in die Gefahr, verrückt zu werden.
In den Straßen Roms bezieht der Taugenichts den erstbesten menschlichen Laut, den er vernimmt, auf Aurelie:
„Es war die Stimme der schönen, gnädigen Frau, und dasselbe welsche Liedchen, das sie gar oft zu Hause aus dem offnen Fenster gesungen hatte. ause” (81)
Diese zwei Zufälle, die Ähnlichkeit der Stimmen und die zufällige Übereinstimmung eines italienischen Liedes, verknüpft der Taugenichts spontan und wider besseres Wissen mit Aurelie. Er hat keinerlei berechtigte Hinweise auf eine Anwesenheit seiner Angebeten in Rom. Ihr Briefchen, von dem er glaubt, es sei an ihn adressiert, beordert ihn ausdrücklich zurück auf das Schloss bei W. Mit etwas mehr Besonnenheit müsste er eigentlich zum Schluss kommen, Aurelie sei in Österreich. Doch die Wehmut, die die Erinnerung an die glücklichen Momente in ihrer Nähe bei ihm hervorruft, wühlt mit solcher Vehemenz[58] in seinem Inneren, dass er jeden trügerischen[59] Schein geradezu bereitwillig für bare Münze nimmt. Ohne dass es ihm jedoch bewusst wird, ordnet er seine realen Wahrnehmungen eingebildeten Zusammenhängen zu und begreift diese vermeintlichen Erkenntnisse als Auslöser dafür, dass es nun Zeit ist zu behandeln. Es schwingt sich über ein schmiedeeisernes Tor in den Garten, aus dem er glaubt, den Gesang vernommen zu haben. Nun gesellt sich zu der akustischen Täuschung, der er erlegen ist, noch eine optische:
„Da bemerkte ich, daß eine schlanke weiße Gestalt von fern hinter einer Pappel stand und mir erst verwundert zusah, als ich über das Gitterwerk kletterte, dann aber auf einmal so schnell durch den dunklen Garten nach dem Hause zufolg, daß man sie im Mondschein kaum füßeln sehen konnte. «Das war sie selbst!» rief ich aus, und das Herz schlug mir vor Freude, denn ich erkannte sie gleich an den kleinen, geschwinden Füßen wieder.“ (81)
Das Motiv der weißen Gestalt im Mondlicht ist ein wohl beabsichtigter Verweis auf die romantische Schauerliteratur. Die schemenhaften Umrisse der Frauengestalt, die genau genommen keinerlei Verweiskraft auf eine wirkliche Person besitzt, verliert für den Taugenichts deshalb die ihr anhaftende gespenstische Aura, weil er in der Motorik ihrer Füße Aurelie wiederzuerkennen glaubt. Die Kette seiner Selbsttäuschungen wird ab hier zusehends länger. Ohne es mit Bestimmtheit zu wissen, vermutet er, dass Aurelie, nicht wissend, wer der freche Eindringling ist, sich in dem Haus inmitten des Gartens verbarrikadiert[60] hat. Die Türen sind verschlossen, Jalousien erschweren es ihm, hineinzublicken. Deshalb versucht er, sich zu erkennen zu geben:
„Ich klopfte ganz bescheiden an, horchte und klopfte wieder. Da war es nicht anders, als wenn es drinnen leise flüsterte und kicherte, ja einmal kam es mir vor, als wenn zwei helle Augen zwischen den Jalousien im Mondschein hervorfunkelten. Dann war es auf einmal wieder ganz still.” (81)
Das Zitat besteht aus drei Sätzen, wobei die Verbformen im ersten und dritten Satz im Indikativ, die zentralen Verbformen im zweiten Satz jedoch im Konjunktiv II stehen. Dadurch wird hier grammatikalisch bereits angedeutet, was inhaltlich erst das Ende der Szene belegt: Die Wahrnehmungen, die der Taugenichts hier schildert, sind pure Einbildungen. Die berechtigte Frage, wie solche Sinnestäuschungen entstehen können, lässt sich nur in Form von Vermutungen beantworten. Tatsächliche akustische bzw. optische Reize sind wahrscheinlich die Auslöser gewesen, die das Sinnenbewusstsein des Taugenichts aktiviert haben, nur dass seine Psyche, d. h. die Sehnsüchte und Hoffnungen, die in sein Unterbewusstsein eingespeichert sind, die wahrgenommenen psychologischen Erregungen nicht als solche zur Kenntnis nimmt, sondern sie zu Trugbildern verändert, die wiederum das Ich an die Stelle der Wirklichkeit setzt.
Wenn man im Vorgriff auf den Schluss der Szene bedenkt, dass das Haus seit vielen Jahren unbewohnt (82) ist, dann wirken die nachfolgenden Aktivitäten des Taugenichts geradezu absurd:
„«Sie weiß nur nicht, daß ich es bin», dachte ich, zog die Geige, die ich allzeit bei mir trage, hervor, spazierte damit auf dem Gange vor dem Hause auf und nieder, und spielte und sang das Lied von der schönen Frau, und spielte voll Vergnügen alle meine Lieder durch, die ich damals in den schönen Sommernächten im Schloßgarten, oder auf der Bank vor dem Zollhause gespielt hatte.” (81)
Ohne dass er es sich vergegenwärtigt, beschwört der Taugenichts hier die Zeit herauf, in der er sich seiner Geliebten zumindest noch sinnlich nahe gewusst hat. Sein Singen ist dabei nicht zweckfrei, sondern an einen Adressaten gerichtet. Ästhetisch betrachtet wird also durch die Poesie seines Gesangs die reale Ferne von der Geliebten zu ersehnter Nähe umgewandelt.
Da diese Absicht natürlich die Wirklichkeit nur kurzfristig verdrängt, lässt die Frustration des Taugenichts nicht lange auf sich warten; traurig (82) steckt er seine Geige ein und legt sich auf der Türschwelle schlafen. Was nun passiert, durchzieht die Erzählung wie ein roter Faden. In den Momenten größter Verzweiflung sucht der Taugenichts Trost in Gottes Natur:
“Die Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Haus dufteten lieblich, eine Wasserkunst weiter unten im Garten plätscherte immerfort dazwischen. Mir träumte von himmelblauen Blumen, von schönen, dunkelgrünen, einsamen Gründen, wo Quellen rauschten und Bächlein gingen, und bunte Vögel wunderbar sangen, bis ich endlich fast einschlief.” (82)
Das Bildverfahren, das der Ich-Erzähler hier bemüht, ist dem aufmerksamen Leser bestens vertraut. Ausgehend von den Geruchs- („duftenden”) und Geräuscheindrücken („plätscherte”) seiner unmittelbaren Umgebung, die er mit geschlossenen Augen wahrnimmt, fantasiert sich der Taugenichts an einen paradiesischen, von Menschenhand unberührten Ort, an dem ihn nur Harmonie umgibt und alles, was diese stört, ausgeschlossen ist. Und bezeichnenderweise „schläft” er erst dann „fest ein”, als er diesen Punkt innerer Ruhe und Ausgeglichenheit erreicht hat.
Die Enthüllung dieser Kette von Selbsttäuschungen vollzieht sich am Schluss des Szene in drei Schritten. Die Vögel, denen sich der Taugenichts, der selbst am liebsten „ein Vögelein wär”, in einem besonderen Maß verbunden fühlt, sind es zunächst, die vorhersagen, was kommen wird. In ihrem Zwitschern vermeint der Taugenichts zu vernehmen, dass sie ihn für einen „Narren” halten. (82-3) Aus dem Haus dringt immer noch kein Laut nach draußen. Als er schließlich durch die Jalousien blickt, bringt ihn der Anblick des offensichtlich seit Jahren unbewohnten Hauses schier aus der Fassung:
„-Da überfiel mich ein ordentliches Grausen vor dem einsamen Hause und der gestrigen weißen Gestalt. Ich lief, ohne mich weiter umzusehen, durch die stillen Lauben und Gänge und kletterte geschwind wieder an dem Gartenthor hinauf.” (82-3)
Das „Grausen”, an das sich eine kopflose Flucht anschließt – E. A. Poe spricht an analogen Stellen stets von „horror”, was noch viel besser verdeutlicht, was Eichendorff hier meint – markiert dem kritischen Punkt, an dem das Subjekt in der romantischen Schauerliteratur in der höchsten Gefahr ist, im nächsten Augenblick verrückt zu werden, man denke nur an den Nathanael aus Hoffmanns Sandermann. Hier stellt sich natürlich die Frage, weshalb der Taugenichts seine geistige Klarheit behält. Das hat wohl zweierlei Gründe. Zum einen verhindert die buchstäblich felsenfeste Religiosität des Taugenichts, sich in die Abgründe seiner selbst zu verrennen, weil er nicht sich, sondern Gott als das absolute Maß der Dinge ansieht. Zum anderen ist seine poetische Einbildungskraft so beschaffen, dass er sich von einem Moment auf den nächsten neu orientieren kann und dabei das Vergangene völlig hinter sich lässt:
„Aber da blieb ich völlig verzaubert sitzen, als ich auf einmal von dem hohen Gitterwerk in die prächtige Stadt hinunter sah.“ (83)
Der Riss, den der eine Augen-Blick, der Blick durch die Jalousien des verwaisten Hauses, in seinem Inneren hinterlässt, wird durch die Poesie des nächsten, durch den Anblick Roms in der Morgensonne, wieder gutgemacht. Der Schluss der Gartenszene veranschaulicht, mit welch traumwandlerischer Sicherheit der Taugenichts das Grauen kanalisieren kann. Überstrahlt wird der Schluss zudem noch vom Aurora-Motiv, das in Eichendorffs Gesamtwerk leitmotivisch immer wiederkehrt. Die Morgensonne ist die Allegorie Auroras, der Göttin der Morgenröte. Sie verheißt Aufbruch und Optimismus. Alle entscheidenden Aufbrüche des Taugenichts, von zu Hause, vom Schloss bei W., non Italien, finden am Morgen statt, stehen also im Schutz Auroras und verheißen dadurch Gutes.[61]
In Eichendorffs vorerwähnte Naturdarstellung ist demnach, häufig die Stimmung des Helden zu beobachten. Um die anzutreffenden Stimmungen in Betracht zu ziehen, braucht man denn die Hauptpersonen charakterisieren. Eine solche Analyse steht wohl im nächsten Abschnitt meiner Diplomarbeit.
3. Charakterisierung der Hauptpersonen:
a. Hauptperson: der Taugenichts
b. Gegensatz zwischen Künstler und Philister
(Der wahre Lebenskünstler u. die Philister - Predigt)
c. Hauptperson: Florio (Marmorbild)
d. Der Taugenichts als:
i. Romantiker
ii. Antiheld
iii. gesellschaftlicher Außenseiter
iv. Gottes- und Sonntagskind
v. Enthusiast
e. Vergleich:
(Taugenichts)
i. Student (Taugenichts) – Philister (Portier)
(Marmorbild)
ii. Fortunato – Donati
(Taugenichts / Marmorbild)
iii. Aurelie – Bianka.
Im folgendem gehe ich im einzelnen auf die zweite wichtigste Frage der Stimmung der Helden in beiden Büchern Eichendorffs ein, die sich für Hauptthema in meiner Diplomarbeit stellen.
a. Hauptperson: der Taugenichts: Da die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” als Ich-Erzählung dargeboten wird und schon im Titel ankündigt, dass sie Teil einer Lebensgeschichte ist, darf man in dem ebenfalls schon im Titel genannten Taugenichts von vornherein die Hauptperson der ganzen Geschichte vermuten[62]. Dagegen erkennt man erst im Laufe der Lektüre, dass von den beiden Damen, die ihn in ihrem Reisewagen mitnehmen, jene, die besonders schön und jünger als die andere (6) war, die zweite Hauptperson ist, deren wahre Identität erst auf der letzten Seite deutlich gemacht wird. Der Titel bleibt namenlos und wird nach einem Schimpfwort benannt, mit dem der Vater seinen Sohn anredet, ehe er ihn aus dem Haus wirft. Der Sohn lehnt sich in keiner Weise auf und leitet aus der Charakterisierung als Taugenichts lediglich den Entschluss ab: „[…] so will ich in die Welt und mein Glück machen” (5). Auf diese Weise wird er das Schimpfwort „TAUGENICHTS”[63] mit neuem Inhalt füllen. Er taugt auf andere Weise, als er der Vater erwartet.[64] Die zweite Hauptperson ist jene liebe schöne gnädige Frau (23), die zusammen mit einer älteren vornehmen Dame zu dem Adelsitz in der Nähe von Wien reist und zunächst Bedenken hat, den Taugenichts mitreisen zu lassen. Sie ist häufige Begleiterin der Gräfin. Mit ihr zusammen besucht sie Flora, die Tochter der Gräfin, in der Pension; später reist sie mit der Gräfin nach Rom und wieder zurück. Sie ist offensichtlich in der Hofgesellschaft geschätzt, nimmt an Ausflügen teil und wird an ihrem Geburtstag geehrt. Im strengeren Sinne gehört sie jedoch nicht zur Adelsgesellschaft. Ihr Name ist Aurelie; sie ist „arme Waise“, wurde von ihrem Onkel, der im Schloss als Portier angestellt ist, schon als Kleines Kind aufgenommen und mit den gräflichen Kindern aufgewachsen. Wie im Märchen heiratet sie am Ende den einstigen Gärtnerburschen, den Taugenichts, für den sie etwas übrig hat, seit er bei ihrer Herrschaft angestellt worden ist. Für beide bedeutet das sozialen Aufstieg, aber auch Einbindung in die Gesellschaft und – märchenhaften Schluss einer verwickelten Liebesgeschichte.[65]
Um die Hauptperson Florio (im „Marmorbild”) zu dem ein Diener gehört, sind in symmetrischer Weise die übrigen Figuren angeordnet, Fortunato und Bianka einerseits, Donati und Venus andererseits. Während auf der einen Seite Fortunato die auffälligere Person ist, dominiert auf der anderen Venus. Fortunato und Bianka (und deren Onkel Pietro, eine Nebenfigur) vertreten das Gute, Donati und Venus die Versuchung, das Böse. Durch die Namengebung der Personen wird unterstrichen, dass diese einen symbolischen Charakter haben und großenteils schwarz oder weiß gezeichnet sind. Ihr Äußeres ist nur allgemein beschrieben, in Konturen (blühende Gestalt, schöne Augen u. a.), sodass für die Fantasie des Lesers Raum bleibt diese auszufüllen, sie plastisch zu gestalten. [66]
Die Frage, die zuerst vorkommt, würde „Ist der Taugenichts ein Taugenichts?” sein. Sehen wir mal:
Jung, gut aussehend und von unbeschwerter Fröhlichkeit: so stellt Eichendorff seinen Helden dar. Kein Leser wird ihm die Sympathie verweigern, obwohl er häufig ungeschickt und nicht mit großen Geistesgaben gesegnet ist. Die Bezeichnung „Taugenichts” befremdet jedoch zunächst. Ist eine solche Charakterisierung berechtigt, oder zeigt sie vielleicht die Andersartigkeit?
„Du Taugenichts! Da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und läßt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Türe, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.“ (5)
Der Schimpfnahme „Taugenichts” wird durch die ganze Novelle beibehalten, einen Vor- oder Familiennamen erfährt der Leser nicht. Dem Taugenichts selbst ist der Hinauswurf aus der väterlichen Mühle recht lieb, mit regelmäßiger Arbeit hat er nicht viel im Sinn; so freut er sich, dass er ins freie Feld hinauskommt, während die Dorfbewohner wie gestern und vorgestern und immerdar zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen. (5) Ganz im Gegensatz zum weinseligen Maler Eckbrecht, der den Taugenichts als ein vazierendes Genie (78) feiert, kann und will die bäuerlich-bürgerliche Umwelt nicht verstehen, dass sich jemand nicht durch die Arbeit, die Zeit reglementieren lassen will, sondern selbst darüber bestimmen möchte, nicht leben will um nur zu arbeiten, sondern arbeiten um mit Freude leben zu können. Wenn sich der Taugenichts in der Sonne räkelt und träumt, sich an der Natur erfreut, mit keinem oder wenig Geld geigend und singend über die Landstraße zieht, wie ein ewiger Sonntag im Gemüte (6), äußert er eine andere Vorstellung von prächtigem Leben, von Glück als seine Kritiker, etwa der ihn mahnende Gärtner:[67]
„[…] wie ich nur fein nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt ich es mit der Zeit auch einmal zu was Rechtem bringen. (8)”
Recht fleißig Lieder verfassen und auf der Geige spielen bedeutet für des Taugenichts’ Umwelt nicht arbeitsam sein. Etwas taugen heißt hier immerfort wie der Perpendikel einer Turmuhr in der Halle auf und ab (8) wandeln – also fast unendliches, monotones Tätigsein, stumpfsinniges, mechanisches Funktionieren, nur mit der Aussicht auf kargen Lebensunterhalt, eine mehr oder weniger bescheidene Stellung, in einigen Fällen durch Staatskleider herausgehoben) ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Hüften übergehängt mit einem oben versilberten Stabe in der Hand. (8) Für den Taugenichts gehört zu einem wirklichen Leben jedoch nicht nur das Materielle, sondern auch ruhig […] herumspazieren können und vernünftig diskurrieren, wie die Herren und Damen (9), die dies alle Tage tun –also zumindest ab und zu Muße während der Arbeit haben, sich auf sich selbst besinnen und diskutieren können. Die Reaktion des Taugenichts zeigt, dass der Vorwurf der Faulheit nicht ganz zutreffen kann. Er akzeptiert den Rauswurf als Gelegenheit, in der Welt sein Glück zu machen (5). Die Märchen-Formulierung bedeutet, dass er seinem Vater nicht mehr auf der Tasche liegen, sondern auf eigenen Beinen stehen will. Er gibt die Bequemlichkeit auf, die sich ein echter Faulpelz sicherlich bewahrt hätte. Der Verlauf der Handlung bestätigt, dass der Taugenichts kein Nichtstuer ist. Nie bettelt oder stiehlt er, nie fällt er anderen zur Last, immer verdient er seinen Lebensunterhalt selbst. Er ist Gärtnergehilfe und Zolleinnehmer, er musiziert und sitzt einem Maler Modell. Er tritt als Diener in die Dienste von Leonhard und Guido, die auch den größten Teil seiner Reise finanzieren, als sie sich getrennt haben. Das Geld, das sie ihm schenken, und der kostenlose Aufenthalt auf dem italienischen Schloss gebührt dem Taugenichts, weil er ungewollt die Verfolger auf sich zieht. Als er ihm dort langweilig wird, hilft er in der Gärtnerei nach, was der Rolle der verkleideten Adeligen nicht entspricht, die er ohne sein Wissen spielt.[68] Von der Rückreise erzählt er, er habe sich unterwegs mit der Violine durchgeschlagen. (81)
Als Faulpelz ist der Taugenichts nicht richtig charakterisiert, eher als Glückspilz.[69] Seine Lebenslust spiegelt eine Welt, die als Schöpfung nach christlicher Übersetzung eine sinnvolle Ordnung hat. Dieses Vertrauen wird gerechtfertigt, denn die Abenteuer führen zu einem glücklichen Ende. Seine Wünsche und Erwartungen lenken seine Gedanken so, dass alles, was geschieht, als Zeichen eines künftigen Glücks angesehen wird. So wird er im doppelten Sinn zu einem wahren Lebenskünstler:
Nicht Pflicht und Arbeit bestimmen sein Leben, sondern Phantasie, Freiheit, und Kunst. Sein wichtiges Attribut ist die Geige, die er streicht, um fleißig Gott [zu] loben (51), aber auch um den Leuten zum Tanz aufzuspielen.[70] Auch dieser Sänger ließ sich nicht mit den Maßstäben der Arbeits- und Erwerbswelt messen. Die Tüchtigkeit der Künstler, so lautet die These, ist anderer Art als die der Bauern, Arbeiter und Beamten. Folgerichtig muss daher die Bezeichnung „Taugenichts“ für einen Vertreter dieses Standes und dieser Lebenskonzeption als völlig unangemessen zurückgewiesen werden. Nur voller Ironie übernimmt der selbstbewusste Künstler das Wort zur Selbstcharakterisierung und erwartet von jedem Verständigen, dass er in Gedanken ein „angeblich“ davorsetzt.[71]
In der Lebensart kommen die Künstler den Studenten am nächsten. Als sich der junge Taugenichts seinem Landsmann in Rom etwas genauer vorstellt und erklärt, dass er herumreise, „um die Welt zu sehen“, sagt dieser:[72] „da haben wir ja ein Metier. Das tu ich eben auch, um die Welt zu sehen, und hinterdrein abzumalen“ (64).
Kunst soll Ausdruck menschlicher Freiheit sein, zweckfrei und nicht auf Nutzen ausgerichtet. Beispielhaft verhält sich der Taugenichts unterwegs:
„Ich befahl mich daher Gottes Führung, zog meine Violine hervor und spielte alle meine liebsten Stücke durch, dass es recht fröhlich in dem einsamen Walde erklang.“ (30)
Von Gott geleitet und Gott zu Ehren musiziert er auf seinem Instrument. Er ist auf Verdienst aus und nicht von einem Publikum abhängig. Da er im Einklang mit sich und seinem Schöpfer ist, klingt fröhlich, was er spielt. Kunst ist ein Ausdruck von Lebens- und Daseinsfreude.[73]
Gegensatz zwischen Künstler und Philister: Wie ich schon in der Einleitung dieser Diplomarbeit erwähnt habe, die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ kritisiert einen Menschentypus, den die Romantiker Philister[74] genannt haben. Der Begriff fällt im text nie, bezeichnet aber den Gegensatz zum Taugenichts. Als Philister schildert Eichendorff den Portier, der kein Verständnis dafür hat, dass der Taugenichts die Kartoffeln und das Gemüse herausreißt und dafür Blumen pflanzt. Dieses Verhalten ist symbolisch gemeint: Der Philister würde das Nützliche dem Schönen vorziehen, er handelt nicht spontan nach der Stimme seines Herzens, sondern überlegt, was „etwas bringt“. Als der Taugenichts die Jägerei rühmt, gibt der Portier zu bedenken, wie wenig sich rentiert und welche Krankheiten nasse Flüsse verursachen. Er kann sich für nichts begeistern, achtet wehleidig auf seine Gesundheit und misst alles am Maßstab des Geldes. Seine Sesshaftigkeit und Bequemlichkeit, die im körperlichen wie im geistigen Sinne gilt, steht so stark im Kontrast zum Fernweh und zur Wanderlust des Taugenichts, dass dieser ihn vor Zorn sogar prügeln möchte.[75]
Es ist kein Zufall, dass Eichendorff den Taugenichts, als er der Versuchung fast erlegt, zum Philister zu werden, Schlafrock, Schlafmütze und Tabakspfeife ausstattet (15). Es sind typische Merkmale des Philisters. [76] Am deutlichsten fällt die Philister-Predigt des Gärtners aus, die Anweisungen enthält, wie der angepredigte Taugenichts nur nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt ich es mit der Zeit auch einmal zu etwas Rechtem bringen. (8). Diese Rede fasst in Kurzform das Lebenskonzept zusammen, das dem des Taugenichts entgegengesetzt ist und von dessen Prinzipien her der Müllerssohn zum Taugenichts erklärt wird. Ziel dieser Lebensauffassung ist, es zu etwas Rechtem [zu] bringen. Gemeint sind Haus, einträgliche Stellung, Familie, Arbeit, Ordnungssinn, ausgedrückt in den bürgerlichen Tugenden Fleiß, Sparsamkeit, Zuverlässigkeit, sind Lebensgrundlage. Von Glück ist hier nicht die Rede; vor Reisen in die weite Welt wird gewarnt; Künste gelten als brotlos; Blumensträuße zu binden und zu offerieren dürfte in die Kategorie „unnützes Zeug“ fallen.
Sehr deutlich setzt sich der Ich-Erzähler von diesem Konzept ab. So hübsche, gutgesetzte, nützliche Lehren (8) kann er nur in ironischer Distanz aufzählen. Er selbst hält möglichst Abstand von den Vertretern dieser Art, zu denen außer dem Gärtner auch der Portier und der Herr in Staatskleidern (7) mit einer außerordentlich langen gebogenen kurfürstlichen Nase im Gesicht (7) und eben auch sein Vater, der Müller, gehören. Sie alle sind für ihn, zusammengefasst, Philister, eine Menschenart, für die die Romantiker nur Spott und Verachtung übrig hatten.[77]
c. Hauptperson: Florio (Marmorbild):Ein weiterer Gesichtspunkt für Eichendorffs Heldenstimmung ist die Hauptfigur Florio im „Marmorbild“. Der Name kommt von lat. florere (= blühen) und ist vom Autor vermutlich gewählt worden um einmal den schönen Jüngling (5), die junge, blühende Gestalt (7) auszudrücken, zum anderen besagt er, dass Florio innerlich auf dem Weg ist vom unschuldigen jungen Poeten zum gereiften, gefestigten Sänger.[78] E. Schwarz[79] sagt dass Eichendorff die Namen seiner Novellen erst im letzten entwurffsstadium vor dem Druck geändert hat: Aleßandro mag Florio [...] heißen, (HKA V/2 84).[80]
Auf dem Lande in der Stille aufgewachsen (6) hat er sich auf Reisen begeben um alte Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen, die ihn überkamen, wenn der Frühling wie ein zauberischer Spielmann durch unsern Garten ging von der wunderschönen Ferne verlockend sang und von großer, unermeßlicher Lust. (6)
So fühlt er sich nun in Italien, im Land der Poesie, frei – auch von bürgerlichen Geschäften,[81]wie aus einem Gefängnis erlöst. (5) Er hat schon als Sänger versucht, sieht sich jedoch im Vergleich mit den alten großen Meistern bescheiden wie ein schwaches, vom Winde verwehtes Lerchenstimmlein unter dem unermeßlichen Himmelsdom. Infolge seiner Kindheitssehnsüchte, seiner poetischen Veranlagung[82], seiner Jugend ist Florio sensibel für die wunderschöne Frühlingslandschaft, ihre feinen Düfte und leisesten Regungen, aber auch für die anmutige Bianka. Zunächst noch scheu, still und schüchtern (7-8), nimmt ihm die abendliche Festgesellschaft, in die ihn Fortunato eingeführt hat, bald alle blöde Bangigkeit von seiner Seele. (8) Er wird fast träumerisch still vor fröhlichen Gedanken (8), mutig gegenüber Bianka mit seinem Trinkspruch, seinen bittenden Augen, seinem Kuss, stürzt anschließend hastig und verwirrt sein Glas hinunter. (9) Im Kreis der fröhlichen Gesellschaft lieblich gefangen (8), erliegt er allmählich der gaukelnden Zauberei (12) der Musik, des Gesangs, der schönen Nachbarin, erinnert sich nicht mehr, dass ihn Fortunato vor einem Tannhäuser-Schicksal gewarnt hat, beachtet nicht des Sängers vernehmbaren Hinweis auf der Venus’ Zauberring und den Todesboten.
Die Lust klingt bei ihm nach, er kann lange nicht einschlafen – in seiner von den Bildern des Tages aufgeregten Seele wogte und hallte und sang es noch immer fort (15); Bianka erscheint ihm in der Gestalt von Sirenen, die wunderbar traurig und ohne Ende singen, sodass sein Schiff mit schwanenweißen Segeln langsam tiefer sinkt, er auf dem mondbeglänzten Meer einsam untergeht und daher erschrocken aufwacht (15).
Durch das geöffnete Fenster meint er die Gegend wie die Sirenen singen zu hören und kann der Versuchung nicht widerstehen (15) aufzubrechen – trotz der Untergangsvision. Am eingeschlafenen Diener[83] vorbei begibt er sich aus dem Haus, wandelt fröhlich durch die Nacht, in ihm noch ein heimlich Singen von des Tages Glanz und Lust, berauscht vom Mädchen. (16)
Doch Florios nachträumendes Herz hat unter dem Eindruck der Stille des wandelden und verwandelten Mondes sich wundersam verändert: das zierliche Mädchen ist jetzt ein viel schöneres, größeres und herrlicheres, wie er es noch nirgend gesehen. (17)
So ist Florio auf die Begegnung mit dem Marmorbild der Venus auf vielerlei Weise eingestimmt. Wie die Sirenen im Traum vom mondbeglänzten Meer scheint nun das Venusbild aus dem Weiher aufgetaucht zu sein. Die schwanenweißen Segel kehren wieder in den Schwänen, Boten des Todes, und im Weiß der Venus.
Die sich belebende Venus scheint Florio als Ziel seiner Sehnsucht, als Wunderblume[84], sodass er – wie eingewurzelt im Schauen – die Augen lange geschlossen vor Blendung, Wehmut und Entzücken (17) hält. Als ihm einige Momente später, beim Öffnen der Augen, Venus wie tot vorkommt, flieht er entsetzt:
„Ein nie gefühltes Grausen überfiel da den Jüngling […] auch das Rauschen der Bäume kann ihm nun wie ein verständiges, vernehmliches Geflüster vor, und die langen, gespenstischen Pappeln schienen mit ihren weitergestreckten Schatten hinter ihm dreinzulangen.“(17)
Am folgenden Morgen sieht Florio blässer als gewöhnlich und angenehm überwacht aus (18), zeigt sich verschämt gegenüber Fortunato, verletzt durch dessen kecke Lustigkeit, dessen Spott über Gefühlsduselei. Unter Tränen entgegnet Florio:
„[…] es gibt noch sanfte und hohe Empfindungen, die wohl schamhaft sind, aber sich nicht zu schämen brauchen, und ein stilles Glück, das sich vor dem lauten Tage verschließt und nur dem Sternenhimmel den heiligen Kelch öffnet wie eine Blume, in der ein Engel wohnt.“(19)
Diese Aussage zeigt, dass Florio etwas anderes unter Glück versteht als Venus, nicht nur Oberflächlichkeit, sondern Tiefe der Gefühle –ein wichtiger Grundstein[85] für seine spätere Erretung.
Aber im Augenblick kann er nicht einmal durch den sonst erlösenden Morgen von den Erscheinungen der Nacht in seiner Seele (19) befreit werden. Er scheint mit demBösen zuzugehen, es fehlt das Gebet aus Heryengrund. (19) Er gleicht einem Nachtwandler, sieht in seinen Tagträumen das wunderschöne Marmorbild mit neuer, unwiderstehlicher Gewalt aus dem magischen Kreisen der Sterne heraufsehen (20). Er verirrt sich in dem Lustgarten der Venus, fühlt sich hier in einer versunkenen Welt[86]:
„[…] es war ihm, als sei das alles lange versunken, und über ihm ginge der Strom der Tage mit leichten, klaren Wellen, und unten läge nur der Garten gebunden und verzaubert und träumte von dem vergangenen Leben. (21)
Florio, in diesen Träumen auch Erinnerungen an die Vergangenheit aufsteigen, meint nun den Ursprüngen nahe zu sein, ein stilles Glück, das sich vor dem lauten Tage verschließt (19), vor sich zu haben. Für den Engel des heiligen Kelches (19) hält er die hohe, schlanke Dame von wundersamer Schönheit (21) mit den Zügen des schönen Venusbildes.
In blühende Träume versunken (22, vrgl: 36) sieht er sie untergehen, ihn rufend ihr zu folgen. Die entschwundene Venus bewegt ihn jetzt tief, das Versprechen Donatis ihn zu ihr zu fühlen lässt Florio sich unbeschreiblich wohl fühlen (24): […] der stille Weiher plötzlich verwandelt zur unermeßlichen Landschaft, die Sterne darin zu Blumen und der ganze Frühling ein Bild der Schönen. (24)
Hier liegt ein Bild der Entgrenzung vor. In unbekannten Frauengestalten glaubt Florio nun die wunderbare Schöne wiederzuerkennen[87], sie deutlichseinen Namen nennen zu hören. (24)
Am nächsten Morgen zeigt sich Florio von seinen Traumblütenbefreit, vergnügt. Zum Leidwesen Donatis geht er, weil Sonntag ist – Tag des Herrn -, nicht mit auf die Jagd, sieht Wälder und Felder so geschmückt […] zu Gottes Ehre, als zögen Engel durch das Himmelblau über sie hinweg – so still, so feierlich und gnadenreich ist diese Zeit! (25)
Auch besucht er die Kirche, jedoch mit dem heimlichen Wunsch sie Schönste (26) zu sehen. An dieser Stelle wird augenfällig, dass Florio zwar einerseits weiterhin die Schöne sucht, sie sich immer schöner ausmalt um sich narzisstisch noch stärker an ihrem Bild berauschen zu können, doch andererseits darüber seine frommen Gefühle nicht verloren hat, sodass er später in der Situation höchster Gefährdung durch ein altes, frommes LiedFortunatos angesprochen und dadurch befreit werden kann. Zudem verdeutlicht diese Stelle, dass Florio der Venus’ heidnisches Wesen noch nicht erkannt hat, da er annimmt sie vielleicht im Gottesdienst anzutreffen.
In Pietros Landhaus eingeladen sieht er - bald auf einem Meer von Lust (27) – neben oder hinter Bianka immer wieder als Doppelbild (28, 31) die Gestalt der Venus, sodasss er Bianka kalt und fremd erscheinen muss. Wie bei der ersten Begegnung mit dem Marmorbild kommt ihm die wunderbare Schöne auch jetzt auf einmal bleich und regungslos (32) vor. Er ist wie festgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen Grauen (32), bis er durch Fortunatos Rufen aus seinen Träumen geweckt wird.
Die vom Liebeskummer gezeichnete Bianka macht Florio fast betroffen, etwas wehmütig in Erinnerung an die erste Begegnung mit ihr, doch hört er aus ihren warnenden Visionen nur das Wort Marmorbild heraus – ist erschreckt und zerstreut. Sein Herz war so voll und gepreßt und doch so überselig (34), dass er allein in die Stadt zurückreitet – durch eine Gegend, die ihm unkenntlich und still wie eine wunderbar verschränkte Hieroglyphe (34) erscheint – und auf seinem Bett wie ein Fieberkranker in die wunderlichsten Träume (34) versinkt. Mehrere Tage später ist Florio bei Donati innerlichst vergnügt, denn er gedachte im stillen immerfort der schönen Frau (35), fährt aus dem träumerischen Schauen, in das er versunken stand, als ihm dieser mitteilt, dass sie die Schöne besuchen würden.
Am Schloss angelangt schlägt Florios Herz laut vor Entzücken und Erwartung (36); durch den Bau und dessen Verzierungen sieht er seine Seele mit einer unbeschreiblichen Heiterkeit (36) erfüllt, seine Blicke schweiften wie geblendet über die bunten Bilder, immer mit neuer Trunkenheit wieder zu der schönen Herrin des Schlosses zurückkehrend. (37)
Von dieser so unbeschreiblich lieblich angeblickt, daß es ihm durch die innerste Seele ging (37), lässt sich Florio in eines der prächtigsten Gemächer führen, ist dort mit ihr allein – sozusagen im chambre séparée – und betrachtet mit flammenden Augen (38), wie Venus immer schönere Formen einmal enthüllt, einmal verbirgt.[88]
In diesem Augenblick, als Florio genau wie Donati blickt[89], ertönt Fortunatos wunderschöner Gesang im Garten: ein altes, frommes Lied, das er in seiner Kindheit oft gehört. (38) Dadurch wird Florio aus der Venus’ Liebesnetz befreit[90] sieht sie nicht mehr als etwas Einzigartiges, sondern in allen Damen und Wandmalereien wiederkehren und es wird ihm plötzlich bewusst, dass er in seiner frühen Kindheit im Lusthaus des elterlichen Gartens die gleiche wunderschöne Dame auf Bildern dargestellt gesehen hatte (da dachte ich nicht, daß das alles einmal lebendig würde um mich herum, 39).
Durch diese Erinnerung wird Florio nochmals im Meer von Stille, in dem das Herz vor Wehmut untergehen möchte (39), gefährdet. Doch als Venus diesen Augenblick nutzt Florios Locken zu streicheln, tritt er ans offene Fenster, hört erneut Fortunatos Gesang, kommt sich auf einmal so entfremdet vor (so fremd und wie aus sich selber verirrt, 40), dass er leise aus tiefstem Grund der Seele (40) Gott anruft und bittet ihn nicht untergehen zu lassen.
Dieses Gebet bewirkt, dass sich von einem Fenstergesimse zischend eine Schlange mit gründlichgoldenem Schweife den Abgrund hinunterstürzt und die schöne Dame während eines Gewitterblitzes starr, mit geschlossenen Augen und ganz weißem Antlitze […] vor ihm (40) steht. Im Schreck stößt Florio eine der Statuen an, welche die Regung an alle anderen weitergibt, sodass alle lebendig wirken, während Venus bleicher und bleicher (41) wird. Florio sieht die Blumen sich in Schlangen verwandeln, die steinernen Bilder auf ihn eindringen, sodass ihn ein tödliches Grauen erfasst, ihm die Haare zu Berge stehen, alle seine Sinne (41) vom Grauen überwältigt sind und er nach draußen flüchtet, wo er auch Fortunato für ein verwirrendes Blendwerk der Nacht (41) hält.
Am beginnenden Morgen Donatis Landhaus suchend findet er an dessen Stelle nur eine niedere Hütte, jedoch ganz von Weinlaub überrankt[91] und auf dem Dach Tauben.[92]
Dem Gärtner, der mit einem Lied aus dem Haus tritt und zu einem Frisch auf! Auffordert, kommt Florio so verworren, wohl wahnsinnig vor, dass er seinen Gesang abbricht. Erst als des Gärtners Tochter Florio mit verwunderten Augen anblickt, kommt er allmählich zu klarem Bewusstsein: Mein Gott! Wo bin ich denn so lange gewesen! (42) Er eilt in seine Herberge, verschließt sich in seinem Zimmer – noch einmal unendlich wehmütig, mit der Sehnsucht, hier zu sterben (42). In unseligem Brüten und Träumen blieb er den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht hindurch. (42)
Am darauf folgenden Morgen befindet er sich vor den Toren Luccas, von seinem getreuen Diener (Gewissen) dazu bewogen, diese Gegend gänzlich zu verlassen. (43)
Florio trifft Fortunato, Pietro und die als Junge verkleiderte Bianka; eingeladen sie zu begleiten, kommen sie an der Ruine des Venustempels vorüber. Florio schauerte innerlichst zusammen (43), Fortunato jedoch singt mit seiner klaren, fröhlichen Stimme in die heitere Morgenluft hinaus (43) das Lied von der Venus und ihrer Bezwingung durch Maria.[93] Nach seinem Hinweis, dass durch himmlisches Erbarmen der Mensch aus seinen bösen Träumen erwache, die Seele sich wie eine Lerche aus schwülen Zaubers Kluft (46) in die Morgenluft erhebe und seiner Erklärung des teuflischen Blendwerks schüttelt Florio, als die Sonne gerade aufgeht, alle Schwüle von sich ab, begrüßt mit heller Stimme das Licht, seine Freiheit und bittet Gott nicht ihm zu lassen.
Nach allen heftigen Gemütsbewegungen fühlt Florio bald eine stillklare Heiterkeit über die Seele (47) kommen, innerlichst erquickt (47), sieht sich wie neu geboren (48) und daher mit Erstaunen die Welt um sich herum, nachdem eine seltsame Verblendung [...] bisher seine Augen wie mit einem Zaubernebel umfangen hatte (48). Er erkennt nun Bianka im verkleideten Knaben und ist überrascht, wie schön sie ist. Sie erscheint ihm nun – dem Bild Mariens gleich und dem der sonntäglichen Natur – wie ein heiteres Engelsbild auf dem tiefblauen Grunde des Morgenhimmels (48)[94], wie eine Erlöserin (es ist mir, als würde noch alles gut werden, seit ich Euch wiedergefunden, 48=, sodass er ihr anträgt, niemals auseinander zu gehen.
Der Morgen macht das Glück vollkommen, verdeutlicht den erfüllten Augenblick: Unzählige Lerchen sangen schwirrend in der klaren Luft (48) – Zeichen der befreiten Seelen, die sich erheben, Ausdruck der Verbindung zu Gott.
So, mit der vorerwähnten Analyse, lässt sich die Stimmung Florios feststellen.
Eichendorff stellt dem Leser mit seiner Titelfigur gewissermaßen den Prototypen eines Romantikers vor, ohne dass auch nur an einer einzigen Stelle explizit erklärt wird, was man sich denn nun genau unter einem Romantiker vorzustellen hat.[95]
Im folgenden möchte ich den Taugenichts als Romantiker, Antiheld, gesellschaftlicher Außenseiter, religiöser Mensch und Enthusiast aufzeigen.
i. Romantiker: Der Taugenichts, der auch die Rolle des fiktiven Ich
Erzählers innehat, schildert die Welt aus seiner Sicht. Der Leser schaut dadurch buchstäblich durch die romantische Brille und so sieht er, wie ein Romantikes lebt, denkt, fühlt und handelt. Da der Taugenichts an manchen Stellen auch genauer darauf eingeht, wie er auf seine Umwelt wirkt, kann der Leser daran ablesen, worin genau die Abweichung des Romantikers von der gesellschaftlichen Norm besteht, die er kritisiert.
Eichendorffs Titelfigur trägt den Schimpfnamen eines „Taugenichts“ buchstäblich von der ersten Seite an. Wir erfahren seinen richtigen Namen nie. Das negative Attribut, mit dem Eichendorff seine romantische Vorbildfigur benennt, hat um 1800 einen entscheidenden Bedeutungswandel durchlebt.
Als Taugenichts wird in der Zeit der Aufklärung derjenige deklariert, der seine alltäglichen Pflichten vernachlässigt und folglich der Gesellschaft zu nichts Nutze ist, weil er nicht zum Gemeinwohl aller beiträgt. Der hier anklingende Utilitarismus war eine weit verbreitete Lehre, die besagt, dass ausschließlich der gesellschaftliche Nutzen Grundlage und Zweck allen menschlichen Handelns sei. Vor allem gegen solche spießbürgerlichen Ansichten – jedoch nicht gegen die Aufklärung im Allgemeinen (!) – sind die Dichter der Romantik ins Feld gezogen. In seinem Taugenichts kritisiert Eichendorff die kleinbürgerliche Gesinnung, die dazu neigt, Mitmenschen, die von der Norm abweichen, als negativ abzustempeln und im sozialen Ansehen an den Rand der Gesellschaft zu drängen.
Zu Hause ist er als Faulenzer bekannt, vor ihm zieht niemand den Hut, obwohl er den Sohn eines Müllers ist und Müller gemeinhin als wohlhabend gegolten haben. Als er schließlich in die Welt zieht, kümmerte sich eben keiner sehr darum (8). Er kommt weder als Gärtner noch als Zolleinnehmer zu sozialem Ansehen. Und doch erlangt er am Ende ein Vermögen, das ihn wirtschaftlich weitgehend unabhängig macht. Dieses Geschick erfährt er, weil er bedingungslos liebt. Er lebt dem Leser vor, wofür ein nonkonformistischer Mensch empfänglich ist und beweist, dass auch der sein meterielles Glück machen kann, der nach immateriellem strebt. Das lässt die Kleinbürger natürlich in schlechtem Licht erscheinen. Da sie ihn wegen ihres Nützlichkeitsdenken – allen voran sein Vater, der ihn aus dem Haus wirft – längst aufgegeben haben, erweisen sie sich als intolerant und borniert. Durch eine solche Haltung heimsen sich die Durchschnittsbürger von den Romantikern ihrerseits eine Art Schimpfwort ein.[96]
Der Taugenichts – der neue Troubadour aus armer Müllersfamilie – ist vor allem ein poetischer Mensch, weil er im Gegensatz zu den (Spieß-)Bürgern um ihn her, die nur den Verstand gelten lassen, Fantasie und Gefühl zeigt. Er ist nicht nur ein poetischer Mensch, sondern zudem die Verkörperung der Poesie selber, wie sie sich die Romantiker vorstellten: volksnah, einfach und schlicht, aus einfältigem Herzen, aus naiver Religiosität. Der unverbildete Müllerssohn dokumentiert den wahren Ursprung der Poesie aus dem Volke selber.
Die Hauptpersonen literarischer Werke werden gemeinhin als „Helden“ bezeichnet. Um als „Held“ zu gelten, muss die entsprechende Figur sich nicht notwendigerweise auch „heldenhaft“ verhalten. Sie trägt diese Bezeichnung bereits dann zu Recht, wenn sie die fiktiven Handlungsabläufe, in die sie eingebunden ist, nachhaltig und aktiv prägt. In der Regel verfolgt ein „Held“ darüber hinaus ein bestimmtes Ziel, dass er mit den ihm zur Verfügfung stehenden Mitteln zu erreichen sucht und dem er sich folglich in seinen Handlungen und Motivationen unterordnet.
ii. Antiheld:Eichendorffs Taugenichts dagegen lebt, das zeigt gerad der Anfang des Textes sehr anschaulich, einfach so in den Tag hinein. Er verfolgt keine konkreten Ziele, er entwirft keinen Lebensplan, entwickelt keinerlei Zukunftsperspektiven. Jeweils der nächste Augenblick ist ihm der wichtigste, nach Selbstverwirklichung trachtet er nur im Hier und Jetzt. Die Begegnungen mit Menschen wie die Verwicklungen in Ereignisse laufen aus der Sicht des Taugenichts völlig chaotisch und unverständlich ab. Die Fäden der Handlung halten andere – vor allem die junge Gräfin Flora und ihr zukünftiger Ehemann – in der Hand. Ohne einen Finger gerührt zu haben, kann er sich am Schluss der Erzählung Schlossbesitzer nennen. Selbst als Liebender ergreift nicht er die Initiative, sondern die anderen arrangieren eine Art Verlobungsfeier und Aurelie ist es, die ihm schließlich um den Hals fällt und damit ihr Eheglück besiegelt.
Eichendorffs Taugenichts taugt nicht zum Helden, sondern definiert vielmehr das genaue Gegenteil davon: den Antihelden, der nicht handelt, sondern passiv in Geschehensabläufe eingebunden ist, die er weder begreift noch steuern kann. Aus moderner Sicht ist es beinahe skandalös, dass dies beim Taugenichts keinen Leidensdruck erzeugt, wie es besonders anschaulich kennen.[97] Das Unverständnis für die äußeren Abläufe bildet vielmehr den Rahmen, aus dem der Taugenichts seinen Enthusiasmus schöpft: Glück ist für ihn, sich vom Leben begeistern zu lassen und nicht, das Leben zu verstehen.
Die zunehmende Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft ist das wichtigste politische Ziel der Philosophen der Aufklärung. Sehr viel Vertrauen wurde in die Menschheit gesetzt, man glaubte, die Menschen würden beständig bestrebt sein, sich zu vervollkommen. Ein möglichst vollkommener Mensch benötigt soziale und politische Rahmenbedingungen, die es ihm erlauben, sich selbst ungehindert zu verwirklichen. Da er sozial verantwortungsbewusst und vernünftig handelt, wird er die ihm übertragenen Freiheiten nicht missbrauchen. Er braucht, um es auf den Punkt zu bringen, möglichst wenig Staat.
iii. gesellschaftlicher Außenseiter[98]: In seiner kindlich grenzenlosen Naivität nimmt der Taugenichts den aufklärerischen Gedanken, jeder habe das Recht, sein Glück zu machen, beim Wort. Er verhält sich dabei allerdings vollkommen egozentrisch, er trachtet nur nach individueller Entfaltung. Er fügt zwar niemandem Schaden zu, verwehrt sich aber vehement dagegen, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. Das erkennt der Leser am besten an der Art und Weise, wie er die Berufe des Gärtners und Zolleinnehmers ergreift, ausübt und nach kürzester Zeit wieder aufgibt. Er ist also der Gesellschaft buchstäblich zu nichts nütze. Schließlich ist er sogar seinem eigenen Vater zur Last gefallen, der ihn als „Taugenichts“ (7) aus dem Haus geworfen hat, wohl in der Hoffnung, die Welt werde seinen missratenen Sprössling in die Schranken weisen und er werde am Ende reumütig – wie der verlorene Sohn in der Bibel – zurückkehren. Das Scheitern, das in diesem Hinauswurf einkalkuliert ist, wird jedoch nicht eintreten, die Rechnung des Vaters geht somit nicht auf. Denn am Ende erfüllt sich, was der Taugenichts eingangs prognostiziert: wenn ich ein Taugenichts bin, so ist’s gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen. (7)
Der Taugenichts erwirbt somit Glück, ohne in die Gesellschaft integrierbar zu sein, denn Glück ist für ihn nicht an materielle Werte oder an einen bestimmten sozialen Status geknüpft. Vielmehr ist er sich selber das einzige Maß seines Glücks. Das ist es vor allem, was ihm von den anderen unterscheidet. Eichendorff stellt den Taugenichts zwar als gesellschaftlichen Außenseiter dar, aber nicht als lebensfremden Sonderling. Der Taugenichts versteht es, sein Leben grandios zu meistern.
iv. Gottes- und Sonntagskind: Das Fernweh des Taugenichts hat zunächst kein konkretes Ziel. Er sucht nur das Freue, die Ungebundenheit, sieht sein Reisen in die weite Welt als Gunst Gottes, als Auszeichnung. Von daher kann er sich auch kindlichnaiv, vollkommen sorglos auf den Weg machen[99]; er hat ein unerschütterliches Urvertrauen zu Gott. Gott ist für ihn die Instanz, welche die Schöpfung blühen und duften, glitzern und jubilieren lässt (41, 95), die Autorität, deren Führung er sich blind anvertraut. So singt er nicht von ungefähr jeweils zu Beginn seines Aufbruchs von daheim und vom Schloss an der Donau: Den lieben Gott laß ich nur walten […] Hat auch mein’ Sach’ aufs best’ bestellt! (6, 27) Und sobald er sich in einer Gefahrensituation wähnt, sich etwa im Gebirge verirrt hat oder sich auf das große alte Schloss entführt sieht oder von dort in die schwarze Nacht hineinflüchtet, befiehlt er sich Gottes Führung (31, s.a. 49: Nun Gott befohlen! (62) Ich befahl meine Seele dem lieben Gott […]). Wegen dieser Ur-Frömmigkeit kann ihn auch die Venus auf der römischen Heide nicht verwirren (63).
Daraus, dass er alles als Gottes Fügung nimmt, in die der Mensch nicht einzugreifen hat, ergibt sich auch die Gelassenheit des Taugenichts gegenüber Enttäuschungen. Als er seine Geliebte als unerreichbar, als lange verheiratet wähnt, bewahrt er seine heitere Grundstimmung trotz vorhandener depressiver Zustände; als poetischer Mensch besonders sensibel, fühlt er sich zuweilen einsam, mutterseelenallein (82), überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet (23), die Welt auf einmal so entsetzlich weit und groß (36), wird passiv (20) und melancholisch (21, 55), bekommt Todesgefühle (12, 14), muss aus selbstmitleid weinen (14, 86); doch diese Stimmungen des Kummers, des Leides sind durch neue Fröhlichkeit, neues Glück schnell überwunden.
Dass der Taugenichts ein Glückskind ist, hängt ebenfalls mit seiner Bindung an Gott zusammen. Als Gotteskind fällt ihm das Glück fortwährend zu: Er wird unvorhergesehen in der Kutsche mitgenommen, ist – nachdem seine Groschen verloren sind – als Gärtnerbursche Gott sei Dank, im Brote (9), bekommt eine wundersame Flasche Wein (10), ist Zolleinnehmer, ehe ich mich’s versah (15), kennt den rechten Weg nach Italien nicht (28) und gelangt durch Leute, die ihn kennen, dennoch dorthin. Er führt ein prächtiges Leben (42) in ewiger Vakanz (39), hat ohne Geld reichlich zu essen (39), dann wieder ohne sein Zutun einen vollen Geldbeutel; er lebt in einem großen, schönen, herrschaftlichen Zimmer eines Schlosses (50) wie ein verwunschener Prinz (55), genießt das Tischlein deck’ dich! (55); er trifft in Rom den Maler, der die schöne, gnädige Frau gemalt hat (70), in Österreich Studenten, die aufs Schloss der vermeintlichen Gräfin wollen (88); er kann die Angebetene, da sie nur Portierstochter ist, schließlich doch heiraten und mit ihr in ein weißes Schlösschen einziehen (102), und es war alles, alles gut! (103) – wie im Märchen.
Der Taugenichts strebt nicht nach Wohlstand und sozialen Aufstieg, aber sein Glück besteht durchaus auch in äußeren Glücksguten – in essen und Trinken, Geld und Besitz[100] -, vor allem jedoch in seiner inneren Zufriedenheit, in seiner Glückseligkeit, der beatitudo. Zumeist ist er fröhlich (19, 23, 27, 29, 45, 58), lustig (6, 10, 91), herzlich froh (18, 49), lacht sein Herz (98), ist er voller Vergnügen (52, 64, 90, 102), Entzückung (21), heimlicher Freude (5) – ist ihm wie ein ewiger Sonntag im Gemüte (6).
Die innere Freiheit des Taugenichts drückt sich auch in einer individuellen Religiosität aus. Für ihn gehören die Glockenklänge zwar zur Feierlichkeit des Sonntags (12, 29), zum prächtigen Rom (70), zum Jubel des Morgens (89), er fühlt sich jedoch nicht wie die geputzten Leute (12, 29) zum Kirchgang gerufen. Er sitzt stattdessen wie ein Rohrdommel im Schilfe eines einsamen Weihers im Garten […] zum Sterben bange (12) oder legt sich recht behaglich unter einem Apfelbaum ins Gras […] war recht fröhlich im Herzen (9) hört dabei im Traum sogar Orgelklang durch die Bäume (29) herüberkommen. Seine Kirche ist die Natur (in den hohen Buchenalleen, da war es noch so still, kühl und andächtig wie in einer Kirche [...], 10) und mancher Kirchgänger kommt ihm wohl vor, als ob Schein und Sein auseinander fielen – etwa der unfreundliche Bauer, der dem Taugenichts unwirsch antwortet, als er ihn nach dem Weg nach Italien fragt.[101]
Wohl deswegen macht sich der Taugenichts auch nach Italien auf; denn der Portier hatte oft zu ihm gesagt: Italien ist ein schönes Land, da sorgt der liebe Gott für alles, da kann man sich im Sonnenschein auf den Rücken legen, so wachsen einem die Rosinen ins Maul […] (28).
v. Enthusiast: Schwermut ist Gedankenverhinderung, so könnte das Lebensmotto des Taugenichts lauten. Zu sehnen, zu schwärmen und zu träumen sind seine Lieblingsbeschäftigungen. Was ihn vor allem von seinen Mitmenschen unterscheidet, ist die Fähigkeit, jeder Situation etwas abzuringen, wofür er sich begeistern kann. Der Enthusiasmus ist der Motor seines Handelns, Denkens und Fühlens. Jeden Augenblick seines Lebens beurteilt er so, dass er selbst widrigsten Ereignissen etwas Positives abgewinnen kann. Seine Begeisterungsfähigkeit, die nicht zuletzt von einer enormen Sprunghaftigkeit im Denken herrührt, lässt sich besonders schön an den ersten beiden Kapiteln ablesen:
Als ihn sein Vater z.B. vor vollendete Tatsachen stellt und aus dem Hause wirft, wendet er dieses Desaster sofort in sein Gegenteil und nimmt sich vor, in die Welt zu gehen und sein Glück zu machen (7). Erhobenen Hauptes und voller Zuversicht zieht er los, ohne zu wissen, wohin er sich eigentlich wenden soll. Kaum ist er eine nennenswerte Strecke gewandert, wird er bereits von zwei Damen aufgelesen. Seine Begeisterung darüber löst z.B. einen seltsamen Freudentaumel aus:
„Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf; unter mir Staaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft – ich schämte mich laut zu schreien, aber innerlichst jauchzte ich und strampelte und tanzte auf dem Wagentritt herum, daß ich bald meine Geige verloren hätte, die ich unterm Arme hielt. (9)
Er gebärdet sich dabei ausgelassen wie ein Kind und geniert sich nur, seine Freude lauthals zu verkünden. In die ungewohnten optischen Eindrücke der Kutschfahrt steigert er sich so hinein, dass er diese Art zu reisen wie einen gewaltigen Geschwindigkeitsrausch empfindet, was in dieser Intensität übertrieben ist.
Als er kurze Zeit darauf vom Gärtnersgehilfen zum Zolleinnehmer seiner Herrschaft befördert wird, kann er sich sogar für die Pflichten eines bürgerlichen Lebens begeistern. Interessant ist an dieser Stelle die Dynamik, in der seine Gedanken Haken schlagen:
„So saß ich denn da und dachte mir mancherlei hin und her, wie aller Anfang schwer ist, wie das vornehmere Leben doch eigentlich recht kommode sei und faßte heimlich den Entschluß, nunmehr alles Reisen zu lassen, auch Geld zu sparen, wie die andern, und es mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu bringen. Inzwischen vergaß ich über meinen Entschlüssen, Sorgen und Geschäften die allerschönste Frau keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemüse, das ich in meinem kleinen Gärtlein fand, warf hinaus und bebaute es ganz mit den auserlesensten Blumen, worauf mich der Portier vom Schloß […] bedenklich von der Seite ansah, und mich für einen hielt, den sein Glückverrückt gemacht hatte.“ (20, 21)
Zunächst lässt sich der Taugenichts ganz auf die Vorstellung eines erfüllten und erfolgreichen Lebens ein. Er sinniert darüber, wie schön es wäre, so wie alle anderen zu sein. Doch das Rationale hat für ihn keinen verbindlichen Charakter. Denken ist für ihn nicht gleichbedeutend mit Handeln. Es heißt nur, Möglichkeiten des Handelns auszuloten. Er entscheidet sich, wenn man dieses Verb hier überhaupt verwenden kann, für das, was ihm sein Gespür eingibt. Er ist kein vom Nutzdenken geprägter Mensch. Nützlich ist ihm nur, was die Sinne und die Einbildungskraft anregt und Begeisterung erzeugen kann – und Kartoffeln und andere Gemüsearten haben für ihn keine empfindsamen Reize.
Er will mit seinen Blumengebinden nicht nur die Aufmerksamkeit seiner Aurelie erregen, er versucht auch das ästhetische Niemandsland, das ihn umgibt, zu begrünen. Sein kleiner Blumengarten ist folglich ein feines Zeichen der Auflehnung eines romantischen Menschen gegen eine Gesellschaft, die verlernt hat, sich am Alltäglichen zu begeistern.
Aufgrund solcher Charakterisierungen, wird die Stimmung der Helden beider Büchern Eichendorffs verdeutlicht.
Im Mittelpunkt steht wohl jetzt der Vergleich zwischen dem Student (Taugenichts) und dem Philister (Portier, oder Vater), und zwischen Fortunato und Donati, im Buch „Das Marmorbild“.
i. Student/Philister: Eine gewisse Verwandtschaft erkennt der Ich-Erzähler zwischen sich und den Prager Studenten (83), die –wie er – in dem großen Bilderbuche studieren, das der liebe Gott uns draußen aufgeschlagen hat. (84) Auch sie ziehen musizierend durch die Welt und warten von Tag zu Tag, dass ihnen ein besonderes Glück (84) begegne. Doch ist ihnen das Studentenleben nur ein Zwischenstadium – eine großeVakanz [...] zwischen der engen düstern Schule und der ernsten Amtsarbeit (90). Für den Taugenichts ist Student-Sein eine Lebenskonzeption, die nicht an äußere Bedingungen geknüpft, vielmehr eine Sache der inneren Einstellung ist.
Allerdings muss derjenige, der nach dieser Konzeption lebt, durchaus Entbehrungen auf sich nehmen. Auch das Leben des Taugenichts ist nicht durchgehend wie ein ewiger Sonntag (5). Er erlebt Tiefpunkte, fühlt sich einsam und hat zwischendurch das Empfinden, als wäre ich überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet (22). In solchen Augenblicken droht die Gefahr, dass auch er zu einem jener Trägen wird, die zu Hause liegen und nur vom Kinderwiegen / Sorgen, Last und Not und Brot (6) wissen.
Wenn er dann am Ende seine geliebte schöne Dame findet und heiratet, so weiß man nicht, wie sein Leben weitergehen wird. Wird er sich die Jungendlichkeit, die Offenheit für die Wunder der Welt und den Optimismus bewahren können oder wird auch er zum Philister?[102]
Ein Gegenbild zu diesen Philistern bilden die Prager Studenten (86), die in den Semesterferien auf gut Glück mit ihren Instrumenten durch die Welt ziehen, statt ihre Kompendien [zu] repetieren (84).
Auch der geistliche Herr (88) erinnert sich gern an die Studentenzeit, die insgesamt eigentlich […] eine große Vakanz sei. Auch er sei über Berge und Täler gezogen, sei oft hungrig und durstig, aber immer fröhlich gewesen (90).
Gerade die, die in den Augen der Philister (wie auch in den Augen des Vaters) Taugenichtse sind, haben nach Ansicht der Romantiker den Sinn des Lebens begriffen. Zu ihnen gehören die Herrn Studenten, die auf ihren Instrumenten spielen und wandernd die Hüt’ im Morgenstrahl (90) schwenken. Zu ihnen gehören auch die Künstler und Musikanten. Vor allem aber ist es der sogenannte Taugenichts, der in seinem Denken und Handeln ein Beispiel solcher Lebensart abgibt.
Philister-Sein und Student sein scheinen sich ausschließende Gegensätze zu sein. Doch ist der Mensch weder zum einen noch zum anderen geboren. Er durchläuft unterschiedliche Lebensstadien und muss seine Lebenskonzeption selbst finden und verantworten.[103]
Fortunato bedeutet der Beglückte, der Gesegnete und kommt von lat. fortunatus (= beglückt, gesegnet, glücklich).[104] Fortunatus ist als der Name mehrerer Märtyrer der frühchristlichen Kirche bezeugt. Eichendorff hat vermutlich – vielleicht als Lektüre während seiner Breslauer Schulzeit – auch das Werk des Venantius Fortunatus aus dem 6. Jh. gekannt, der in Ravenna Literatur und Musik studierte mit der Absicht seine musischen Fähigkeiten in den Dienst der Glaubensverkündigung zu stellen.[105]Den größten Teil seines Lebens verbrauchte er in Gallien, starb bald nach 600 als Bischof von Poitiers. Venantius Fortunatus gilt als letzter lateinischer Dichter des Altertums, in seinem Werk verschmelzen Antike und Christentum.[106]
Im „Marmorbild“tritt Fortunato gleich zu Beginn auf:
„Da gesellte sich, auf zierlichem Zelter desselben Weges ziehend, ein anderer Reiter in bunter Tracht, eine goldene Kette um den Hals und ein samtes Berett mit Federn über den dunkelbraunen Locken, freundlich grüßend zu ihm. Beide hatten, so nebeneinander in den dunkelnden Abend hineinreitend, gar bald ein Gespräch angeknüpft, und dem jungen Florio dünkte die schlanke Gestalt des Fremden, sein frisches, keckes Wesen, ja selbst seine fröhliche Stimme so überaus anmutig, daß er gar nicht von demselben wegsehen konnte.“(5)
Fortunato erscheint so, wie sich die Romantiker einen Minnesänger vorstellen – wahrscheinlich von bildlichen Darstellungen der Dürer-Zeit her[107]. Von Diesen könnte zudem der Schmuck übernommen sein; er wurde damals auch von Männern getragen. Außerdem weist die goldene Kette Fortunato wohl als bereits berühmten Sänger (7) aus; bescheiden gibt er sich jedoch gegenüber Florio nicht als solcher zu erkennen, teilt nichts über sich selber mit, sondern stellt den jungen Mann in den Mittelpunkt ihres Gesprächs.
Fortunato scheint noch Sänger zu sein, wie die Romantikes es sich erträumt haben: Sie taten, wie sangen, und sangen, was sie taten.[108] Leben und Dichten sind noch nicht auseinander gefallen. Zudem verkörpert er als Minnesänger noch insofern ein Ideal der Romantik, als er nicht nur dichtet, sondern auch komponiert, singt, ein Instrument spielt – also eine Art Universalkünstler ist.
Des Sängers bunter Tracht, seinem Kopfnutz entspricht sein zierliches Reitpferd, ein zierlich aufgeputztes Rößlein (19).
Über Fortunatos Gestalt, seine Gesichtszüge erfahren wir kaum etwas. Er ist schlank, anmutig (5, 7), seinen Kopf zieren dunkelbraune Locken, sein Gesicht große, geistreiche Augen (5); diese werden – als Spiegel der Seele[109] - ferner als frommklare Augen (9) und seelenvolle Augen (18) bezeichnet.[110] Sonst ist nur noch von einem gutmütigen Lächeln (19), von immer klaren Zügen (14) seines Gesichts die Rede, über die nur einmal ein seltsamer Mißmut (14) fliegt, als er und Florio sich in Begleitung Donatis befinden; wegen Donati zeigt er sich auch das einzige Mal gereizt, schimpfte lustig (14).
Böse schimpfen und fluchten kann er anscheinend nicht, da sein frisches, keckes Wiesen, seine Freundlichkeit und Fröhlichkeit (27), seine kecke Lustigkeit (18) dies verhindern. Einmal tritt er so ausgelassen lustig […], so wildwechselnd in Witz, Ernst und Scherz (9) auf, dass er fast übermütig erscheint. Fortunatos Lustigkeit wird von Florio jedoch auch als spröde (9), als verletzend (18) empfunden.
Als er dem Maskenfest bei Pietro fortwährend seltsam wechselnd sinnreichen Spuk treibt, wird die Kühnheit und tiefe Bedeutsamkeit seines Spieles von den Anwesenden nicht verstanden, so daß er manchmal plötzlich still wurde vor Wehmut, wenn die anderen sich halbtot lachen wollten (30). Fortunatos Umgebung – Florio nicht ausgenommen – registriert nur seine Lustigkeit, nicht seinen Ernst, seine tiefen Gedanken (6), seine Warnungen vor den Verlockungen des Zauberberges (6). Daraus ergibt sich die Einsamkeit des Sängers (9, 10). Weil er trotz seiner Lustigkeit besonnen in der anmutigen Verwirrung (9) bleibt, hat er allein am Abend im Festzelt kein Liebchen. Seine wesentlichen Attribute sind die Klarheit (klare, fröhliche Stimme,44; frommklare Augen, 9) und die Frische (frisches, keckes Wesen, 5; der frische, klare [...] Sänger, 26), die Eichendorff sonst dem Morgen zuschreibt; der sänger äußert recht deutlich, dass der Morgen seine Zeit ist:
„Laßt das, die Melancholie, den Mondschein und alle den Plunder, und geht’s auch manchmal wirklich schlimm, nur frisch heraus in Gottes freien Morgen und da draußen sich recht abgeschüttelt, im Gebet aus Herzensgrund – und es müßte wahrlich mit dem Bösen zugehen, wenn ihr nicht so recht durch und durch fröhlich und stark werdet!“ (19)
Hier entzaubert Fortunato den Mondschein und die Nacht, weist auf deren Gefahren hin und empfiehlt für den schlimmsten Fall das Gebet aus Herzengrund. Es wird offenkundig, dass Fortunato den redlichen Sänger verkörpert, der im Glauben an Gott wurzelt, von daher seine Kraft erhält der Lust nicht zu verfallen und fröhlich zu sein. Er singt nicht nur von der Heiterkeit des Lebens, sondern auch von den Tränen, dem Tod – bereits in seinem Eingangslied.
Zu Beginn stellt sich der Sänger Fragen nach dem Grund seiner Heiterkeit, in welche Höhen ihn noch tragen mag. Dann gibt er durchaus begeistert kund, was er so einsam von seinem hohen Standort erblickt – zunächst Bacchus, den Gott des Weines und der Fruchtbarkeit, und Venus, beide durch den Frühling, den Rosenkranz[111], durch Milde und Weichheit, Glanz und Klang, aber auch durch Feuer –Glühen, Flammen, Lohe- miteinander verbunden. Dass die Venus zart’ Bübchen mit Flügeln bedienen, charakterisiert Seidlin zu Recht als rokokohaft überzuckertes Hochmittelalter. [112]
Bezüge zur Wirklichkeit im Festzelt sind ebenso vorhanden wie Vorausdeutungen auf das Kommende: Dem Jüngling Bacchus entspricht in der Folge Florio, das Bacchantische kommt in den Früchten und im Wein auf dem runden Tisch der Festgesellschaft (8) genauso in Verbindung mit der Verlockung und dem Gefangensein vor wie im Lustgarten der Venus (37). Die beiden letzten Strophen wiederholen das abendliche Geschehen, das dem Liedvortrag vorausgegangen ist, betonen nochmals die Liebensfreude.
Dann ändert Fortunato plötzlich Weise und Ton, die Atmosphäre wechselt auffällig: Stille tritt ein: das selige Schwärmen hört auf[113], das Grün wird bleich, Garten und Au schimmern von Tränen, nur himmlisches Sehnen/geht singend durchs Blau, ein Todesbote mit antiken Attributen (Fackel und Totenkranz) erscheint – woher [...]? – und weist den Weg zur himmlischen Heimat. Der anfangs nach unten gerichtete Blick – auf die Erde, die heidnischen Götter hinunter, sinnliche Seligkeit – wendet sich jetzt nach oben, zu den Sternen, zum offenen Himmel. Das Lied schließt mit der Bitte: Nimm, Vater, mich auf! Der christliche Jüngling vom Himmel hat über den heidnischen (Bacchus) gesiegt. Fortunatos Eingangslied korrespondiert auffällig mit seinem Schlusslied, das zunächst vom Auferstehen der alten Zaubermacht – von Frau Venus und Neptun – handelt, dann davon, dass diese durch Maria mit dem Christuskind gebrochen wird.
Durch diese Lieder, die wichtige Bestandteile des Rahmens sind, weist sich Fortunato als frommer Poet aus, Künder Gottes; deswegen erscheint er Florio wie ein Bote des Friedens (26), der in ihm heimatliche Gefühle wachruft. Diese sind sowohl auf die himmlische Heimat als auch auf das damit eng verbundene heimatliche Kindheitsparadies zu beziehen.
Doch Fortunato warnt Florio nicht nur mehrmals, sondern steht ihm auch tätig bei, indem er ihm ein Wiedersehen mit Bianka ermöglicht (wie Donati eine Begegnung mit Venus) und ihn schließlich aus der Umarmung der Venus durch seinen frommen Gesang befreit.
In seiner letzten Äußerung belehrt Fortunato nicht nur Florio, sondern vermittelt zudem das Kunstideal Eichendorffs:
„Ich sang ein altes, frommes Lied, eines von jenen ursprünglichen Liedern, die wie Erinnerungen und Nachklänge aus einer heimatlichen Welt durch das Paradiesgärtlein unserer Kindheit ziehen und ein rechtes Wahrzeichen sind, an dem sich alle Poetischen später in dem älter gewordenen Leben immer wiedererkennen. Glaubt mir, ein redlicher Dichter kann viel wagen, denn die Kunst, die ohne Stolz und Frevel, bespricht und bändigt die wilden Erdengeister, die aus der Tiefe nach uns langen.“ (46)
Verglichen mit Fortunato kommt jetzt in die Rede Donati.
Der Name Donati wird aus Happels Denkwürdigkeiten übernommen. Er ist nicht von der Bedeutung des lateinischen Vornamens Donatus (der [von Gott] Geschenkte) her zu verstehen – obwohl dies möglich wäre, wenn man das Böse als anregenden Teil der Schöpfung sieht -, sondern von den Donatisten her, den Anhängern des Bischofs Donatus von Karthago. Sie bildeten im 4. Jh. in Nordafrika die erste christliche Sekte, welche nach vergeblichen Ausgleichsversuchen[114]seit 414 blutig verfolgt wurde. In Analogie zum Donatismus, der Kirchenspaltung, tritt Donnati als Priester des Venusreiches auf und verbreitet falsche, zum Abgrund führende Lehren.Bei seinem ersten Auftreten im Festzelt (12) platzt er in die gerade eingetretene Stille hinein, in den gewaltigen Nachtgesang der Ströme und Wälder, löst Schauder bei Anwesenden aus, weil er an den Todesboten erinnert, von dem Fortunato kurz zuvor gesungen hatte:
„Da trat hoher, schlanker Ritter in reichem Geschmeide, das grünlichgoldene Scheine zwischen die im Winde flackerndem Lichter warf, in das Zelt hinein. Sein Blick aus tiefen Augenhöhlen war irre flammend, das Gesicht schön, aber blaß und wüst. Alle dachten bei seinem plötzlichen erscheinen unwillkürlich schaudernd an den stillen Gast in Fortunatos Liede.“ (12)
In diesen Zeilen wird bereits die Beziehung zur Venus und zum Bösen symbolisch spürbar. Donati erscheint als reicher Ritter mit einem Geschmeide, das gleiche grünlichgoldene Scheine wirft wie später (35) ein Edelstein der Venus, seiner reichen und gewaltigen Verwandten (23). Sonst kommt diese Farbkombination nur noch im grünlichgoldenen Schweife der Schlange vor (40), die im Paradies – erst recht im vermeintlichen der Venus – den Teufel bedeutet.
Die tiefen Augenhöhlen entsprechen den steinernen der Venus (17), der Blick – irre flammend – drückt das Verwirrte und Zornige aus, das Gefährliche, die Begierde; auf dem Höhepunkt der Verlockung bekommt auch Florio flammende Augen (38), werfen die Flammen des Blitzes […] gräßliche Scheine (41). Das Irre kehrt in Irrlichtern (33) und irren Tönen (45) wieder, führt bei Florio zu wirren Gedanken und Fantasien und bewirkt, dass er sich verirrt, vom rechtem Weg abkommt, an den Abgrund gerät.
Das Verwirrte, Unstete in Donatis Blick entspricht seinem Verhalten: Hastig schlürft er den wein in langen Zügen (12) – hier kommt wieder Begierde mit ins Spiel -, hastig wendet er sich an Florio (23), am Sonntag sieht er ungewöhnlich verstört, hastig und beinah wild aus (25), in unbegreiflicher Hast fliegt sein Pferd mit ihm davon.[115] Der Furcht einflößende Blick Donatis ist das einzig Lebendige in einem schönen , aber wüsten, also öden Gesicht, von dem der Leser nur noch erfährt, dass es beide bleiche Lippen aufweist (12). Donati, der Seltsame (13), scheint den Wind mit hervorzurufen, von dem ersten Mal bei seinem Auftreten die Rede ist, auch für die seltsame(n) Scheine mit verantwortlich zu sein, welche die Windlichter auf das nahe Wasser, zwischen die Bäume und die schönen wirrenden Gestalten umherwarfen. (13)
Er ist der Störende, der Unheimliche, der Wilde (23, 25), scheint mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, mephistophelisch. Dies wird deutlich, wenn er –seltsamerweise – sich als früherer Bekannter Florios ausgibt, alles über dessen Kindheit, dessen Heimat weiß oder flucht (14), als sein Ross scheut (wohl vor christlichen Symbolen) oder beim Glockenläuten schaudert, davor erschrocken flieht, nachdem er zuvor Florio am heiligen Tage zur Jagt verführen wollte (25). Sein Landhaus erweist sich nach Florios Erretung als armselige Hütte (42).
Fortunato bezeichnet den groben, schlanken Donati als einen Mondscheinjäger, einen Schmachthahn, einen Renommisten in der Melancholie (15), als einem von den falben, ungestalten Nachtschmetterlingen (14); hier wird ein Zusammenhang mit den Gaukeleien am Abend im Festzelt, mit der Gauklerin Venus hergestellt.
Mephistophelisch zeigt sich der schwarze Ritter (25) ferner in seiner Verstellungskunst, indem er, wenn er die Kontrolle über sich erlangt hat, das Wilde überspielt als anmutiger Unterhalter (35), als gastfreundlicher Mann (35) von einer feinen und besonnenen Anständigkeit (14) – ausgesprochen höflich (23), ausnehmend beredt (13), lächelnd [...] mit der gewohnten Zierlichkeit (14), während er sonst durch ein abscheuliches Lachen (25) auffällt.
Vor allem dadurch, dass er sich als alter Bekannter aus der Kindheit ausgibt (dies hängt mit der Äußerung der Venus zusammen: ein jeder glaubt, mich schon einmal gesehen zu haben, 39), erreicht Donati, dass sich Florio mit der dunklen Gestalt auszusöhnen beginnt (13), bald schon ziemlich befreundet (14) mit ihr ist, erst recht, als sich ohne deren (Ver-)Führung kein Weg zur Venus mehr finden lässt.
Abschließend möchte ich auch Aurelie mit Bianka vergleichen.
Der Taugenichts hält Aurelie für eine gnädige Frau (23, 34), also für eine Adelige, da sie in einer Kutsche fährt und auf dem Schloss wohnt.[116] Die scheinbare soziale Überlegenheit und ihre Schönheit machen sie für ihn zu einem höheren Wesen. Wenn sie sich treffen, schlägt sie die Augen nieder (14, 96). Dennoch gibt sie sich nicht ganz unzugänglich: Sie schreibt ihm einen Brief – jedenfalls meint er das (98) – und sehnt sich nach ihm, wie die Kammerjungfrau erzählt )80).
Der Taugenichts liebt Aurelie, ohne etwas über sie zu wissen. Was er zu wissen glaubt, erweist sich als Irrtum. Daher bleibt sie als Person für den Leser wenig anschaulich. Sie gewinnt keine individuellen Züge, sondern spielt in der Novelle die Rolle der vom neuen Troubadour (28) verehrten Dame. Allerdings verleiht Eichendorff ihr zusätzlich das in der katholischen Tradition typische Kennzeichen für Maria, die Mutter Jesu: die Lilie, die Umschuld und Jungfräulichkeit symbolisiert. Dreimal wird die Blume erwähnt: An Bord des Kahns, welchen der Taugenichts über den Teich rudert, hat sie eine Lilie in der Hand (12). Darauf kommt ihm eine Lilie wie Aurelie vor (21), und als er sie auf dem Balkon beobachtet, kommt ihm umgekehrt Aurelie im weißen Kleid wie eine Lilie vor (24).
Sicherlich setzte Eichendorff bei den Lesern seiner Zeit auch voraus, dass sie das Bibelwort aus der Bergpredigt kannten:
„Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung_Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, ... wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“[117]
Die Lilie ist hier ein Symbol des Vertrauens auf Gott. Dass Aurelie diese Blume hält, zeigt, dass sie zum Taugenichts passt, denn er befolgt die Aufforderung der Bergpredigt, sich nicht um den nächsten Tag, um Essen und Kleidung zu sorgen. Dieselbe Zusammengehörichkeit signalisiert Eichendorff ein zweites Mal: Der Maler in Rom gibt auf seinem Gemälde einem Hirtenknaben neben der heiligen Jungfrau die Züge des Taugenichts (66).
Solche Anspielungen auf religiöse Bildung versetzen Aurelie auf eher indirekte Weise in eine fast übersinnliche, auf jeden Fall aber nichtsinnliche Sphäre. Direkter geschieht dies durch Hinweise auf ihre Engelhaftigkeit. Wenn der Taugenichts an Aurelie denkt, heißt es:
„[…] da geschah es denn oft, dass die schöne Frau mit der Gitarre oder einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten zog, so still, groß und freundlich wie ein Engelsbild.“ (9)
Und als er ihr Spiegelbild im Wasser erblickt, scheint sie ihm, wie ein Engel, der leise durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht (12). Kurz vor dem Abschied vom Schloss stellt er sich vor, dass ein Engel bei ihr auf dem Bette säße in der Morgenstille (20).
Durch die Vergleiche mit dem Engel wird Aurelie erneut in der Fantasie des Lesers mit der Farbe weiß in Beziehung gesetzt. Ihre Reinheit erhält etwas Schwebendes und Unkörperliches, sodass ihre Schönheit mit Erotik nichts zu tun hat. Der Hinweis auf das Leise und Stille erhebt sie über den Lärm der Welt. Sie kontrastiert als Frauenfigur mit der Wirtstochter und der römischen Gräfin: Sie verkörpert die himmlische Liebe im Gegensatz zur irdischen.[118]
Das Mädchen mit dem Blumenkranz im Buch „Das Marmorbild“ heißt Bianka.
Der Name Bianka (italienisch: weiß) – ursprünglich war auch Benigna (lat: die Gütige) erwogen worden – verweißt auf Sündlosigkeit und Keuschheit, ferner auf Abwendung des Bösen (Weiß […] ist wie ein leuchtender Schild). Verbunden mit Rot ist weiß im Mittelalter die Farbe der Gottgeweihten.[119]
Bianka, die Unschuldige, erscheint als niedliche (8), zierliche, fast noch kindliche Gestalt (7), als schöne Ballspielerin (7), anmutig in all ihren Bewegungen.
Schöne Locken wallen um das Köpfchen und den zierlichen Hals (33). Aus schönen, großen Augen (7) unter langen, schwarzen Wimpern(48) schaut sie weit und offen (7). Ihre ganze klare Seele liegt in ihrem Blick (48).
In stiller Freudigkeit (7) nimmt Bianka am Geschehen teil, reagiert auf Donati furchtsam (ahnt in ihrer Unschuld der Bösen), auf Florio einerseits schamhaft (errötend,7; hochrot,9), schüchtern und schweigend (7), andererseits zaghaft-schelmisch koketierend (9), ja verliebt, wenn sie dunkelglühende Blicke nur schlecht hüten kann (8), wenn sie sich willig auf roten, heißen Lippen küssen läßt (9), sich scheu an ihn drängt. (13)
Bianka wird oftmals als Mädchen mit dem Blumenkranz (7, 9, 15, 33) bezeichnet, recht wie ein fröhliches Bild des Frühlings anzuschauen (7). Dies ist wörtlich zu verstehen: Durch das ganze Mittelalter und die beginnende Neuzeit finden sich Darstellungen von Jahreszeitenzyklen, in denen der Frühling durch einen Blumenkranz dargestellt wird. Biankas Blumenkranz könnte auch mit der Verehrung der jungfräulichen Gottesmutter durch solche Kränze auf Madonnenbildern der Barockzeit in Zusammenhang gesehen werden, schon wegen der Affinität zwischen Bianka und Maria am Ende der Novelle.
Bianka selbst bewahrt, nachdem ihr Florio im Traum als künftiger Bräutigam erschienen ist, (34), den aus neunerlei Blumen geflochtenen Kranz als Brautkranz[120]; er symbolisiert Unberührtheit.
Mitten in ihren sorglosen Kinderspielen von der Gewalt der ersten Liebe überrascht (47), überreicht sie auf einem Tanzfest, hinter einer Larve etwas mutiger (in griechischem Gewande leicht geschürzt, 27), Florio eine Rose; diese ist in der Antike wegen ihrer Schönheit und ihres Duftes Attribut der Venus (36) und Blume in den Gefilden der Seligen; Symbol des Frühlings und Sommers. Das Christentum übernahm die Vorstellung der Rose als Paradiesblume […] In der Mystik wurde die Ros, Königin der Blumen, Attribut der Himmelskönigin Maria.[121]
Als Bianka Florio, der inzwischen verblendet der Venus folgt, mit bedrohlichen Visionen (33) vor dem Abgrund warnt, erscheint der Heißgeliebte (47) so zerstreut, so kalt und fremd (35), dass sie aus Herzengrunde weint. (35). Sie zerreißt den Blumen- bzw. Brautkranz, trägt keinerlei Schmuck mehr, wird nachlässig (34) und verfällt schließlich in eine tiefe Schwermut, deren Geheimnis sie niemand anzuvertrauen wagte. (48) Als Pietro, Biankas Onkel, ein sie umsorgender freundlicher und kluger Mann, mit Bianka aufbricht um sie auf einer Reise zu zerstreuen, begegnen sie dem gerade geretteten Florio, der nun – unverblendet – erst ihre eigentliche Schönheit als heiteres Engelsbild auf dem tiefblauen Grunde des Morgenhimmels (48) erkennt, dem Bild Marias in Fortunatos Gesang gleich:
„Denn über Land und Wogen
Erscheint so still und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein ander Frauenbild.“ (45)
Von daher kommt es zu einem glücklichen Ende.
Alle diese verschiedene Blickpunkte stellen die Stimmung der Helden je nachdem die Natur sich verändert in den zwei Büchern Eichendorffs dar.
- SCHLUSS:
Wirkung der beiden Werke auf den Leser
(Beantwortung der Themafrage)
Eichendorffs Welt ist stilisiert. Es hat sie nirgends und nie gegeben, aber es gibt sie überall und zu jeder Zeit. Sie hat die Unwirklichkeit und die Wirklichkeit dessen, was sich innerhalb der menschlichen Seele begibt und von dort aus das Leben verwandelt. Überall rauscht in Eichendorffs Werk der Wald der deutschen Mittelgebirgslandschaft, auch in Spanien, Italien oder in der Provence, ja, selbst im Orient und in den Tropen. Hohe Buchenhallen empfangen Florio, den Helden des „Marmorbildes“, vor der Toren von Lucca. So suggestiv verzaubernd seine Landschaftsschilderungen sind, wo die Ströme silbern im Grunde blitzen und der Glockenklang aus den Tälern zu Berg steigt, so wenig hat die einzelne Landschaft eine Individualität. Es sind idealische Landschaften. Und doch kann man nicht sagen, dass diese Landschaften zur Verwirklichung einer bestimmten künstlerischen Absicht hingestellt wären. Sie sind einfach vorhanden. Eichendorff fand sie in seinem Herzen, und ehe er sich es versah, standen sie auch vor seinen und des Lesers Augen. Bei allem natürlichen Vertrauen zur Welt hatte er ein empfindliches Organ für das Unbegreifliche, Fremde, das in die Ferne und zugleich in die dunkle Tiefe lockt, eine Tiefe, die ja nicht nur Abgrund, sondern auch Ursprungsnähe ist. Tod und Leben scheinen ihre Paniere vertauschen zu können, und hier gründet all die tragische Verwirrung der Welt.[122]
Verständnislose Elternhäuser – wie das des Taugenichts- hat es zu allen Zeiten gegeben und wird es stets geben. Jugendliche, die sich gedanklich aus dem Elternhaus entfernen bzw. wie der Taugenichts hinausgeworfen werden, treiben in ihren Aktivitäten bisweilen die erstaunlichsten Blüten. Ganze Protestbewegungen sind daraus entstanden, man denke nur an die Generation der Hippies oder der Punks oder an die ökologische Protestbewegung der 80er-Jahre. Seltsamerweise ist die Gesellschaft ein derart träges und beständiges Gebilde, dass sie ihre jugendlichen Ausreißer meist wieder einfängt und sogar integriert. Als jugendlicher Aussteiger ist der Taugenichts aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er besitzt tragfähige Ideale, ist nicht vom Besitzdenken besessen, kennt keinen blinden Gefolgschaftsgeist und alle Versuche der Gesellschaft, sich ihm wieder einzuverleiben, scheitern kläglich, denn er erkennt als alleiniges Maß aller Dinge nur Gott und sich selbst an. Nicht Vernunft und Nützlichkeitsdenken, sondern Spontaneität und Fantasie bestimmen seine Verhaltens- und Handlungsweisen. Den Menschen sieht er mit gänzlich anderen Augen: Arbeit macht für ihn keinen Sinn, wenn sie nur der Lebenserhaltung dient; das Leben erscheint ihm absurd, wenn es nur auf Arbeit und Leistung ausgerichtet ist und nicht mehr nach den ursprünglichen Bedürfnissen des Menschen fragt. Durch die auf Nützlichkeit ausgerichtete Zivilisation haben sich die Menschen gesellschaftliche und private Zwänge auferlegt, durch die sie sich der Natur und sich selbst entfremden. Gegen diese Entwicklung begehrt der Taugenichts auf. Ihr stellt er durch seine (in den Augen der anderen dennoch erfolgreiche) Existenz einen Gegenentwurf an die Seite. Er zeigt der allzu vernunftgläubigen Menschheit, was ihr bereits abhanden gekommen ist: er hört und befolgt noch die Stimme seines Herzens, er verfügt noch über ein hellwaches und aufnahmebereites Sinnenbewusstsein. Er bewertet seine Umwelt, Mensch wie Natur, nicht nach ihrem Nutzen, sondern nach ihrer Aura, d.h. ihrer Ausstrahlung und Ästhetik, und er hat sich eine Art von Religiosität erhalten, die Gott nicht nach den Maßgaben des Verstandes zu begreifen versucht, sondern von ungetrübter Gläubigkeit ist, er nimmt die Verse der Bibel tatsächlich noch beim Wort.
Wenn wir heute nach der Aktualität von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ fragen, dann finden wir diese in der hier grob skizzierten Alternative zum heutigen Alltag. Wir sind heute in der Gefahr, in unseren Zahlen zu ertrinken. Der Wert der Natur und des Individuums wird einzig und allein nach ihrer Wirtschaftlichkeit berechnet, Menschlichkeit bleibt allzu oft auf der Strecke. Und im Prozess der Globalisierung und Vernetzung erscheint der Mensch einsamer, isolierter und naturferner als früher. Wachstum regiert die Welt, die Finanzmärkte boomen und doch befinden wir uns vielleicht schon längst in einem Zustand, den Paul Virilio in einem gleichlautenden Essay als „Rasenden Stillstand“ bezeichnet.[123] Vielleicht treten wir schon längst auf der Stelle, nur dass unsere unaufhaltsame Bewegtheit die Absurdität unseres Tuns geschickt überblendet.
Das sollte uns heute mehr denn je zu denken geben.
LITERATURVERZEICHNIS
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[1] Schriftsteller der deutschen Romantik, geboren am 10. März auf Schloß Lubowitz bei Ratibor (Oberschlesien), und gestorben am 26. November 1857 in Neiße.
(Vrgl.: Bernsmeier, Helmut: Joseph von Eichendorff: Literaturwissen – Philipp-Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2000).
[2] Veröffentlicht 1826, und zum ersten Mal im Jahre 1972/73 in der DDR verfilmt. [Drehbuch: Wera und Claus Küchenmeister, Regie: Celino Bleiweiß.]
(Vrgl.: Schultz, Hartwig: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Erläuterungen und Dokumente – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1994, S. 105-6.)
[3] Veröffentlicht 1818.
[4] Etwa 1797 – 1835. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 27.)
[5] Vrgl.: Rumpf, Michael, Dr.: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Inhalt, Hintergrund, Interpretation (Lektüre Durchblick) – Mentor Verlag GmbH, München, 2006. S. 27.
[6] J. G. Fichte, 1762-1814 u. F. W. Schelling, 1775-1854.
[7] Etwa 1813. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 27.)
[8] Vrgl.: Hanß, Karl: Joseph von Eichendorff, Das Marmorbild / Aus dem Leben eines Taugenichts: Interpretationen – Oldenbourg, München, 1989, überarbeitete und korrigierte Auflage 1996, S.55.
[9] Vrgl.: Klöhr, Friedhelm: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Interpretationshilfe – Stark Verlagsgesellschaft mbH, Freising,
1999, S. 1.
[10] Vrgl.: Klöhr, F. a.a.O., 1999, S. 1.
[11] Vrgl.: Hanß, K., a.a.O., S. 9.
[12] Literarische Epochen sind im Prozess der Literaturgeschichtsschreibung in der Regel immer erst im Nachhinein gänzlich erfasst und auf bestimmte Kennzeichen verkürzt worden. Gerade was die Phasen der Romantik betrifft, haben die Autoren in ihrer Zeit oft sehr eigenwillige Überlegungen darüber angestellt, was denn nun als romantisch zu bezeichnen sei. Oft sahen sich die Autoren deshalb gezwungen, dies quasi in jedem Text neu festzuschreiben. Eichendorff löst solche definitorischen Probleme sehr elegant durch die Wahl einer bestimmten Erzählhaltung. (Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.27)
[13] Der Begriff Novelle kommt aus dem Italienischen und heißt etwa “Neuigkeit”. In dem Wort steckt das lateinische „novus” = „neu”. (Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 32.)
[14] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 32-33.
[15] Die Hauptperson erhält seinen (Schimpf-) Namen von seinem Vater, der ihn für einen jungendlichen Bengel hält, dem die Flausen aus dem Hirn getrieben werden müssen. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 66)
[16] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 4.
[17] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.9.
[18] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.9.
[19] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 4.
[20] Korrelationen
[21] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 47.
[22] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts: Novelle –
herausgegeben von Hartwig Schultz, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1992.S. 26.
[23] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Das Marmorbild / Das Schloß Dürande: Novellen - herausgegeben von Adolf von Grolman (1928) - Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1989, S. 15.
[24] Die Nummer in Klammern zeigen die Seiten des Textes (Reclam Verlag).
[25] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.32.
[26] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.32.
[27] Auch im übrigen Werk Eichendorffs.
[28] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.33.
[29] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 24.
[30] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 84-86.
[31] Die Donaulandschaft wäre z. B. jederzeit mit einer Gegend am Mittelrhein austauschbar. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.84)
[32] Vrgl.: Gen. 1, 1-31.
[33] Vrgl.: Joh. 1, 1-5.
[34] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.58.
[35] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.59.
[36] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.59.
[37] Vrgl.: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts, a.a.O., S. 66-7.
[38] [38] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 60.
[39] Vrgl.: Frühwald, Wolfgang (Hg.): Gedichte der Romantik. Stuttgart 1984, S. 332.
[40] Eichendorff gebraucht oft die Mehrzahl.
[41] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.85.
[42] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.86.
[43] s. Kap. 3.4 (Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts: Novelle - herausgegeben von Hartwig Schultz, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 1992.)
[44] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.86.
[45] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.61.
[46] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.63.
[47] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.33.
[48] Vrgl.: Seidlin, Oskar: Eichendorffs symbolische Landschaft. In: Stöcklein, Paul (Hrsg.): Eichendorff heute. Stimmen der Forschung mit einer Bibliographie. Darmstadt 1966, S. 225.
[49] Ein pomphafter, schwülstiger Garten.
[50] Eine möglichst naturnah belassene Gartenlandschaft wie der von Ostasien her beeinflusste Englische Garten.
[51] Das reinigende Gewitter und der fromme Gesang Fortunatos.
[52] S. a. Lied Fortunatos, (Eichendorff, Joseph von: Das Marmorbild / Das Schloß, a.a.O., S. 10.)
[53] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.36.
[54] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.76.
[55] Sigmund Slomo Freud (Freiburg-Tschechien, 1856 – London, 1939): Österreicher Psychiater hebräischer Herkunft.
[56] Veröffentlicht 1815.
[57] Amerikaner Schriftsteller (1809-49).
[58] Leidenschaft, Pathos
[59] irreführenden
[60] gesperrt
[61] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S.76-81.
[62] Vrgl.: Pelster, Theodor: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Lektüreschlüssel – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2001, S. 15.
[63]taugen, v. i. wert sein = αξίζω, dienen = εξυπηρετώ, nützen = χρησιμεύω, ωφελέω (ωφελώ). Zu etwas -, nützlich sein = χρησιμεύω εις τι, brauchbar sein = είμαι χρήσιμος. Wozu soll das -? = προς τι χρησιμεύει τούτο; // Taugenichts, m. (-, pl. –e), (fig.) der Faulenzer = ο μαστιγίας, der Müssiggänger = ο παλίμπρατος (ο αργός[χολος]), der Faulpelz = ο κύφων, ο κηφήν(ας) (= ο τεμπέλης, το τεμπελόσκυλο), der Tagedieb = ο ουδαμινός, ο ουτιδανός (ο χασομέρης), der faule Bengel = το οκνηρό παλιόπαιδο, der nichtswürdige, wertlose, unbedeutende, verworfene oder verächtliche Mensch = ο χαμένος, το χαμένο κορμί. Der Galgenschwengel = ο κρεμάλας, der Gottverhasste = ο θεοσκοτωμένος, der Nichtsnutz = ο άχρηστος, ο τιποτένιος, der Tunichtgut = ο χαραμοφάης, der Nichtstuer = ο ακαμάτης.
Γιάνναρης (Jannarakis), Α.: Γερμανοελληνικόν Λεξικόν (Deutsch-Neugriechisches Handwörterbuch) – Βιβλιοθήκη για όλους, Hofburgdruckerei der Gebrüder Jänecke in Hannover, 1882.
[64] Vrgl.: Pelster, Theodor: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Lektüreschlüssel – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2001, S. 15.
[65] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 20.
[66] Da Eichendorff zwei Entwürfe zum „Marmorbild” auch mit Schatten-Spiel bzw. […] ein Schattenspiel oder eine Novelle überschrieben hat, kann es sein, dass die Abstraktion der Figuren mit auf die ursprüngliche Planung zurückzuführen ist. Im Schattenspiel – vermutlich in China entstanden und über die islamischen Länder nach Europa vermittelt, durch die Romantiker als gesellige Unterhaltung besonders gepflegt – bewegen sich flache Figuren hinter einem durchscheinenden Schirm aus Pergament, Papier o. ä. (Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.38)
[67] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.67
[68] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 38-39.
[69] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 39.
[70] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 17.
[71] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 18.
[72] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 22.
[73] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 59.
[74]Philister, m. (-s, pl. -), der Mensch oder das Volk Palästinas = ο Φιλισταίος, (fig.) der Federfuchser, der Tintenkleckser = ο καλαμαράς· der Pedant, der einfältige Mensch = ο σχολαστικός, der Mensch der Kirchturmpolitik = ο μικροπολίτης· der beschränkte, kleinseitige Mensch = ο μικρόνους, der engstirnige Mensch = ο στενοκέφαλος, der unwichtige Mensch = ο μη σπουδαίος, der ungeistige, amusische, ungebildete, unkultivierte, rohe, grobe Mensch, ohne Sinn für Kunst und Wissenschaft, der Musenfeind = ο άμουσος.
Γιάνναρης (Jannarakis), Α.: a. a. O., 711.
[75] Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 40.
[76] Clemens Brentano, ein anderer Romantiker, benennt den Gegensatz Philister – Student:
(Vrgl.: Rumpf, M. a.a.O., S. 40):
„Philister also wurden alle genannt, die keine Studenten waren und nehmen wir das Wort Student im weitern Sinne eines Studierenden, eines Erkenntnisbegierigen, eines Menschen, der das Haus seines Lebens noch nicht wie eine Schnecke [...] zuklebt, eines Menschen, der in der Erforschung des Ewigen, der Wissenschaft oder Gottes, begriffen […]
Clemens Brentano, Der Philister vor, in und nach der Geschichte. Scherzhafte Abhandlung, Manesse Bücherei, Zürich 1988, S. 46.
[77] Vrgl.: Pelster, T. a.a.O., S. 57-58.
[78] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S.49.
[79] Schwarz, Egon: Ein Beitrag zur allegorischen deutung von Eichendorffs Novelle Das Marmorbild. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 48 (1956) H.4., S. 219.
[80] In seiner Studienzeit hatte Eichendorff selbst 1808 acht Gedichte unter dem Pseudonym Florens veröffentlicht. (Vrgl.: Regener, Ursula: Joseph von Eichendorff, Das Marmorbild: Erläuterungen und Dokumente – Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2004, S. 5.
[81] Bei Eichendorff meist als Sache der Spießbürger und Philister abgetan.
[82] Für Eichendorff hat ein Dichter einsam die schönen Augen offen.
Seidlin, Oskar: a. a. O., 79.
[83] E. Schwarz deutet ihn als eingeschlafenes Gewissen.
Schwarz, E. a.a.O.: S. 215-220.
[84] Ein Sinnbild der Romantik.
[85] Wie sein gefühl des Grauens. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 51.
[86] Die das Heidnische für Eichen dorff tatsächlich ist. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 51.
[87] S. A. Dopelbild. Vrgl.: Hanß K., a.a.O.: S. 52.
[88] Die beiden Streichungen Fouqués (s. Kap. 1.2) sind am ehesten hier zu vermuten. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 124.
[89] Vrgl.: (12).
[90] Ihr lieblicher Gesang hatte ihn mit hineingezogen. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[91] Symbol des Lebens. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[92] Ein christliches Symbol der Versöhnung, des Friedens. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 53.
[93] Sie ist hier gekennzeichnet durch ihren Ort – “hoch auf dem Regenbogen” (45) (Der Regenbogen ist nach der Sintflut Gottes „Zeichen der Versöhnung und des Bundes mit seiner Schöpfung“ [Genesis 9, 12 ff.]; nach Birgitta von Schwedenist er ein Sinnbild Mariens, in ständigem Gebet über der Welt wie der Regenbogen über den Wolken... „Seibert, Jutta: (Hrsg.): Lexikon christlicher Kunst, Themen/Gestalten/Symbole, Freiburg, Basel, Wien, 1982, S. 264.) – und durch das Kindlein in den Armen, welches sinnerfüllte Liebe darstellt. (Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 124.)
[94] Eine ikonenhafte darstellung. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 54.
[95] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 27.
[96] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 27-29.
[97] Z.B. Kafkas Texte. Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 30.
[98] Vrgl.: Klöhr, F., a.a.O., S. 30-32.
[99] Konrad Nussbächer sieht im Taugenichts den reinen Menschen „in der besonderen Spielart des reinen Toren, der seine literarischen Ahnherrn im Parzifal Wolframs und im Simplicissismus Grimmelshausens hat“ (Joseph v. Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts, Stuttgart 1970, 111).
[100] Als Eigentümer eines Schlösschens samt Garten und Weinbergen zählt er gesellschaftlich auch mehr als der wandernde Habenichts. Vrgl.: Hanß, K.: a.a.O., S. 74.
[101] Insgesamt gilt für den Taugenichts die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium (6, 25 f.): „[...] Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet. Ist nicht das Leben mehr denn die Speise? Und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“
[102] Vrgl.: Pelster, Th. a.a.O., S. 18-19.
[103] Vrgl.: Pelster, Th. a.a.O., S. 22-23 & 58.
[104] Dahnke, Hans-Dietrich u.a. (Autorekollektiv): Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 7 (1789-1830). Berlin (Ost) 1978, 782; dort auch: Diese religiös strukturierte, aus Naturbildern aufgebaute Symbolwelt konnte die utopisch unklaren Sehnsüchte breiter Volks- und Publikumsschichten bestätigen, die – nicht selten ebenfalls mit religiöser Tendenz – ihre Lebensansprüche in der Natur, gleichsam außerhalb der Gesellschaft, zu befriedigen hofften.
[105] Wimmer und Melzer: Lexikon der Namen und Heiligen. Innsbruck 1982, S. 820.
[106] Steinsdorff, Sibylle von: Erläut. Zu Das Marmorbild, in: Meier, Albert (Hrsg.): Meistererzählungen der deutschen Romantik. München 1985, S. 431.
[107] In einem Entwurf Eichendorffs ist vom deutschen Sänger die Rede. Weschta, Friedrich: Eichendorffs Novellenmärchen Das Marmorbild. Prag 1916 (Prager deutsche Studien, Heft 25), S. 94.
[108] Eichendorff, J.: Werke III, 550 (auch RE: a.a.O., 6)
[109] Vrgl.: (48)
[110] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 46: Es fällt auf, dass Eichendorff Fortunato wie auch die anderen Figuren hauptsächlich durch den Augenausdruck charakterisiert.
[111] Rosen sind Attribut der Venus. Vrgl.: Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 48.
[112] Vrgl.: Seidlin, O. a.a.O., S. 288.
[113] Bei Eichendorff: die Hin- und Her- Bewegung vieler Leute, manchmal zugleich mit einem fantastischen Begeistersein. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 48
[114] Durch Kaiser Konstantin. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 38.
[115] Dieses wirkt auch sonst wie vom Teufel besessen. Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 39.
[116] Rumpf, M. a.a.O., S. 42-3.
[117] Mt. 6, 28-30.
[118] In seiner Schrift „Zur Geschichte der neuern romantischen Poesie in Deutschland“ lobt Eichendorff 1846 den Dichter Adalbert Stifter, weil er eine geistige Auffassung der Liebe vertritt und die irdische Liebe überall an ihren himmlischen Ursprung erinnert. Vrgl.: Eichendorff, Werke Bd. 6 (Geschichte der Poesie), hrsg. V. H. Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt 1990, S. 56.
[119] Vrgl.: Hanß, K. a.a.O., S. 43.
[120] Beitl, Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1955, S. 445.
[121] Seibert, J. a.a.O., S. 267.
[122] Bergengruen, Werner: josef von Eichendorff: Erzählungen , Hrsg. Von Werner Bergengruen. Zürich: Manesse, 1955, S. 659.
[123] Vrgl.: Klöhr, F. a.a.O., 1999, S. 2.